Kommentar Wie funktioniert Wahl ohne Kampf? Gar nicht.

Gütersloh. Es wird wieder eine Wahllobby geben. Die Kreisverwaltung verspricht für den 15. Mai, dass ab 17.45 Uhr im Sitzungssaal des Kreishauses Gütersloh ein umfassender Überblick über den Ausgang der Landtagswahl präsentiert wird. Nachdem dies pandemiebedingt zu den Kommunalwahlen 2020 und zur Bundestagswahl 2021 nicht möglich war, findet die Wahllobby also nun wieder öffentlich statt. Parallel zum lokalen Wahlgeschehen haben die Gäste Gelegenheit, auf Großleinwänden die Fernsehberichterstattung mit ihren Hochrechnungen, Analysen und Interviews zu verfolgen. Die Kreisverwaltung präsentiert sich optimistisch und geht von einem regen Interesse in der Bevölkerung aus. Im Alltag ist davon wenig zu spüren. Landtagswahlen haben es immer schwer. Diese aber scheint gar zu versickern im Bewusstsein der Wähler. Warum? Egal, wohin wir auch blicken, unsere Welt scheint ein einziger Krisenherd geworden zu sein. Da ist immer noch Corona mit all den Auswirkungen und der Gefahr, dass im Herbst das ganze Szenario wieder von vorn beginnt. Müde von der Pandemie sind wir auch. Da ist die Klimakrise mit all ihren Folgen, die spürbar bis in den heimischen Garten reichen. Der Boden ist jetzt schon zu trocken und nächste Woche erwarten wir laut Wetterprognose sagenhafte 30 Grad. Und dann ist da vor allem der Krieg in der Ukraine. Die Bilder haben uns erschüttert und keiner weiß, welche Auswirkungen das Ganze noch haben wird. Erdgas-Embargo, was heißt das für uns? Was kann man demnächst noch bezahlen und was meint Arbeitsminister Heil, wenn er mit einem signifikanten Anstieg der Arbeitslosenzahlen rechnet?Unsere Aufmerksamkeit war umgelenkt Es ist zu viel Krise. Wir Menschen erfassen das alles, aber unser Bewusstsein verarbeitet nur einen Bruchteil davon. Unser Erleben ist zu jedem Zeitpunkt auf eine Gegebenheit beschränkt. Die Pandemie war mit dem Kriegsausbruch regelrecht erschlagen, nicht weil sie verschwunden war, sondern weil unsere Aufmerksamkeit umgelenkt war. Mehr geht scheinbar nicht. Auch die Klimakrise dringt nicht mehr in die erste Reihe unseres Bewusstseins. Die Landtagswahl schon mal gar nicht. Für die insgesamt 25 Landtagskandidaten ein Dilemma. Gut gelaunt zeigen sich die bekannten Kandidaten Raphael Tigges (CDU) und Wibke Brems (Grüne), gut gelaunt auch die Newcomer Stefan Schneidt (SPD) und Daniel Loermann (FDP). Es ist Wahl, aber kein Kampf. Der Begriff sei in diesen Zeiten auch unangemessen, meint Ralph Brinkhaus (MdB, CDU) und möchte lieber von Kampagne sprechen. Also bleibt die gesamte Werbe-Maßnahme nett und sympathisch. Aber profillos. Die wichtigen Themen unserer Zeit sind längst eingekreist – von allen Parteien gleichermaßen. Nach politischem Streit ist gerade niemandem zumute. Leider!Es ist der Landtag, der entscheidet, wie viele Polizisten und Lehrer sich NRW leistet, wie gut die Hochschulen oder die Justiz ausgestattet sind oder wie viel Geld wir für den öffentlichen Nahverkehr ausgeben. Und wer eine Umgehungsstraße haben will oder den Bau einer solchen verhindern will, der braucht die Landespolitik an seiner Seite. Düsseldorf prägt maßgeblich unser aller Zusammenleben. Ein bisschen mehr Kampf darf es deshalb bitte schon sein. Eine Wahl ist eine sichtbar gewordene Demokratie. Und sprechen wir nicht seit Februar fortlaufend von unseren demokratischen Werten, die es zu verteidigen gilt? Von alleine hält sich das System nicht am Leben. Wir müssen unser Kreuzchen setzen. Deshalb benötigen wir Wahlkampf. Deshalb brauchen wir Kämpfer für die Wahl.

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