Neuer Gütersloher Bürgerrat für mehr direkte Teilhabe startet im Frühjahr

Gütersloh. Es war eines der Wahlversprechen von Norbert Morkes als Bürgermeisterkandidat: die Einrichtung eines Bürgerrates. Nun, im Amt, stellte er das &bdquo;Gütersloher Modell" vor. Bereits im Frühjahr soll es losgehen, das Thema steht noch nicht fest. Vorher muss allerdings noch die Politik zustimmen, der Hauptausschuss berät auf seiner Sitzung am Montag, 30. August, 17 Uhr, darüber. Der Bürgerrat ist eine besondere Form der direkten Demokratie. Ausgeloste Bürgerinnen und Bürger sollen in moderierten Sitzungen und mit fachlicher Begleitung von Experten über konkrete Themen diskutieren und der Politik Beschlussempfehlungen vorlegen. &bdquo;Es gibt verschiedene Konzepte", so Morkes, der sagt, er ginge schon seit 15 Jahren mit dem Thema schwanger. In Gütersloh habe man sich nach intensiven Recherchen am Vorarlberger Modell orientiert. Das werde bereits in verschiedenen Bezirken Berlins praktiziert. Das &bdquo;Gütersloher Modell" sei eine verschlankte Form davon. Bürgerrat als breiter Querschnitt der Gesellschaft Demnach sollen 20 Bürgerinnen und Bürger zufällig aus dem Pool an Meldedaten ausgelost und unter Bekanntgabe des vorgesehenen Themas zur Mitwirkung eingeladen werden. &bdquo;Wir wollen so einen breiten Querschnitt der Gesellschaft widerspiegeln", sagt Rainer Spies, der als Leiter des Fachbereichs Ratsangelegenheiten und Bürgerdialog für die Durchführung verantwortlich ist. Auch Morkes betont, dass nicht &bdquo;die üblichen Verdächtigen" in solchen Runden sitzen, sondern diese mit Personen unterschiedlicher Bildungsstände und Einkommen, verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft besetzt sein sollten. Diese werden dann über konkrete Themen diskutieren – von der Verkehrswende bis zu Bauprojekten. Auch eine Diskussion zum Marten-Gelände will Morkes nicht ausschließen. &bdquo;Das ist die letzte große innerstädtische Fläche, die zur Bebauung ansteht. Das bewegt die Menschen und natürlich sollten sie darüber mitreden dürfen." Das Thema Klimawandel hält Morkes indes für nicht so geeignet, weil bereits in anderen Zusammenhängen thematisiert. Themen können von der Verwaltung vorgeschlagen werden oder auch aus der Politik kommen. Auch Initiativen oder einzelne Personen dürfen sich mit Vorschlägen an den Fachbereich Bürgerdialog wenden. Ängste der Politik, der Bürger- würde den Stadtrat ersetzen, seien unbegründet Die bis zu anderthalbtägige Tagung des Bürgerrates ist der Auftakt des Denk- und Diskussionsprozesses. Dessen Ergebnis soll in einem &bdquo;Bürgercafé" Politik, Verwaltung und Bevölkerung präsentiert und in weiteren Stufen diskutiert werden. &bdquo;Alles wird dokumentiert, um Transparenz zu gewährleisten", so Morkes. Am Ende wird eine Beschlussfassung für die entsprechenden politischen Gremien formuliert. &bdquo;Mögliche Ängste in der Politik, der Bürgerrat werde den Stadtrat ersetzen, sind unbegründet", stellt Morkes fest. Obwohl schon in den Strukturen verschlankt, ist das &bdquo;Gütersloher Modell" nicht zum Nulltarif zu haben. Kosten fallen für eine externe Moderation und externe Experten an. Auch wird den Teilnehmern eine Aufwandsentschädigung gezahlt, auch für eine Verköstigung wird gesorgt, stellt Morkes klar. Daher wird für den ersten Bürgerrat ein Budget von 10.000 Euro eingeplant. Den Antrag hatte &bdquo;Demokratie wagen!" Anfang 2020 gestellt Konkreter Anlass für die Beschäftigung mit diesem Thema war der Antrag der Gütersloher Initiative &bdquo;Demokratie wagen!", die Einrichtung eines