Strom selbst erzeugen: Neue Regeln für Balkonkraftwerke in Gütersloh

Gütersloh. Photovoltaik in Gütersloh boomt. Das zeigt auch der bundesweite &bdquo;Wattbewerb“, bei dem die Stadt derzeit auf Platz 2 von 71 freiwillig teilnehmenden Großstädten steht. Jetzt könnte diese Entwicklung eine zusätzliche Dynamik bekommen. Denn die Ampelkoalition hat kürzlich im &bdquo;Solarpaket I“ unter anderem auch die Bedingungen für den Betrieb von Balkonkraftwerken attraktiver gemacht. Künftig soll es noch einfacher werden, mit wenigen Solarmodulen Strom zu erzeugen. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr beschlossen werden und könnte ab dem 1. Januar 2024 greifen. Kurt Gramlich von der Bürgerinitiative Energiewende gehört zu den Unterstützern der Petition, die der Verein &bdquo;Klimaschutz im Bundestag“ mit vielen weiteren Initiativen eingebracht hat, um diese Vereinfachung zu erreichen. &bdquo;Es gibt nur wenige Petitionen, die überhaupt die Schwelle von 50.000 Unterschriften erreichen. Diese hatte mehr als 100.000 Unterstützer.“ Das habe dazu geführt, dass die Organisatoren der Petition ihre Argumente vor dem Petitionsausschuss vorbringen konnten und dafür große Zustimmung fanden, &bdquo;quer über alle Parteien“. Gramlich erwartet durch die Gesetzesänderung einen weiteren Schub für den Ausbau der Photovoltaik. Der Nachahmungseffekt bei Nachbarn, Freunden und Verwandten sei groß. Mancher werde animiert, eine große PV-Anlage aufs Dach zu installieren. Doch was genau ändert sich beim Betrieb von Balkonkraftwerken? Anmeldung Wer bislang eine auch Steckersolargerät genannte Anlage betreiben wollte, musste diese beim Netzbetreiber anmelden. Diese Pflicht entfällt. Lediglich die Anmeldung beim Marktstammdatenregister, das alle Anlagen zur Strom- und Gaserzeugung erfasst, ist noch notwendig und online möglich. Die Netzgesellschaft Gütersloh (NGt), eine hundertprozentige Tochter der Stadtwerke Gütersloh, sieht den Wegfall der Anmeldepflicht &bdquo;aus Kundensicht als praktisch“ an. Für den Netzbetreiber aber sei das eine &bdquo;Herausforderung, da eine Übersicht über die in Nutzung stehenden Anlagen fehlen“ würde. Der Ausbau erneuerbarer Energien sei vollkommen richtig, teilt Stadtwerke-Sprecherin Sina Schäffer auf Anfrage mit. &bdquo;Es bedarf dafür jedoch für Netzbetreiber auch einer notwendigen Transparenz für die zukünftige Netzentwicklung, um einen sicheren Netzbetrieb bei einem hohen Anteil an erneuerbarer Energien sicherstellen zu können.“ Zähleraustausch Auch ein anderes Hemmnis wird es nicht mehr geben: den Austausch des Stromzählers. Weil in vielen Haushalten noch analoge Stromzähler mit Drehscheibe (Ferraris-Zähler) in Betrieb sind, müssen diese beim Betrieb eines Balkonkraftwerk bislang durch digitale Zähler mit Rücklaufsperre ersetzt werden. Negativer Effekt für den Betreiber: Nicht selbst genutzter Strom wird ins Netz eingespeist – und zwar ohne Vergütung. Nun dürfen auch die alten Analog-Zähler noch einige Jahre bis zur digitalen Umstellung ihren Dienst tun. Vorteil: Der Ferraris-Zähler dreht bei der Stromeinspeisung rückwärts, was die Stromrechnung reduziert. &bdquo;Der Rücklauf ist grundsätzlich nicht gestattet“, sagt Sina Schäffer dazu. &bdquo;Mit dem Gesetzesentwurf würde er nur vorübergehend toleriert werden bei Kunden, die (noch) einen analogen Stromzähler haben. &bdquo;Wir empfehlen bei der Nutzung von Balkonsolaranlagen einen digitalen Zähler, der auch den eingespeisten Strom misst. Wichtig ist, dass sich der Anlagenbetreiber bei der NGt als Netzbetreiber meldet, um zu überprüfen, ob der Stromzähler gewechselt werden muss.