Rostige Wand am Gütersloher Rathaus verkommt zum versifften Pissoir

Gütersloh. Der Rathaus-Platz in der Gütersloher Innenstadt steht derzeit oft im Fokus. Während sich Anwohner und Geschäftsleute auch zwei Monate nach einer groß angelegten Polizei-Razzia zum Teil immer noch über Verunreinigungen, Lärm und zwielichtige Gestalten beklagen, sorgt seit einiger Zeit auch noch eine rostige Wand für Aufregung und dicke Luft. 2018 hat die Stadt Gütersloh auf der östlichen Seite des Konrad-Adenauer-Platzes zwischen Rathaus und Sparkasse eine 2,75 Meter hohe Cortenstahl-Wand errichten lassen – als Sichtschutz und Platzbegrenzung. Das Problem: Immer wieder urinieren Wildpinkler auf die zum Parkplatz der Sparkasse gerichtete Seite. Den Betroffenen stinkt die Sache zum Himmel. Manch ein Anlieger spricht bereits vom größten Pissoir der Stadt. Sparkassen-Sprecher: &bdquo;Es wird tagtäglich dort die Notdurft in jeglicher Form verrichtet“ Es ist wahrlich kein appetitliches Thema: Urin, Kot und Erbrochenes auf dem Boden, dazu besudelte Papiertücher und ein erbärmlicher Geruch – diese Situation findet auch die &bdquo;Neue Westfälische“ vor, als sie sich in dieser Woche vor Ort selbst ein Bild macht. Matthias Trepper, Sprecher der Sparkasse Gütersloh-Rietberg-Versmold, bestätigt die Eindrücke. &bdquo;Leider hat sich die zum Parkplatz gerichtete Seite in den vergangenen Jahren zu einem Urinal entwickelt. Es wird tagtäglich dort die Notdurft in jeglicher Form verrichtet, was nicht nur ein unschöner Anblick ist, sondern auch eine extreme Geruchsbelästigung vor allem in den Sommermonaten nach sich zieht.“ Die Bank-Mitarbeiter würden es vermeiden, die Fenster zu öffnen &bdquo;und unsere Haustechniker müssen die Hinterlassenschaften entfernen, was im Prinzip nicht zumutbar ist“. Zudem soll der beißende Gestank auch immer wieder in die Abluftanlage der Tiefgarage ziehen. Andere Anlieger schildern Beobachtungen von vermeintlichen Drogengeschäften, die im Schutz der aus 20 Millimeter dickem Stahl bestehenden Wand stattgefunden haben sollen. Verwaltung sucht nach Lösungen und die Gütersloher Stadtreinigung tut, was sie kann Die Sparkasse macht keinen Hehl daraus, dass ihr für die Lösung des Problems eine simple Lösung vorschweben würde. &bdquo;Wir wären froh, wenn die Wand aus den genannten Gründen entfernt würde. Wir sehen den Bereich hinter der Wand daneben auch als Angstraum, gerade in der dunklen Jahreszeit“, erklärt Matthias Trepper. Ganz so einfach ist die Sache allerdings nicht. Denn das insgesamt 17,3 Meter lange Element, bestehend aus sieben Teilstücken und angelegt in L-Form, hat die Stadt Gütersloh vor fünf Jahren inklusive Fördermittel errichten lassen. Kostenpunkt: 32.000 Euro. Dass das Bauwerk mittlerweile von einer bestimmten Klientel als stilles Örtchen &bdquo;zweckentfremdet“ wird, ist auch den Mitarbeitern im Rathaus nicht verborgen geblieben. &bdquo;Zu der Problematik hat es innerhalb der Verwaltung bereits einen Austausch gegeben. Es wird fachbereichsübergreifend nach Lösungsansätzen gesucht“, teilt Stadt-Pressesprecherin Annette Blumenstein mit. Sie verdeutlicht, dass hierbei vor allem ein gesellschaftliches Problem besteht. &bdquo;Auch wenn die Wand nicht dort stünde, fände jemand, der sich unbedingt erleichtern möchte und die Öffentlichkeit nicht scheut, sicherlich Nischen auf den dahinter liegenden Parkplatzflächen und an den umliegenden Gebäuden, um das zu tun.