
Gütersloh. Der Stadt Gütersloh ist eine Datenpanne unterlaufen. Der Name eines Bürgers, der einen Bürgerantrag gestellt hatte, war öffentlich sichtbar. Dies widerspricht den Datenschutzbestimmungen, die eine vollständige Anonymisierung solcher Anträge vorgibt. Die Stadt und die Aufsichtsbehörde des Landes gehen zwar von einem minderbedeutenden Fall aus, der Bürger indes bemängelt, dass dadurch die Entscheidung der Ratsfraktionen über seinen Antrag beeinflusst gewesen sein könnte.
Er liege in einer anderen Angelegenheit mit der Stadt in einem Rechtsstreit, so der Bürger. Da über diesen Streit öffentlich berichtet wurde und auch der Stadtrat mit der Sache befasst war, sei es denkbar, dass die Ratsmitglieder nun, bei dem aktuellen Antrag, voreingenommen gewesen seien. Die Anonymisierung der Anträge erfolge ja aus genau diesem Grund: Unabhängig von der Person des Antragstellers rein nach sachlichen Erwägungen zu entscheiden.
Die Entscheidung der Politiker könnte dadurch beeinflusst gewesen sein, so der Bürger
Ohne Weiteres war der Name des Bürgers allerdings nicht zu erkennen. In der Bildschirmansicht des Dokuments war er geschwärzt, und nur unter bestimmten technischen Voraussetzungen war er in der Druckvorschau und auf dem Ausdruck sichtbar. Die Datenschutzbeauftragten der Stadt und des übergeordneten Landes bestätigen das. Beide jedoch stufen den Vorfall so ein, „dass nur ein geringes Risiko für die Rechte und Freiheiten des Bürgers“ bestanden habe. Zum einen wegen der technischen Hürden, zum anderen wegen der fehlenden Konfliktträchtigkeit des Antrages.
Inhaltlich ging es um die Forderung des Bürgers, die Stadt möge prüfen, ob man in Gütersloh an manchen Kreuzungen eine Rundum-Grün-Schaltung für Radfahrer und Fußgänger einführen könne: Sie hätten aus allen Richtungen gleichzeitig Grün, rechts vor links wäre aufgehoben, sie müssten sich nur untereinander verständigen. Manche niederländische Städte, etwa Groningen, haben das eingeführt. Behandelt wurde dieser Antrag in der Sitzung des Mobilitätsausschusses Anfang Mai. Die Stadtverwaltung bezog Stellung, lehnte den Antrag vor allem aus rechtlichen Gründen ab („nach deutscher Straßenverkehrsordnung nicht zulässig“), und auch die Fraktionen votierten dagegen.
Die Stadt reagierte umgehend und bedankte sich für den Hinweis
Schon weit vor der Sitzung, Ende März, hatte sich der Bürger bei der Stadt beklagt, dass sein Antrag nicht vollständig anonymisiert sei. Der städtische Datenschutzbeauftragte Marcus Helmsorig reagierte umgehend, lud den Bürger ins Rathaus ein, ließ sich den Sachverhalt erklären und leitete die Schließung des Datenlecks ein. Die Stadt nahm das Dokument aus dem digitalen Ratsinformationssystem heraus und ersetzte es. Künftig werde so verfahren, dass der Name des Antragstellers in einem separaten Schritt geschwärzt und erst danach in das Dokument zum Hochladen eingesetzt werde. Die Stadt nahm den Vorfall zum Anlass, auch andere Anträge auf Anonymisierung zu prüfen, stellte aber nirgends vergleichbare Lecks fest.
„Es war ein freundliches und konstruktives Gespräch“, so der Bürger. Helmsorig habe sich für den Hinweis bedankt und „dafür, den städtischen Datenschutz immer noch ein wenig besser zu machen“. Wie aus einem Schriftverkehr ersichtlich, waren sich beide einig, dass das Risiko der Aufdeckung der Daten gering gewesen sei.
Landesbehörde bestätigt den Vorfall, stuft das Risiko aber als gering ein
Doch wenig später wiederholte sich der Vorfall - der Name war erneut zu sehen. Der 64-jährige Gütersloher wandte sich nun an die LDI des Landes (Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit) und sah sich bestätigt. „Es handelte sich offenbar um dasselbe Dokument“, so die Landesbehörde. „Wir konnten es aus dem Ratsinformationssystem auch noch abrufen. Die Schwärzung erfolgte durch zwei schwarze Blöcke, die man im Acrobat Reader verschieben und löschen konnte. Somit war keine geeignete Anonymisierung gegeben.“
Man habe die Stadt darauf hingewiesen, so die LDI, die Stadt habe zugesichert, zu handeln. „Bei einer stichprobenartigen Sichtung weiterer Unterlagen im Ratsinformationssystem konnten wir keine weiteren unzureichend geschwärzten Dokumente finden.“ Insgesamt bleibe die LDI bei ihrer Einschätzung, das Risiko für den Gütersloher Bürger sei gering gewesen. Der Fall werde dokumentiert, mehr nicht. Bei einem Fall in Duisburg vor zwei Jahren war die Landesbehörde zu einer anderen Bewertung gekommen: Damals waren die Unterstützernamen für ein Bürgerbegehren erkennbar gewesen, die LDI stellte formell einen Datenschutzverstoß fest.
Manche Anträge sind von der Anonymisierungs-Pflicht ausgenommen
Von der Stadt Gütersloh heißt es, es handele sich um einen Einzelfall. Beschwerden anderer Bürger lägen nicht vor. Vielmehr gebe es umgekehrt gelegentlich kritische Äußerungen, warum Namen anonymisiert würden. Die Stadt ist aber dazu verpflichtet, wie aus einer Stellungnahme des NRW-Innenministeriums 2006 deutlich wird. Darin heißt es: „Weder die Gemeindeordnung oder die Kreisordnung noch das Datenschutzgesetz ermächtigen, eine Sitzungsvorlage, die personenbezogene Daten enthält, zu veröffentlichen.“ Davon ausgenommen sind laut Stadt lediglich Anträge, „die von Parteien, Verbänden oder Vereinen gestellt werden.“ Für die praktische Arbeit der Fraktionen im Rathaus und für deren Einschätzung eines Sachverhaltes ist es in solchen Fällen hilfreich zu wissen, von wem der Antrag kommt.