Babys durch Smartphones in Gefahr: Wichtige Tipps, die alle Eltern kennen sollten

Kreis Gütersloh. Kinderarzt Armin Sornig kann es in seiner Praxis in Werther beobachten: "Je mehr Medienkonsum, desto unruhiger sind die Kinder." Bei den Vorsorgeuntersuchungen spricht er das Thema bei den Eltern und seinen jungen Patienten gezielt an. "Spätestens ab der U10 thematisieren wir das jedes Mal." Dann sind die Kinder sieben, acht Jahre alt. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hat gemeinsam mit der Universität Witten/Herdecke eine neue Leitlinie herausgegeben. In dieser werden Empfehlungen zur Bildschirmzeit für Kinder und Jugendliche ausgesprochen. Tenor: Je weniger Zeit vor dem Bildschirm, umso besser. Für die ganz Kleinen gilt gar: Von Null bis Drei bildschirmfrei. "Die Kinder haben in dem Alter auch ganz andere Entwicklungsaufgaben", sagt Lars Riemeier von der Fachstelle für Suchtvorbeugung der Caritas im Kreis. "Sie müssen ihre Sprache entwickeln, interagieren, sich bewegen, ihr Gleichgewicht schulen", zählt er auf. Dies alles werde durch zuviel Mediennutzung ausgebremst. Kinder, die zu früh Smartphones konsumieren, haben Probleme in ihrer motorischen Entwicklung Ulrich Kemper, Chefarzt der Klinik für Suchtmedizin im LWL-Klinikum Gütersloh, sieht ebenfalls das Risiko von Störungen bei der Entwicklung der Motorik und der Sprache. "Kinder unter 30 Monaten haben Schwierigkeiten, zweidimensional dargebotene Inhalte in die dreidimensionale Welt zu übertragen", erläutert er und ergänzt. "Kinder, die in sehr jungen Jahren Smartphone oder Tablet konsumieren, haben Probleme in ihrer motorischen Entwicklung." Der Experte beobachtet auch Bindungsstörungen. Insbesondere Kleinkinder seien auf die elterliche Fürsorge, das verlässliche Reagieren auf die kindlichen Bedürfnisse wie Körperkontakt, Blickkontakt und Aufmerksamkeitszuwendung angewiesen, so Kemper. "Stellen Sie sich die Situation vor, wo das Kleinkind im Buggy ein Handy in den Händen hält und die Mutter auch, anstelle dass Beide aufeinander schauen und sich lächelnd begegnen. " Bei Kleinkindern greife die Nutzung des Handys direkt in die Gehirnentwicklung ein. Der Mediziner erläutert: "Das Handy oder das Tablet hat eine ähnliche Suchtwirkung wie Schokolade. Und wer würde einem Kleinkind eine Tafel Schokolade in den Kinderwagen legen?" Arzt im Kreis Gütersloh: "Medienkonsum führt nachweislich zu weniger IQ als das Lesen von Büchern" Je höher die digitale Dosis, desto größer sei das Gift. Je jünger das Kind sei, umso schwerer falle es ihm, seine Süßigkeiten selbst einzuteilen. "Bei Schokolade wissen Eltern das." Es sei Aufgabe der Eltern, den Medienkonsum zu regulieren, weil die Kinder damit überfordert seien. Auch der Kinderarzt vertritt die Meinung, dass Eltern dafür sorgen sollten, dass die Kleinsten erst gar keine Tablets oder Smartphones in die Hände bekommen. "Und sie sollten auch selbst weniger dranhängen." Bücher vorlesen und mit den etwas größeren Kindern gemeinsam Brettspiele spielen - dann käme auch keiner auf die Idee, an Monitoren zu hängen. "Medienkonsum führt nachweislich zu weniger IQ als das Lesen von Büchern", so Sornig. Medien seien omnipräsent, so Riemeier, und würden häufig gar nicht mehr hinterfragt - so wie bei der Digitalisierung im Bereich Bildung. "Allein die Zurverfügungstellung von Technik schafft noch keine bessere Medienkompetenz", sagt er. "Es kommt ja auch niemand auf die Idee, einem Kind eine Flasche Alkohol hinzustellen und zu sagen ,da wird das Kind schon verantwortungsvoll mit umgehen'". Auch Kinderarzt Armin Sornig sagt, er sei nicht glücklich darüber, dass an den Schulen zunehmend mit Tablets gearbeitet werde. Denn auch er vertritt die Meinung "je weniger Bildschirmzeit, desto besser". Lesen Sie auch: Studie - viele Kinder in Westfalen-Lippe sind zu lange vor dem Bildschirm Mediensucht sei inzwischen eine anerkannte und verbreitete Diagnose, so der Pädiater. Noch sei laut Kemper nicht erforscht, ob durch den frühen Medienkonsum der Grundstein für eine spätere Mediensucht gelegt werde. "Hierzu fehlen uns noch die Daten, weil es Gott sei Dank noch zu wenig Menschen gibt, die als Kleinkinder mit dem Handy in Berührung gekommen sind. Was wir aber wissen, ist, dass Kinder das Interesse an der Auseinandersetzung mit der natürlichen Umwelt verlieren können, weil es vielleicht leichter ist, durch Tapsen auf den Bildschirm eine Reaktion zu erzielen, als durch Anlächeln der Mutter." Auch Riemeier weiß, dass der Grundstein für Suchtverhalten bereits in der Kindheit gelegt werden kann. "Auch wenn Eltern immer nur das Beste für ihr Kind wollen." Eine Idee zur Suchtvorbeugung ist bei der Caritas das Projekt "spielzeugfreier Kindergarten" - gerade erst sind sieben Einrichtungen im Kreis für ihr Engagement in dem Bereich ausgezeichnet worden. Wichtige Tipps für Eltern im Kreis Gütersloh &bdquo;Kinder werden schon früh von Konsum geprägt und von Erwachsenen wird heutzutage alles unternommen, damit Kinder Langeweile nicht erleben müssen. Dabei ist Langeweile nicht nur ein wichtiger Motor für kreative Ideen, es ist auch ein wichtiges Gefühl, neben Wut, Angst, Freude und Trauer, mit denen sie lernen müssen angemessen umzugehen“, erklärt Lars Riemeier von der Caritas den Hintergrund des Projekts. &bdquo;Und wir wissen aus Forschung und Praxis, dass ein unangemessener Umgang mit Langeweile beziehungsweise den anderen Gefühlen, sich später zu einem riskanten oder abhängigen Konsumverhalten von Alkohol, Medien oder Drogen entwickeln kann. Dann werden Substanzen eingesetzt, um sich ein ungutes Gefühl wegzumachen und sich in einen besseren Gefühlszustand zu begeben.“ Insbesondere im Kindergartenalter werden hierzu wichtige Entwicklungsschritte vollzogen. Mit dem Projekt &bdquo;Spielzeugfreier Kindergarten“, in dem Kinder ohne vorgefertigte Spielmaterialien miteinander neue Spielideen entwickeln, werden entsprechende schützende Fähigkeiten bei den Kindern gefördert. Suchtmediziner Kemper ist froh, dass es jetzt eine Leitlinie zum Medienkonsum gibt. "Ich halte sie gerade deshalb für so wertvoll, weil sie Eltern, die ja oft verunsichert sind und sich nicht mit wissenschaftlichen Studien beschäftigen können, klare Vorgaben gibt: von Null bis Drei bildschirmfrei, von drei bis sechs Jahren höchstens 30 Minuten."

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