Unheilbar kranke Frau vererbt ihren gesamten Hausrat an das Tierheim Gütersloh

Halle. "Der Brockhaus ist keine 50 Cent mehr wert, ich habe schon im Internet nachgeschaut", sagt G. Tesch, die ihren kompletten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Dabei blickt sie auf die 30 Bände, die im obersten Regal des früheren Arbeitszimmers ihrer Cousine Andrea H. (Name geändert) stehen. H. ist schwerst erkrankt, liegt seit Herbst im Krankenhaus und ist dem Tode näher als dem Leben. "Es tut weh, alles auszuräumen, aber es ist sicher, dass meine Cousine nicht mehr zurückkommt", sagt Tesch. Sie sei nicht mehr ansprechbar, aber man wolle ihren letzten Wunsch erfüllen, sagt die in Berlin lebende Tesch, die die einzig verbliebene Verwandte ist und stets ein tolles Verhältnis zu ihrer Cousine hatte. "Sie ist wie eine Schwester für mich", sagt Tesch. Nun muss der Haushalts aufgelöst werden und die Berlinerin versucht, möglichst viel Geld durch den Verkauf der Besitzgüter ihrer Cousine reinzuholen. "Sie hat in ihrem Testament festgelegt, dass die kompletten Einnahmen ans Tierheim Gütersloh gespendet werden", erklärt Tesch. Ihr eigener Hund musste vor vier Jahren eingeschläfert werden Ihre Cousine sei sehr tierlieb gewesen und habe selbst viele Jahre lang einen Hund gehabt. Dieser musste vor vier Jahren eingeschläfert werden, kurz zuvor war bereits H.s Lebensgefährte verstorben. Seitdem blieb ihr noch mehr Zeit zum Lesen, schon zuvor hat sie sich durch zahlreiche Krimis geschmökert. Die Regale in ihrer Wohnung sind voll, mehrere tausend Bücher sind zu finden. Ein Bestand, bei dem so manche Stadtbücherei vor Neid erblassen würde und der nun in neuen Bücherregalen einen Platz finden soll. "Sie hat wohl sehr gerne Krimis gelesen, vor allem von deutschen Autorinnen und Autoren", stellt somit auch Nicole Draak fest. Sie hat den Hinweis auf die Wohnungsauflösung bei Facebook gesehen und sich direkt auf den Weg gemacht, um ihre eigene Literatursammlung aufzupeppen. So rettet sie die Bücher vor dem Altpapier und spendet zugleich Geld fürs Tierheim. "Ich finde die Idee, dass das Tierheim das Geld bekommt ganz toll", sagt Draak. Sie hat fast 40 Jahre lang unterrichtet Auch wenn Kölkebeck nur rund 550 Einwohner zählt - Draak hat die ehemalige Bewohnerin des Hauses am Ortsrand nicht gekannt. "Das ist wohl auch besser so. Ich hätte ein etwas mulmiges Gefühl, wenn ich sie kennen würde und nun hier in ihren Sachen rumwühle. Es wäre ein bisschen so, als würde ich ihr Andenken mit Füßen treten", sagt Draak und schaut sich weiter die Werke von Henning Mankell, Klaus-Peter Wolf, Simon Beckett und Nele Neuhaus an. Hinter jedem Buch, jedem Einrichtungsgegenstand und jedem Möbelstück steckt auch eine Geschichte. "Ich kann die Bücher nicht einfach wegwerfen, aber am Ende werde ich es tun müssen", sagt Tesch schweren Herzens. Sie versucht daher zu retten, was zu retten ist. Aber Klassiker wie VHS-Cassetten, Digitalkameras oder die bereits erwähnte Lexikonreihe mit 30 Einzelbänden sind mittlerweile vom einst teueren Luxusgut zum Ladenhüter geworden. Draak legt währenddessen kurz die Kriminalromane zur Seite und widmet sich dem Porzellaninventar von H., die fast 40 jahre lang an einer Haller Schule unterrichtet hat. "Mein Mann sammelt Geschirr, hier sind ein paar schöne Moccatassen für ihn", sagt die langjährige Organisatorin des Hörster Christkindlmarktes. "Wir haben hier ja nichts, außer einem Autotuner und einem Puff" Für ihren Sohn nehme sie noch eine Bibel mit, denn das Sammeln von Heiligen Schriften sei seine Leidenschaft. Und sie selbst? Nur Bücher oder doch noch mehr Interessen? "Ich sammel bunte Schuhe", sagt Draak und springt aus der Ecke mit dem Bücherregal hervor, um ihre grasgrüne Fußbekleidung mit Tiermotiv zu präsentieren. Da staunt sogar die Berlinerin, die das ländliche Kölkebeck bei Besuchen stets als menschenleere und geräuscharme Parallelwelt empfindet. Liebenswert verrückte Vögel gibt es wohl auch abseits von KaDeWe und Brandenburger Tor. "Berlin ist natürlich ganz was anders. Wir haben ja hier nichts, außer einem Autotuner und einem Puff", zeigt Draak Verständnis für Tesches Kulturschock. Dann löst wieder eine bedrückte Stimmung die gute Laune ab. Die halbleeren Schränke, die aussortierten Kleidungsstücke auf dem Bett aus massivem Kiefernholz und die Ränder an den Tapeten, die auf frühere Bilder und Familienfotos hindeuten, sind stumme Zeugen eines Lebens, das wohl sehr bald enden wird. Die letzten Dinge, jedes für sich verbunden mit einer Erinnerung, verlassen das Haus. Interessenten können sich per Mail melden Was bleibt, ist immerhin das Gefühl, mit dieser Aktion etwas Gutes zu tun. Je mehr Dinge noch verkauft werden und nicht in der Abfallmulde landen, umso mehr Geld bekommt das Tierheim. Eine letzte große Geste von Andrea H. Wer noch Interesse an den Gegenständen im Haus hat und somit das Tierheim unterstützen möchte, kann sich zwecks Terminvereinbarung bei G. Tesch unter der E-Mail-Adresse gtesch@t-online.de melden und einen Termin vereinbaren. Die Berlinerin wird noch einige Mal im Abstand von ein bis zwei Wochen in Kölkebeck sein, bis alles im Sinne ihrer Cousine seinen Lauf genommen hat.

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