So denken Osteuropäer in Gütersloh über den Krieg in der Ukraine

Gütersloh. Putins Krieg in der Ukraine dominiert das Nachrichtengeschehen und die sozialen Netzwerke. Die Diskussionen im Internet sind zum Teil hoch emotional, die Fronten zwischen Putin-Verstehern und Ukraine-Unterstützern verhärtet. Mehr als 350.000 Menschen flüchten derzeit in die Nachbarländer des von den Angriffen gezeichneten Landes. Auch in Gütersloh leben viele Mitbürger mit osteuropäischen Wurzeln. Wie sehen sie den Krieg? Die NW hat einige Reaktionen gesammelt. Die Suche nach Meinungen beginnt an einem Frischemarkt, der auf russische und polnische Produkte spezialisiert ist, aber auch ukrainische, türkische und asiatische Lebensmittel führt. Der russischstämmige Leiter des Marktes findet die Kriegssituation &bdquo;sehr, sehr schade“. Er bemüht sich um Neutralität. Der Konflikt würde weder zwischen den Kunden noch unter den Mitarbeitern – Rumänen, Ukrainern, Polen und Russen, aber auch Syrern, ausgetragen, betont er. Die Stimmung sei friedlich. Ob bei den aus Russland und der Ukraine angebotenen Produkten nun mit Lieferschwierigkeiten zu rechnen ist, bleibt offen. Hilfspakete und Angst vor einem Atomkrieg Trotzdem ist es nicht leicht, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Namentlich äußern will sich kaum jemand. Wie das rumänische Pärchen, die den am Donnerstag begonnenen Krieg, der so nah an ihr Heimatland gerückt ist, gleich zu ihrer persönlichen Angelegenheit gemacht hat. &bdquo;Wir haben bereits Hilfspakete an die rumänisch-ukrainische Grenze geschickt“, sagt die Frau. Freunde, Nachbarn und Familienangehörige aus Blankenhagen haben in kürzester Zeit Nahrungsmittel, Decken und Kleidung und Geld gesammelt. &bdquo;Wir haben viele Freunde, die aus der Ukraine kommen“, erklärt die 32-Jährige, die Putin eindeutig als Aggressor sieht, ihre Motivation. Sie hoffen auf die Einsicht, dass dieses Blutvergießen schnell beendet wird. Eine Frau um die 60 Jahre, die ursprünglich aus Lettland kommt, macht sich große Sorgen. &bdquo;Es werden immer mehr internationale Soldaten in Lettland stationiert. Das soll uns ein Gefühl von Sicherheit geben“, sagt sie. Wirklich beruhigen kann sie das Aufgebot des Westens nicht. &bdquo;Die Sorgen werden immer größer, vor allem seit Putin die Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat“, sagt sie. Sollte es zu einem solchen Angriff kommen, würden alle mit reingezogen. &bdquo;Das wäre eine Katastrophe“, befürchtet sie. &bdquo;Putin ist krank, er benimmt sich wie Hitler oder Stalin“, meint sie kopfschüttelnd. Auch ein junger Vater mit einem Kleinkind denkt an seine Eltern in der lettischen Heimat. Noch sei es ruhig. Der große Nachbar im Osten bereite den Letten allerdings schon länger Sorgen, nicht erst jetzt, deutet er an. Eine ganz andere Sicht auf den Krieg hat Olga. Die 56-jährige Russin hat Verständnis für Putins Vorgehen. Dass die aus Cheljabins in Sibirien stammende Frau damit in Gütersloh, wo sie lebt und arbeitet, aneckt, ist ihr bewusst. &bdquo;Egal, was ich als Russin sage, alles wird so gedreht, wie es deutsche Politiker gerade haben wollen“, wirft sie ihren Gesprächspartnern vor. Den Medien in Deutschland traue sie nicht, bemängelt deren einseitige Darstellung. Sahra Wagenknecht von den Linken sei da eine Ausnahme. Das Gespräch wird zäh.Doch Olga zeigt auch eine andere Seite. Was ihr als warmherzige Russin wehtue, ist das Bild, das nun von ihrem Land gezeichnet werde. &bdquo;Es ist alles schlecht, was Russland macht“, da ist ihr wiederum die Sicht des Westens zu einseitig. In Deutschland gebe es sehr viele unterschiedliche Nationalitäten, es werde ständig von &bdquo;Vielfalt“ geredet. Diese Vielfalt werde ihrer Meinung nach aber nicht wirklich gehört. Sie selbst verlasse sich vor allem auf Meldungen in den sozialen Netzwerken aus den umkämpften Gebieten. &bdquo;Da schreiben normale Menschen vor Ort und berichten, wo geschossen wird.“ Doch auch hier, so ist herauszuhören, wirkt die einseitige Propaganda aus dem Kreml.&bdquo;Wir wollen auch nur unsere Grenze schützen“ Seit April 2014 tobt der Bürgerkrieg in der Ukraine. &bdquo;Aber was hat Europa seitdem für die Menschen dort gemacht?“, fragt die Russin. Die ukrainische Armee habe in Luhansk auf Zivilisten geschossen, habe Kinder getötet. Von den Separatisten, die mit Putins Unterstützung diese Katastrophe mit bereits 14.000 Toten auf beiden Seiten ausgelöst hat, sagt sie nichts. &bdquo;Wer hat diesen Konflikt angefangen? Warum wurden Sanktionen nur gegen Russland und nicht auch gegen die Ukraine verhängt?“ Fragen, deren Antworten sie nicht akzeptieren würde. Es sind Einblicke in eine andere Gedankenwelt. Und plötzlich wird das so verhärtet begonnene Gespräch mit Olga ganz emotional. &bdquo;Ich habe Putin auch nicht gewählt“, bricht es aus ihr hervor. Doch jetzt sei er ihr Präsident und Russland von der Nato umzingelt. &bdquo;Wir möchten doch auch nur unsere Grenze schützen. Wir möchten keinen Krieg sondern Gespräche.“Als sie an ihre eigenen Kinder denkt, die noch immer im fernen Sibirien leben, kommen ihr auf offener Straße die Tränen. &bdquo;Ich möchte nicht, dass mein Sohn auch in den Krieg gehen muss“, sagt sie. In diesem Moment werden auch ihr die Dimensionen und die Konsequenzen für alle Menschen auf beiden Seiten bewusst. &bdquo;Ich bin hier ganz allein. Ich arbeite in Deutschland, aber mein Herz ist dort bei ihnen.“ Auch sie hoffe auf eine diplomatische Lösung und ein schnelles Ende des Krieges. Der Westen solle jetzt keinen Fehler machen, mit den Russen könne man doch reden.

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