Pfarrer soll Organistin sexuell belästigt haben - vor Gericht schweigt er

Gütersloh. Der Pfarrer selbst schweigt. Auch am dritten Tag des Prozesses äußerte sich der ehemalige Seelsorger der katholischen Liebfrauengemeinde mit keiner Silbe zu dem Vorwurf, er habe vor 16 Jahren eine Organistin sexuell genötigt. Dafür redeten jetzt am Bielefelder Landgericht andere: eine Ermittlungsbeamtin der Polizei und der emeritierte Weihbischof des Erzbistums Paderborn, Hubert Berenbrinker. Beide gaben Gesprächsverläufe wieder, die den Pfarrer belasten. Demnach könnte Teofil V. (Name geändert) damals, im September 2005, schwere Schuld auf sich geladen haben. Er habe, so die Anklage, die Organistin in den Nachmittagsstunden eines Sonntags zu sich gebeten und massiv sexuell bedrängt. Als dieser Vorwurf in der Gemeinde die Runde machte, wuchs die Unruhe derart, dass das Erzbistum den damals 64-Jährigen kurz darauf in den Ruhestand versetzte. "Ich wollte Schaden von der Gemeinde abwenden" &bdquo;Ich wollte Schaden von der Gemeinde abwenden“, sagte Hubert Berenbrinker (71) jetzt. Der frühere Weihbischof, gebürtig aus Verl, war zu jener Zeit Leiter der Zentralabteilung Pastorales Personal im Erzbistum und daher mit dem Vorgang befasst. Ihm sei klar gewesen, was derartige Vorwürfe gegen einen Pfarrer in der Gemeinde auslösten. In der Beurteilung des Geschehens habe er sich der Bewertung des Generalvikars Alfons Hardt angeschlossen, der die Aussagen des Opfers für relativ plausibel gehalten habe. Hardt habe sehr viel Mitgefühl für das Opfer gehabt. Berenbrinker sagte, er sei Anfang 2005 damit konfrontiert worden, &bdquo;dass es in der Liebfrauengemeinde Spannungen gibt“. Damals sei es aber nicht um sexuelle Nötigung, sondern um finanzielle Dinge gegangen. Die Kirche am Kattenstrother Weg sollte renoviert werden, dem Pfarrer sei vorgeworfen worden, eigenmächtig, ohne Beschluss des Kirchenvorstandes, Käufe getätigt zu haben. Später sei es auch um persönliche Bereicherung gegangen. Die Innenrevision und das Rechtsamt des Generalvikariates seien mit dem Fall befasst gewesen. Lesen sie auch:Messdiener von Vikar missbraucht - das Opfer muss gehen, der Täter bleibt Den Missbrauchsbeauftragten des Bistums eingeschaltet Als der Pfarrer wenig später in der Liebfrauengemeinde sein 40-jähriges Priesterjubiläum feierte, schien sich die Lage beruhigt zu haben, so Berenbrinker, doch danach ploppten neue Vorwürfe auf, diesmal anderer Natur: Teofil V. solle die Organistin bedrängt haben. Generalvikar Hardt habe daraufhin ein Gespräch mit der heute 59-Jährigen geführt und den Kontakt zum Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums, Manfred Frigger, vermittelt haben.In der Gemeinde habe es gebrodelt, so Berenbrinker. Vertreter von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat seien zweimal bei ihm in Paderborn gewesen, bei diesen Gesprächen sei deutlich geworden, dass die Stimmung sich drehe. &bdquo;Selbst jene, die dem Pfarrer erst den Rücken gestärkt hatten, wendeten sich von ihm ab.“ Einer der Gemeindevertreter, zugleich Kommunionhelfer, habe berichtet, er könne unter solchen Voraussetzungen nicht länger tätig sein. In der Öffentlichkeit verlor das Bistum kein Wort darüber Er habe den Pfarrer daher, am 3. Oktober 2005, zu sich gebeten, er erinnere dieses Datum genau, weil es ein Feiertag war. Berenbrinker: &bdquo;In diesem Gespräch habe ich ihm nahegelegt, auf die Pfarrstelle zu verzichten. Für mich war klar, dass er die wesentliche Ursache für die Unruhe in der Gemeinde war.“ Der Pfarrer habe prompt seinen Stellenverzicht erklärt, der Erzbischof habe das angenommen, &bdquo;damit war es rechtsgültig.“ Am 1. November 2005 versetzte das Erzbistum Teofil V. in den Ruhestand und entpflichtete ihn. In der Öffentlichkeit verlor das Bistum kein Wort über die Hintergründe. Als die Presse über das überraschende Ausscheiden des Pfarrers berichtete, äußerten sich Bistum und Kirchenvertreter lediglich über den Fakt und den weiteren Ablauf. Der Pfarrer selbst sprach von einem Herzinfarkt und gesundheitlichen Gründen, Vorwürfe finanzieller Unregelmäßigkeiten wies er zurück.Erst 13 Jahre später kommt die Sache ins RollenBerenbrinker ist inzwischen nicht mehr im Amt - Papst Franziskus nahm 2020 sein Rücktrittsgesuch an. Auf dem Flur des Landgerichtes sagte er jetzt, es sei das erste Mal, dass er gerichtlich zu einem solchen Fall Stellung nehmen müsse. Dass das Geschehen überhaupt ruchbar wurde, liegt daran, dass sechs Juraprofessoren 2018 mit Unterstützung des Institutes für Weltanschauungsrecht Strafanzeige gegen Unbekannt bei allen Staatsanwaltschaften eingereicht hatten, die für Diözesen in Deutschland zuständig sind. Grundlage war eine Studie (MHG-Studie), die allein für das Erzbistum Paderborn 60 Missbrauchsopfer auflistete. Erst daraufhin leiteten die Behörden von Amts wegen Ermittlungen gegen die Geistlichen ein, darunter gegen den mittlerweile in Düsseldorf mit seiner Haushälterin lebenden Gütersloher Pfarrer. Polizei: "Das Opfer war selbst nach so vielen Jahren so aufgewühlt" Die Ermittlungsbeamtin der Gütersloher Kreispolizeibehörde berichtete jetzt, sie habe das Gespräch mit der Organistin 2019 geführt. &bdquo;Es hat mich beeindruckt. Das Opfer war in der Vernehmung selbst nach so vielen Jahren so aufgewühlt, als wenn es gestern gewesen wäre. Sie hat geweint und gezittert, sie war noch immer entsetzt, dass ein katholischer Pfarrer solche Handlungen vorgenommen hat.“Er habe sich auf dem Sofa neben sie gesetzt, sei ihr näher gerückt, habe über das Verhältnis von Jesus zu Maria Magdalena gesprochen, habe ihr die Bluse aufgerissen, habe versucht, ihr die Beine auseinander zu drücken, habe sich &bdquo;wie ein Tier“ verhalten. Sie habe sich dem Pfarrer nur entziehen und flüchten können, indem sie ihm vorschwindelte, auf Toilette zu müssen. Weiterer Prozesstag nächste Woche Die Frau habe sich damals nur bei der Kirche gemeldet und keine Strafanzeige erstattet, weil sie keinen Medienrummel und ihre Kinder nicht belasten wollte, so die Polizistin. Berenbrinker hatte zuvor berichtet, bei den Gesprächen in Paderborn sei teils auch der Justiziar des Generalvikariats dabei gewesen; er habe der Organistin erklärt, was passiere, wenn sie den Vorfall anzeige.Nicht befragt wurde Berenbrinker dazu, warum der Pfarrer während seiner Amtszeit häufig die Stellen wechselte. Der nächste Prozesstag ist für Dienstag angesetzt.

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