“ Leistungsgrenze Zudem wird die Leistungsgrenze von 600 Watt peak (Wp) auf 800 Wp erhöht, was den Betrieb lukrativer macht. Ein Solarmodul verfügt üblicherweise über eine Nennleistung von 300 oder 350 Wp. Wer zwei Module mit je 350 Wp verwendet, könnte bei idealer Sonneneinstrahlung also maximal 700 W Strom erzeugen. Wäre da nicht die Begrenzung auf 600 Wp durch den Wechselrichter, der aus dem gewonnenen Gleichstrom Wechselstrom macht. Mittlerweile gibt es Hersteller von Balkonkraftwerken, die Module und Wechselrichter anbieten, die die angehobenen Leistungsgrenzen berücksichtigen. Steckerverbindung Auch der haushaltsübliche Schukostecker, über den die Anlage mit dem hauseigenen Stromnetz verbunden wird, soll zukünftig die Norm sein. Bislang hatten Netzbetreiber wie die Netzgesellschaft Gütersloh diesen &bdquo;normalen“ Stecker als nicht zulässig erklärt. Jetzt heißt es dazu: Wenn der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) den Schukostecker in seinen technischen Regeln normativ zulasse, &bdquo;werden wir als Netzbetreiber dieser Überzeugung folgen“. Die Empfehlung, die Installation durch einen Fachmann durchzuführen, wird abgemildert: &bdquo;Wenn man sich als Anlagenbetreiber unsicher ist, kann man natürlich einen Installateur hinzuziehen, um prüfen zu lassen, ob die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden.“ Energiewende-Beitrag Derzeit sind den Stadtwerken 574 Balkonkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 344 kW gemeldet worden. Da in Gütersloh nach Angaben der NGt 4.210 PV-Anlagen (inklusive Balkonanlagen) mit einer Gesamtleistung von 55.124 kW betrieben werden, ist der Anteil an der regenerativen Stromerzeugung eher gering. Aber er wächst deutlich. &bdquo;Seit Anfang des Jahres 2023 sind 625 PV Anlagen und 307 Balkonkraftwerke hinzugekommen“, sagt Sina Schäffer. &bdquo;Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2023 einen Gesamtzubau von ca. 900 PV-Anlagen und rund 600 Balkonanlagen haben werden.“ Die NGt sieht in Balkon-Solaranlagen eine einfache und sinnvolle Möglichkeit, um eigene Sonnenergie zu erzeugen und zu nutzen. Schäffer: &bdquo;Aus unserer Sicht können solche Anlagen eine gute Lösung sein, um einen Teil des eigenen Stromverbrauchs zu decken. Viele kleine Anlagen bedeuten gleichzeitig einen hohen Verbrauch lokal erzeugter Energie. Das ist positiv.“ Doch fürs Gelingen der Klimawende gebe es insgesamt betrachtet nicht &bdquo;die eine“ Lösung. Es sollten verschiedene umweltschonende Ressourcen genutzt werden. Einen Beitrag zur Energiewende leiste man auch &bdquo;durch einen verantwortungsvollen und ressourcenschonenden Umgang mit Energie“. Für Kurt Gramlich sind die Mini-PV-Anlagen nicht nur sinnvoll, was den eigenen Stromverbrauch angeht. &bdquo;Ein Balkonkraftwerk stellt der Gemeinschaft erneuerbaren Strom zur Verfügung, der überall dringend gebraucht wird. Jedes bisschen an erneuerbarem Strom drückt fossile Kraftwerke aus dem Stromnetz, weil erneuerbarer Strom Vorrang hat.“ Zudem mache es Spaß zu erleben, was man selbst zur Energiewende beitragen kann. Und nicht wenige würden durch ein Balkonkraftwerk motiviert, sich irgendwann eine große PV-Anlage aufs Dach zu holen. So wie Kurt Gramlich, der nun eine neue Anlage auf seinem Reihenhaus gemeinsam mit dem Nachbar betreibt. Fragen zum Thema beantwortet auch die Bürgerinitiative Energiewende Gütersloh per E-Mail an balkon@fee-owl.de. Mehr Infos gibt es unter www.fee-owl.de/download/ 230325_Leitfaden_Steckersolaranlagen.pdf.

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