“ Das Stahl-Element stehe &bdquo;so gerade noch“ auf städtischem Grund, ungefähr 30 Zentimeter weiter beginnt die Fläche der Sparkasse. &bdquo;Unsere Stadtreinigung tut, was in ihren Möglichkeiten steht“, sagt Blumenstein. Fördergelder und Urheberrechte: Warum der Rückbau keine Alternative ist Die städtischen Mitarbeiter müssten regelmäßig den Bereich zwischen der Stahlwand und den zum Konrad-Adenauer-Platz hin liegenden Sitzbänken sowie die Bänke selbst mit Hochdruckreinigern von erheblichen Verschmutzungen säubern, schildert die Stadt-Sprecherin und fügt hinzu: &bdquo;Für das Grundstück der Sparkasse ist die Stadt nicht zuständig.“ Im Zuge der Neugestaltung des Rathaus-Vorplatzes soll der Bau der Wand stets von allen Projektbeteiligten – Stadt, Sparkasse und Planer – als wichtiges städtebauliches Element angesehen worden sein. Mit dem Zweck, den notwendigen Raumschluss zu der eher unattraktiven Parkplatzfläche zu erzeugen, &bdquo;und um die Platzkanten des Konrad-Adenauer-Platzes zu definieren“, erläutert Annette Blumenstein. Die Wand einfach abzureißen, ist nach aktuellem Stand keine Alternative. Einem Rückbau stünden unter anderem die städtebaulichen Ziele sowie die aufgrund von gewährten Fördergeldern bestehende Zweckbindung und Architekten-Urheberrechte im Wege. Eine von der Sparkasse seit geraumer Zeit vorgenommene Videoüberwachung, soll vorrangig der Abschreckung dienen. Weitere Maßnahmen hat das Kreditinstitut nicht vorgenommen. &bdquo;Wir können hier leider nichts weiter unternehmen, da es nicht unsere Fläche ist“, ergänzt Matthias Trepper. Man kümmere sich lediglich um die Reinigung der Fläche hinter dem Sichtschutz, &bdquo;soweit dies möglich ist“. Androhung von 1.000 Euro Strafe und pikantem Video – ein Blick nach Kiel Auf der Suche nach Verbesserung könnte sich ein Blick in den hohen Norden lohnen: In Kiel erleichterten sich Pinkler immer wieder in einem Fahrstuhl, bis die Stadt 2018 ein ungewöhnliches Warnschild anbrachte: &bdquo;1.000 Euro Strafe und Videos der Taten werden auf Social Media veröffentlicht“. Letzteres ist aufgrund von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten verboten, doch der Hinweis zeigte Wirkung. Das Schild sei mit einem Augenzwinkern zu verstehen, hieß es damals seitens der Stadt Kiel, und eine &bdquo;reine Abschreckungsgebärde, die in Abstimmung mit dem Rechtsamt und unserem Datenschutz installiert wurde“. In keinem Fall habe man die angedrohte Konsequenz gezogen, das sei auch nicht geplant gewesen. Aber das Schild sei ein Erfolg und das Problem der Wildpinkler vorbei gewesen. &bdquo;Ob dafür nun die hohe Strafe oder der Social-Media-Hinweis verantwortlich war, darüber lässt sich streiten“, sagt der Kieler Stadtsprecher Arne Ivers. Der fragliche Aufzug sei bereits seit einigen Monaten außer Betrieb, soll aber in Kürze wieder gangbar gemacht werden. &bdquo;Das Schild wurde bereits vor einiger Zeit ausgetauscht und enthält aktuell keinen Hinweis auf Soziale Medien.“ Vielleicht würde ein entsprechendes Schild aber auch der stinkenden Gütersloher Wand gut zu Gesicht stehen. Einen Versuch wäre es wert.

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