Nach Todesangst bei Hochwasser: Haus kaputt, Auto Schrott - „aber am Leben“

Gütersloh. Zwei Monate ist es her, dass sich Jacqueline Dünker (35) in aller Herrgottsfrühe mit dem Handy fotografiert hat. Morgens um 5.33 Uhr, angsterfüllten Blickes auf dem Dach ihres eigenen Hauses hockend. Umgeben von trüb-braunen Wassermassen, die sich unaufhörlich ihren Weg durch das Neubaugebiet in Bad Neuenahr-Ahrweiler bahnen. Im Hintergrund sieht man die Ahrtalbrücke. Die ehemalige Bundesliga-Fußballerin des FSV Gütersloh und ihre Lebensgefährtin Nina Dielmann (41) gehören zu den Betroffenen der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz. Heute ist ihr Haus unbewohnbar, das Auto auf dem Schrottplatz gelandet. &bdquo;Doch das, was am Ende zählt, ist, dass man am Leben ist", sagt Dünker demütig mehr als acht Wochen nach den Ereignissen. "Es sind Dinge passiert, die einen nachts einholen" Die vielen Stunden vor und nach dem denkwürdigen 15. Juli haben ihr Leben auf den Kopf gestellt und sich ins Gedächtnis eingebrannt: &bdquo;Es sind Dinge passiert, die einen nachts einholen." Das Wasser zog ihr ein Regal unter den Füßen weg, mit Mühe habe sie sich an der Dachrinne ihres Hauses festhalten können, schildert Jacqueline Dünker. Sie und ihre Partnerin verbrachten die Nacht auf dem Dach und wurden morgens gegen sechs Uhr von einem Rettungsboot aufgelesen. Nachbarn hatten weniger Glück. &bdquo;Eine Straße weiter sind die Frau und Tochter eines Mannes gestorben, auch seine drei Hunde. Er selber konnte sich auf einen Baum retten", sagt Dünker. Mitunter stockt ihre Stimme. &bdquo;Es ist immer noch schwer zu realisieren, was da passiert ist. Viele sind stark traumatisiert." Noch keine Rückmeldung von der Versicherung Deutlich sichtbar und spürbar sind die Folgen: Am einst makellos weißen KfW-Effizienhauses sehe man noch heute genau, wie hoch das Wasser stand. &bdquo;Es ist unbewohnbar und schimmelt quasi vor sich hin. Der Schlamm ist bis auf das Mauerwerk durchgedrungen", sagt Dünker. Das Unter- und Obergeschoss sind voller Wasser gelaufen. Der Prozess des Wiederaufbaus zieht sich hin. Vor einigen Wochen noch habe ein von der Versicherung beauftragter Gutachter von Abriss gesprochen, kurz darauf hätte es dann geheißen, das doch saniert werden solle. Passiert ist bisher nichts. Um nun überhaupt erst einmal zu klären, wie hoch der Schaden und was zu tun ist, lassen sich Dünker und Dielmann nun anwaltlich beraten. &bdquo;Von der Versicherung haben wir noch keine Rückmeldung." Lesen Sie auch: Feuerwehr-Retter aus Gütersloh: "So stelle ich mir Krieg vor" Das Paar wohnt aktuell wie in einer WG Das Paar selbst kam unmittelbar nach dem Hochwasser bei einer befreundeten Familie im Dachgeschoss unter. &bdquo;Mittlerweile wohnen wir bei einer sehr guten Freundin, die eine Eigentumswohnung hat, in einem Zimmer – quasi wie in einer WG", spricht die gebürtige Euskirchenerin von der krassen Umstellung, sich plötzlich mit mehreren Leuten eine Küche teilen zu müssen anstatt die eigenen vier Wände um sich zu haben. Ablenkung bringe der Alltag. Seit dem 1. Juli arbeitet Dünker nun als IT-Service-Managerin für die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH. Zudem betreut sie die Fußballerinnen des Werksklubs als Co-Trainerin in der 1. Bundesliga, durfte zuletzt am vergangenen Freitag ein 2:0 gegen Potsdam bejubeln. Soforthilfen von Kreis und Land sind zügig geflossen Rund 20 Helfer hatte der Verein im Juli für die ersten Aufräumarbeiten geschickt. Auch von früheren Mitspielerinnen oder Ex-Trainer Markus Graskamp vom FSV Gütersloh, für den Dünker in der 2012/13 elf Mal in der 1. Bundesliga spielte, kamen etliche Hilfsangebote und Nachrichten: &bdquo;Ich habe nach wie vor noch nicht auf alle SMS antworten können." Ob sie staatliche Hilfe erhalten hätten? &bdquo;Vom Kreis und Land NRW haben wir relativ zügig Soforthilfen bekommen, für den ersten Bedarf, um sich beispielsweise ein Bett oder einen Kleiderschrank kaufen zu können", schildert Jacqueline Dünker. Problematisch sei es, wenn eine Versicherung bestehe. &bdquo;Dann erlischt in vielen Fällen der Anspruch auf Gelder." Audi TT war nur noch schrottreif Im Falle ihres heiß geliebten Audi TT (&bdquo;Mein erstes eigenes Auto"), der von ihr elf Jahre lang gefahren und nach der Flutkatastrophe verschrottet wurde, erhielt Jacqueline Dünker noch &bdquo;eine gute Versicherungssumme". Dank des Geldes hat sie sich mittlerweile wieder einen eigenen Pkw zugelegt. Es sei gut für den Kopf, dass man sagen könne, man habe noch etwas Eigenes. Viel von ihrem Hab und Gut ist schließlich mit den Fluten vom 15. Juli verschwunden. Auch von ansatzweise Normalität könne mehr als zwei Monate später noch nicht wieder die Rede sein. Das Hoffen auf die Lehren von Stadt und Politik &bdquo;Man lebt seinen Alltag, aber die Basis ist weg. Du gehst morgens aus dem Haus und kehrst abends nicht in die eigenen vier Wände zurück", sagt Jacqueline Dünker. Was aus ihrem Haus wird, steht in den Sternen. Im Neubaugebiet in Ahrweiler sind es um die &bdquo;sieben, acht Häuser, die definitiv abgerissen werden müssen." Was Zuversicht gebe, sei die Gemeinschaft, die vor Ort in den vergangenen Jahren gewachsen sei (&bdquo;95 Prozent der Menschen kommen zurück") und die Hoffnung, dass die Politik und die Stadt aus dem Jahrhundertereignis gelernt hätten. Rückkehr geplant – allein aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Auch die 35-Jährige und ihre Freundin wollen zurückkehren an den Ort, der ihr Leben verändert hat. Schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, wie Jacqueline Dünker sagt, denn man werde den einst selbst gezahlten Kaufpreis nach den Ereignissen vom Juli wohl kaum erhalten. &bdquo;Unser Wunsch wäre es, im nächsten Jahr um diese Zeit vielleicht schon wieder im Haus leben zu können", sagt die frühere Gütersloher Fußballerin und fügt hinzu: &bdquo;Ich bekomme Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, dass wir irgdenwann auf der Terrasse sitzen und sagen können: Hey, das war hart, aber wir haben es bewältigt und sitzen jetzt hier."

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