Welche Rolle spielt Wilderei im Kreis Gütersloh?

Gütersloh. Zwei mutmaßliche Wilderer geraten in eine Verkehrskontrolle. Schüsse fallen. Zwei junge Polizisten, 24 und 29 Jahre alt, sterben. Die Tatverdächtigen in Rheinland-Pfalz wollten offenbar vertuschen, dass sie nachts illegal Jagen waren. &bdquo;Laut Statistik registriert das Bundeskriminalamt rund 900 bis 1.000 Fälle von Wilderei pro Jahr, wobei es nur in wenigen Fällen zu einer Verurteilung kommt. In 2020 waren es nur 23 Fälle, bei circa fünf Millionen Ermittlungsverfahren bundesweit“, sagt Gordon Frohne. Der Bielefelder Rechtsanwalt, der sich als Jungjägerausbilder im Jagdrecht für die Kreisjägerschaft Gütersloh engagiert, war in dieser Woche ein gefragte Mann. Als Experte hatte der 49-Jährige am Donnerstag im Mittagsmagazin des ZDF den Fall Kusel und das Thema Wilderei und die Strafen näher beleuchtet. Hohe Dunkelziffer und geringe Wahrscheinlichkeit, ertappt zu werden &bdquo;Ich denke, dass es deutlich mehr Wilderei gibt, als zur Anzeige kommt“, rechnet Frohne den 1.000 offiziell angezeigten Fällen pro Jahr nur wenig Aussagekraft zu. Das hat mehrere Gründe: Zum einen gebe es eine große Dunkelziffer an tatsächlichen Taten und die geringe Wahrscheinlichkeit, &bdquo;dass jemand ertappt wird“. Reviere könnten schließlich nicht rund um die Uhr beobachtet werden. Zum anderen gilt schon das Mitnehmen eines angefahrenen Rehes oder das Entnehmen von Eiern aus einem Gelege von Stockenten als Wilderei. Da die Zahl der offiziellen Fälle so &bdquo;verschwindend gering“ sei, spiele Wilderei in Ostwestfalen-Lippe so gut wie gar keine Rolle, weiß Gordon Frohne. Doch es gibt sie. Und der Fall Kusel ruft das Thema auch in der hiesigen Region ins Bewusstsein. Jäger: &bdquo;In meinem Revier fallen nachts auch schon mal Schüsse“ &bdquo;Ich glaube auch, dass es bei uns im Kreis Gütersloh Wilderei gibt“, sagt Ralf Reckmeyer, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Gütersloh. &bdquo;Im großen Stil eher weniger, aber unwissentlich und ohne Vorsatz bestimmt.“ Der 56-Jährige spricht von einem heiklen Thema. Schließlich falle es eben auch unter die Begrifflichkeit Wilderei, wenn man sich bei einem Waldspaziergang die abgefallene Stange eines Hirschgeweihs aneignen würde. Doch auch Fälle, in denen tatsächlich illegal gejagt wird, will Reckmeyer nicht per se ausschließen. &bdquo;Ich weiß von Menschen, die in meinem Revier wohnen, dass dort nachts auch schon mal Schüsse gefallen sind.“ Ob nun Wilderer am Werk waren oder Halbstarke mit Kleinkaliber hantiert haben, lasse sich hierbei nur vermuten. Bis jetzt habe man es noch nie geschafft, jemandem habhaft werden zu können. Im Kreis Gütersloh: Pro Jahr drei angezeigte Wilderei-FälleDer Kreispolizeibehörde Gütersloh werden durchschnittlich drei Fälle von Wilderei pro Jahre bekannt, legt man die Statistik der beiden vergangenen Jahre zugrunde. &bdquo;In 2021 waren es drei Verdachtsfälle und auch keine, in denen Wilderer nachts durch die Gegend geschlichen sind und illegal Tiere geschossen haben“, schildert Polizeisprecherin Katharina Felsch. Bei einem Einsatz am am Anemonenweg am 20. Mai sei ein Müllsack mit Tierkadavern aufgefunden worden. Ein ominöser Fall ereignete sich am 26. Juli: Dabei hatten Zeuge Schüsse gehört und die Beamten fanden drei tote, schon stark skelettierte Gänse. In beiden Fällen wurde kein Tatverdächtiger ermittelt. Verfahren werden häufig eingestellt Im dritten Fall hatte der Pächter eines Jagdreviers in Schloß Holte-Stukenbrock Anzeige gestellt. &bdquo;Ein ehemaliger Jagdaufseher hatte nach Aufgabe seiner Tätigkeit in dem Revier gejagt“, erläutert Staatsanwältin Barbara Bosse aus Bielefeld die Hintergründe. Dem Fall war offenbar eine Streitigkeit vorausgegangen und er wurde mangels öffentlichen Interesses nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung eingestellt. Das kommt auch nach den Erfahrungen von Anwalt Gordon Frohne nicht selten vor: &bdquo;In 21 Jahren Tätigkeit hatte ich drei Verfahren wegen Jagdwilderei. Alle wurden eingestellt. Die meisten Verfahren einer normalen Jagdwilderei werden eingestellt, weil kein besonderes öffentliches Interesse besteht. Eigentlich handelt es sich um ein Vermögensdelikt.“ Nach Paragraf 292 des StGB sieht der Strafrahmen in minder schwere Fälle von Wilderei eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Zum Vergleich: Bei Diebstahl sind es bis zu fünf Jahre. Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren in schweren Fällen &bdquo;Liegt hingegen eine schwere Jagdwilderei vor, die zum Beispiel dann begangen wird, wenn sie etwa gewerbsmäßig, zur Nacht- oder in der Schonzeit begangen wird, kann es eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geben“, erläutert Gordon Frohne. Bei den Polizisten-Morde in Rheinland-Pfalz seien womöglich auch die Angst vor drohenden Konsequenzen einer Verurteilung Auslöser der Tat gewesen. Denn: Wird jemand wegen Jagdwilderei verurteilt, gilt er als unzuverlässig. &bdquo;Dann bekommt man für fünf Jahre eine Sperre, in der man sowohl keinen Jagdschein als auch keine Waffenbesitzkarte erlangen kann und diese Person wird im Zweifel nie wieder als zuverlässig anerkannt werden.“ Mordmerkmal Verdeckungstat: &bdquo;Dann droht ihnen Lebenslang“ Ein besonders schwerer Fall der Wilderei kommt nach den bisher bekannten Umständen im Fall Kusel in Betracht. &bdquo;Die Verdächtigen sollen weder im Besitz eines Jagdscheines noch einer Waffenbesitzkarte gewesen sein, dafür illegale Waffen besessen haben. Der eine von beiden war wohl schon zwei Mal von der Polizei als unzuverlässig eingestuft worden. In diesem konkreten Fall wäre der Jagdschein wohl auf Lebenszeit entzogen worden.“ Sollte sich jedoch bewahrheiten, dass die beiden Tatverdächtigen die Polizisten getötet haben, um die Wilderei zu vertuschen, hat das weitaus mehr Konsequenzen. &bdquo;Denn dann wäre das Mordmerkmal der 'Verdeckungstat' verwirklicht“, weiß Gordon Frohne: &bdquo;In diesem Fall droht ihnen eine lebenslange Haftstrafe.“

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