Bürgerrates zu prüfen. Der Antrag wurde bereits im Februar 2020 in den Rat eingebracht und im März 2020 zur Bearbeitung an die Verwaltung, genauer: an den Fachbereich Ratsangelegenheiten und Bürgerdialog verwiesen. Dieser sollte eigentlich bis zum 19. Juli 2020 eine Beschlussfassung erstellen. Dass es nun ein Jahr länger gedauert hat, begründet Spies unter anderem mit der intensiven Recherche nach Umsetzungsmodellen. Morkes ergänzt, dass die Verwaltung die Zeit nicht verschlafen habe, sondern den Beschluss dem im vergangenen September gewählten neuen Rat vorlegen wollte. Auch, weil man von der alten Ratsbesetzung eine stärkere Ablehnung befürchtete. "Wir wollen kein Demokratie-Monster erschaffen, sondern eine praktikable Lösung anbieten" Kurz vor der Vorstellung des Gütersloher Modells habe man noch Kontakt zu den Akteuren von &bdquo;Demokratie wagen!" gehabt. Dabei seien auch die unterschiedlichen Ansichten über die verschiedenen Konzepte offenbar geworden. &bdquo; Demokratie wagen!" hatte sich am Konzept der Initiative &bdquo;Mehr Demokratie" orientiert. Diese hatte Anfang des Jahres bereits einen bundesweiten Bürgerrat unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble organisiert, an dem auch Norbert Morkes teilgenommen hatte &bdquo;Dieses Modell hat uns aber eher abgeschreckt, dabei wollen wir doch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und bei der Politik für den Bürgerrat erreichen", sagt Spies. &bdquo;Wir wollten kein Demokratie-Monster erschaffen, sondern eine Lösung anbieten, die für Gütersloh funktioniert", ergänzt Morkes. "Wir lernen Bürgerrat" Jetzt wolle man erst einmal Erfahrungen beim ersten Bürgerrat im Frühjahr sammeln, um zu sehen, was praktikabel ist und was nicht. &bdquo;Wir lernen Bürgerrat", beschreibt Morkes den offenen Entwicklungsprozess. Wer weiß, am Ende könnte man sich sogar dem Modell von &bdquo;Demokratie wagen!" nähern. Die Gütersloher Initiative reagierte bereits gestern auf die Vorstellung des Konzepts. Es lehnt in einer Mitteilung das &bdquo;Gütersloher Modell" als &bdquo;nicht durchdacht" ab und spricht von einer &bdquo;Lightversion, die geradezu mutlos ist. Mit dem Vorschlag wird geradezu ein roter Teppich für das Scheitern von Bürgerbeteiligung ausgerollt", heißt es in dem Schreiben. Vermisst wird in Morkes’ Konzept die &bdquo;Transparenz des Ablaufs", dieser sei nur skizzenhaft in seinem Prozessverlauf beschrieben worden. Transparenz heiße hier vor allem auch: Informationen verständlich, nachvollziehbar und glaubwürdig zu gestalten. Dazu gehörten auch der freie Zugang zu Informationen über Abläufe, Sachverhalte, Fakten, Daten, Vorhaben und Entscheidungsprozesse. Die fehlten aber. Initiative kritisiert schwammige Themenformulierung Zudem sei nicht klar, ob Handlungsempfehlungen erarbeitet oder nur &bdquo;Stimmungsbilder" eingefangen würden. &bdquo;Es fehlt an Verbindlichkeit für das Verfahren selbst sowie für den Umgang mit den Ergebnissen." Auch seien die Themenvorschläge schwammig. Skeptisch ist die Initiative auch, was den möglichen Ausbau des Bürgerrats angeht. &bdquo;Wer sollte die Manöverkritik leisten? Hier finden sich keinerlei Angaben dazu", wird moniert. Um Kosten geringer zu halten, schlägt &bdquo;Demokratie wagen!" vor, den Bürgerrat in den Rahmen von Smart City einzubinden, dort seien Millionen Euro an Zuschüssen vorhanden. Zudem müsse das Thema Nachhaltigkeit mit eingebunden werden. Das gelte auch für den Themenvorschlag der Initiative: &bdquo;Auf dem Weg zur Klimaneutralität”.

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