Kinderpornografie in Gütersloh auf der Spur - Blicke in menschliche Abgründe

Gütersloh. In der Hauptwache der Kreispolizeibehörde Gütersloh an der Herzebrocker Straße sitzt Kriminalhauptkommissarin Nicole Hagemann-Bockhorst. Die 39-Jährige durchforstet neben ihrer täglichen Arbeit als Ermittlerin in Sachen &bdquo;Kinderpornografie" natürlich auch Festplatten, Handys, Tablets und das Internet. Immer auf der Suche nach Bildern, deren Anblick weh tut. Es sind Blicke in menschliche Abgründe. Ein Team von Fahndern arbeitet in dem sensiblen Sachgebiet. Ihre Computer laufen auf Hochtouren. Sie kopieren, entschlüsseln und stellen gelöschte Dateien wieder her. Sie fahnden im &bdquo;Netz der Dunkelheit" nach bekannten Abbildungen und vor allem nach den Tätern. Im Interview erzählt uns die erfahrene Kriminalistin von ihrer schweren Arbeit. Wie kommt es dazu, dass der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zu ihrem Ermittlungsschwerpunkt geworden ist?Für mich ist das eine interessante und sinnvolle Tätigkeit und eine enorme Herausforderung. Ich habe mich dazu entschieden, Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, insbesondere Kinderpornografie, zu bearbeiten, weil ich dadurch Kindern helfen kann. Das ist mein Ansporn und der größte Lohn für meine Arbeit. Wenn man sieht, was Kindern zum Teil angetan wird, dann ist das ein gutes Gefühl, derartige Straftaten aufzuklären und den sexuellen Missbrauch dadurch zu beenden. Sie haben einen sehr belastenden Job. Wie kommen Sie psychisch damit klar?Ja, das stimmt. Aber ich komme damit klar und kann abschalten. Wir haben hier ein tolles Team und wir unterstützen uns gegenseitig. Ich tausche mich regelmäßig mit meinen Kollegen aus. Das schweißt zusammen. Außerdem sind wir alle geschult, um mit schwierigen Situationen umzugehen. Nur so schafft man es, loszulassen. Ich nehme die Bilder auch nicht mit nach Hause. Durch andere Beschäftigungen oder durch meine Familie und meine Hobbys kann ich abschalten. Das ist wichtig. Nach den schockierenden Fällen von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster hat das NRW-Innenministerium mehr Mittel und Personal zur Verfügung gestellt, um Kinderpornografie zu bekämpfen. Auch hier sind die Verstöße und Straftaten um fast 60 Prozent gestiegen. Wie sieht das im Einzelnen für den Kreis Gütersloh aus?Unser zentrales Kommissariat ist für den gesamten Kreis zuständig. Speziell in diesem Sachgebiet arbeiten mittlerweile acht Ermittler. Ein Großteil beschäftigt sich mit der Bekämpfung von Kinderpornografie. Das Personal ist also auch bei uns aufgestockt worden, um auf die Anforderungen zu reagieren. Lesen Sie auch: Deutlich mehr Sexual-Straftaten im Kreis Gütersloh Kommen Sie auch technisch mit, oder fehlt etwas, um schneller zuschlagen zu können?Unsere technische Ausstattung und unsere Möglichkeiten verändern sich stetig. Wir sind hier absolut handlungsfähig. Es gibt immer mehr unfassbare Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch. Der Ruf nach härteren Strafen wird immer lauter. Braucht es hier eine Reform?Die hat es parallel dazu gegeben. Eine Gesetzesreform ist auf dem Weg und steht vor der Umsetzung. Demnach sollen diese Straftaten zukünftig mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr geahndet werden. Das wird das Mindestmaß sein und das ist eine enorme Verschärfung der Gesetzeslage. Mehr Infografiken finden Sie bei StatistaMuss das Bewusstsein in der Gesellschaft für die Problematik Missbrauch und Kinderpornografie noch geschärft werden?Aufgrund der großen Missbrauchsfälle in der