Führt der "Tübinger Weg" Gütersloh wirklich aus der Corona-Krise heraus?

Gütersloh. Gütersloh will sich locker machen – unbedingt. Kaum hatte Ministpräsident Armin Laschet den Wettbewerb am Mittwoch eröffnet, ist Bürgermeister Norbert Morkes auf den Bewerbungszug aufgesprungen, damit auch seine Stadt vom Land als Modellkommune erkoren wird. Auch in Rheda-Wiedenbrück macht man sich darüber Gedanken. Die Gütersloher Bundestagsabgeordnete Elvan Korkmaz-Emre (SPD) findet sich mit der Jungen Union und dem FDP-Kreisverband in ihrer Forderung, den gesamten Kreis zur Modellregion auszurufen, in seltener Eintracht. Der Kreis folgt dieser Idee. Und schon herrscht ein Bewerbergedrängel wie vor dem Impfzentrum an der Marienfelder Straße. Das zeigt, wie stark der Druck auf allen politischen Ebenen ist, wegen der zu zögerlichen Impfstoffbestellung der EU &bdquo;irgendwas zu machen", wie es die Bundeskanzlerin in fassungslos machender Hilflosigkeit formuliert. Irgendwas zwischen Schutz und Öffnung. Als rettender Strohhalm klammern sich nun zahllose Kommunen und Kreise in fast verzweifelter Euphorie an den Strohhalm namens &bdquo;Tübinger Weg". Doch dieser könnte sich als brüchig erweisen. Testen ist jedoch nicht alles In der baden-württembergischen 91.000-Einwohner-Stadt sorgt die Notärztin Lisa Federer mit Unterstützung vom grünen Oberbürgermeister Boris Palmer schon seit Monaten erfolgreich dafür, dass die Risikogruppen geschützt sind. Nun verschafft das &bdquo;Tübinger Tagesticket", ein Nachweis per tagesaktuellem negativen Corona-Schnelltest, den Besuchern der Stadt Zutritt zu Geschäften, Restaurants, Theatern, Kinos und Sportstätten. Kurz: Zu allem, was Spaß macht. Denn endlich ein fast normales Leben führen – wer wollte es nach den Monaten dieses Dauer-Lockdowns nicht? Doch über die Verlockung wird eines vergessen: der Tübinger Weg gelingt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Und da meine ich nicht nur, dass Tübingen durch Eigeninitiative fast schon eine Tradition des Testens hat. Doch Testen ist nicht alles. Jetzt zu lockern, wäre ein zu hohes Risiko Möglich macht die Öffnungen in Tübingen vor allem erst ein durchgehend niedriger Inzidenzwert. Je höher der Inzidenzwert, umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit von falsch negativen Tests. Man kann also noch so viel testen: Wenn unentdeckte Spreader im Volk unterwegs sind, kann der Tübinger Weg gerade angesichts der zunehmenden Mutanten schnell ins Verderben führen. Was bedeutet das für Gütersloh? Im Moment ist man hier von der Möglichkeit von Massentests ganz weit entfernt. Selbst in den Schulen, wo Tests zumindest sporadisch möglich und wegen der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch die aggressiveren Mutanten dringend erforderlich sind, verweigern zu viele Eltern die Mitarbeit. Und zwar konsequenzlos. Anstatt die ungetesteten Kinder in den Distanzunterricht zu schicken, verbleiben sie weiter in den Klassenräumen und gefährden Mitschüler und Lehrer. Zudem liegt in Gütersloh die 7-Tage-Inzidenz bei über 100 – mit steiler Tendenz nach oben. Jetzt zu lockern, auch mit durchgehenden Massentests, wäre ein zu hohes Risiko. Wir haben es selbst in der Hand Dennoch sollte man sich auf eine Zeit niedriger Inzidenzwerte vorbereiten, denn es wird wärmer und die Impfungen schreiten langsam, aber unaufhörlich voran. Hygienekonzepte für die verschiedenen Einrichtungen sind schon erprobt und sollten um neue Instrumente – etwa die Luca-App – ergänzt werden. Noch sind wir nicht so weit. Aber wir haben es in der Hand. Die Beachtung der AHA-Regeln ist zurzeit wichtiger denn je. Und für Ostern gilt: Mit dem Allerwertesten daheim bleiben und Kontakte beschränken. Nur so hat die Corona-Passion bald ein Ende.

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