Güterslohs Baurätin nicht mehr fürs Bauen zuständig: "Das ist ein Aberwitz"

Gütersloh. Es ist grotesk. Die Gütersloher Stadtbaurätin ist künftig nicht mehr fürs Bauen zuständig. Das ist, als würde man einem Kulturdezernenten die Zuständigkeit für Kultur entziehen, einer Kämmerin die für Finanzen und einem Sozialdezernenten das Soziale. Doch genau das ist passiert. Der Stadtrat hat am Donnerstag beschlossen, Nina Herrling von ihrer Verantwortung für das &bdquo;Technische Gebäudemanagement“ zu entbinden. Der sperrige Verwaltungsbegriff bezeichnet das, was der Bürger Bauen nennt. Oder, um exakt zu sein: Hochbau. Jedenfalls wird sich künftig jemand anders darum kümmern. Warum bekommt Herrling umgekehrt Megathemen draufgepackt? Warum? Weil die Ratsfraktionen Nina Herrling das Bauen nicht mehr zutrauen. Sie halten sie für überfordert. Herrling sei an der Kostenexplosion bei der dritten Gesamtschule schuld, sie bekomme den Ausbau der Grundschulen nicht hin, sie lege sich mit Investoren an. Selbst wenn all das zutreffen sollte: Warum packen sie ihr umgekehrt die Megathemen Verkehr, Umwelt und Klima drauf? Lesen Sie auch: Wo ist Güterslohs Bürgermeister? Norbert Morkes reagiert auf scharfe Kritik Denn auch das ist am Donnerstag passiert. In ihrer Not, keine Nachfolgerin für die ausgeschiedene Erste Beigeordnete Christine Lang zu finden, haben sie deren Ressort entschlackt. Mag sein, dass sich dort nun, bei erneuter Ausschreibung, die Bewerberlage bessert. Aber ausgerechnet einer vermeintlich Überforderten zusätzliche Aufgaben aufbürden? Welchen Sinn ergibt denn das? Dass Herrling erkrankt ist, wieder mal, macht diese Entscheidung zusätzlich unbegreiflich. Wer nicht da ist, kann nicht arbeiten, wer nicht arbeitet, schafft nichts weg: Gerade im Bauen weiß man das. Und in Sachen Umwelt und Klima sollten wir mittlerweile alle begriffen haben, dass wir besser gar nichts mehr auf die lange Bank schieben. Genau das, was Schub bräuchte, wird verkümmern Einer – unterstellt – Überforderten und oft Erkrankten einen Berg an Aufgaben auf den Schreibtisch zu legen und ihr genau das zu entziehen, wofür sie sich mutmaßlich am ehesten qualifiziert fühlt, ist ein Aberwitz. Dass die Verwaltungsspitze um Bürgermeister Morkes der Politik dennoch genau diesen Vorschlag unterbreitet und die Politik tatsächlich zugestimmt hat, deutet erstens auf eine enge Absprache zwischen diesen beiden Polen hin und öffnet zweitens Raum für Spekulationen: Gibt es vielleicht Argumente, die die Öffentlichkeit nicht kennt? Oder solche, die keiner ausspricht? So oder so fehlt es an einer klaren, nachvollziehbaren Begründung. Und so oder so hat die Entscheidung Konsequenzen. Sie lässt befürchten, dass genau die Themen verkümmern, die einen Schub bräuchten: Verkehr und Umwelt. Das Verrückte ist: Es passiert somit genau das Gegenteil von dem, was der Verwaltungsvorstand ursprünglich, vor anderthalb Jahren, im Sinn hatte. Er hatte ein eigenes, zusätzliches Klimadezernat schaffen wollen. Er hatte die Stadtspitze breiter aufstellen und andere Geschäftsbereiche entlasten wollen, doch bei all den personellen Verhedderungen der vergangenen Monate, dem überraschenden vorzeitigen Rückzug von Lang und der Ängste um eine allzu bescheidene Bewerberlage scheint dieses Ziel völlig aus dem Blick geraten zu sein. Statt die Zahl der Dezernate richtigerweise auf sechs zu erhöhen, blieb es bei fünf und einem mittlerweile verqueren Zuschnitt. Bürgermeister Morkes muss sich Situation ankreiden lassen Nun stehen Morkes und die Politik vor einem Dilemma: das Lang-Dezernat vakant, das Herrling-Dezernat Murks, das Kultur-Dezernat von Andreas Kimpel beengt, das Sozialdezernat von Henning Matthes mehr als ausgelastet, das Personal- und Digitalisierungsdezernat von Carsten Schlepphorst noch im Aufbau. Bei der obersten Ebene der Stadtverwaltung, so der Blick von außen, ist einiges verkeilt. Muss sich Morkes das ankreiden lassen? Natürlich. Schließlich ist er für den Laden zuständig, mag er sich bei seinen öffentlichen Auftritten auch noch so oft distanzieren und penetrant auf sein Quereinsteigertum verweisen. In den Behörden verhält es sich letztlich nicht anders als in der freien Wirtschaft: Wenn das Spitzenpersonal desertiert und absentiert, wirft das Fragen über den Chef auf. Etwa diese: Warum hat er es nicht geschafft, seine Idee mit dem sechsten Dezernat durchzusetzen? Wer ist ihm da nicht gefolgt und warum nicht? Sollten die Kosten für einen zusätzlichen B 3-Besoldeten bei manchen Entscheidungsträgern tatsächlich derart gewichtig sein, dass sie bereit sind, eine dysfunktionale Verwaltung in Kauf zu nehmen? Baudezernat wird auch künftig eine Baustelle bleiben Dass mit der jetzt beschlossenen Verwaltungsstruktur Ruhe einkehrt, ist kaum vorstellbar. Wieso eine künftige Kämmerin, so sie irgendwann gefunden wird, auch für das Thema Hochbau qualifiziert sein soll, erschließt sich nicht – zumal, das nur am Rande, dieser Fachbereich ebenfalls seit Monaten ohne Leitung dasteht. Auch das Baudezernat wird, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Baustelle bleiben. Man muss das ja nur zu Ende denken: Sollte Herrling in zwei Jahren nicht wiedergewählt werden – und danach sieht es derzeit aus –, wird eine neue Baudezernentin gesucht. Wie will man die finden ohne Zuständigkeit fürs Bauen? Man könnte über diesen Irrwitz ja schmunzeln, warteten mit Schulen, Mansergh-Quartier, Post- und Bahnhofsgelände etc. nicht allerorten Riesenbaustellen. Und ließen uns Artenschwund und Erderwärmung irgendeine Wahl.

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