Vergangenheit ist die Gesellschaft aufgerüttelt und sensibilisiert worden. Die Menschen sind aufmerksam geworden und gehen mit dem Thema anders um als früher. Es soll wohl auch so eine Art Kinderpornoindustrie geben, eine Professionalisierung dieser Szene. Stimmt das?Die Möglichkeiten der Täter sind veränderungsbezogen auf die Technik. Dazu kommt aber auch, dass es nicht den einen Täter gibt. Kinderpornografie gibt es in allen Bevölkerungsschichten. Es gibt den Täter, der alleine in seinem Kämmerlein tätig ist, genauso wie den technisch versierten Täter, der mit anderen vernetzt agiert. Die Motivationen dieser Leute sind ebenso unterschiedlich. Es gibt die, die Kinderpornografie ausschließlich konsumieren. Es gibt aber auch die, die Bilder und Videos weiterverbreiten, bis hin zu denjenigen, die damit monetäre Ziele verfolgen. Sie sind sicherlich auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, oder?Natürlich. Wir gehen jedem Hinweis nach, der uns erreicht. Ganz gleich, ob uns dieser aus der Bevölkerung erreicht oder durch das NCMEC an die deutschen Behörden weitergeleitet wird. Was ist die NCMEC?Das heißt übersetzt &bdquo;National Centre for Missing and Exploited Children" und ist eine US-amerikanische Organisation, die Fälle von vermissten oder ausgebeuteten Kindern bearbeitet. Außerdem meldet NCMEC Verdachtsfälle von Kinderpornografie an das Bundeskriminalamt (BKA). Lädt ein deutscher Nutzer solche kinderpornografischen Schriften, deren Besitz strafbar ist, zu US-Internetdiensten hoch, geht eine Meldung an das NCMEC und von dort an das BKA. Das BKA leitet dann in Deutschland ein Ermittlungsverfahren ein. Fühlen sich Missbrauchstäter in den Weiten des Internets zu sicher?Die vermeintliche Anonymität gibt den Tätern eine nur scheinbare Sicherheit. Unsere Arbeit ist in den vergangenen Jahren sicherlich komplexer geworden. Die Technik bietet aber auch uns Möglichkeiten. Ihr Kriminaldirektor Björn Brocks hat kürzlich während der Veröffentlichung der Kriminalstatistik 2020 folgende wichtige Botschaft an die Täter verkündet: &bdquo;Wir kriegen sie. Wir kriegen sie sicher. Das ist keine Drohung, sondern ein Versprechen." Stimmen Sie dem zu?Ein klares Ja. Die Möglichkeiten dafür sind da. Wir haben eine hohe Aufklärungsquote. Sie drückt den Erfolg unserer Arbeit aus. Nach Missbrauchsfällen entsteht manchmal der Eindruck, dass man vor allem über die Täter spricht und wenig über die Betroffenen. Woher kommt das Ihrer Einschätzung nach?Dafür gibt es gute Gründe. Es geht um den Schutz der Opfer. Es gibt spezialisierte Institutionen, an die sich Opfer wenden können. Dort werden sie betreut, begleitet und bekommen die nötige Hilfe und Unterstützung. Opferschutz fängt aber auch schon zu Beginn der polizeilichen Ermittlungen an. Das Kommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz vermittelt bei Bedarf erste Kontakte zwischen Opfern und Beratungsstellen. Je diskreter und geschützter dies passieren kann, desto besser für die Geschädigten und umso größer die Chance, das Erlebte verarbeiten zu können. Wie kann man Kinder vor Missbrauch besser schützen?Aufklären, aufklären, aufklären. Das Internet ist so schnell. Und deshalb erkennen viele die Gefahren nicht. Nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen in ihrem Umfeld müssen dafür sensibilisiert werden, welche Gefahren das Internet mit sich bringt. Eltern, Erzieher oder Lehrer sollten immer in Kontakt mit den Kindern stehen. Kinder müssen einfach Bezugspersonen haben, denen sie sich bei Fragen und Problemen anvertrauen können.

Meistgelesen