"Wir haben es satt": Aktivisten kündigen Demo vor Gütersloher Discountern an

Gütersloh. &bdquo;Wir haben es satt! Agrarindustrie abwählen." Mit Protestschildern werden Aktivisten von Fairleben am Samstag vor Gütersloher Supermärkte und Discounter treten und Verbraucher dazu auffordern, in der Fleisch- und Gemüseabteilung keine Billigprodukte zu kaufen. &bdquo;Wir haben es satt!" ist eine Bewegung von Landwirten, Umwelt-, Natur- und Tierschutzverbänden gegen die Agrarindustrie, industrielle Tierhaltung und für eine Agrarwende. Die große Demonstration findet seit 2011 jährlich im Januar anlässlich der Grünen Woche in Berlin statt – in diesem Jahr jedoch erstmals auch dezentral in zahlreichen Orten in Deutschland. &bdquo;Die Fehlentwicklung der EU-Agrarpolitik ist für die Menschen in Gütersloh besonders augenscheinlich", äußert sich Oliver Groteheide vom Verein Fairleben vorab zu der Aktion. &bdquo;Besonders das Konzept der kommerzialisierten Tierausbeutung entbehrt jeder Logik und der Tönnies-Skandal hat dies im letzten Jahr noch einmal auf den Punkt gebracht. Doch nicht nur das Leid der Tiere für den menschlichen Konsum und die Ausbeutung der Arbeitnehmer – auch die damit einhergehende Umwelt- und Klimazerstörung ist nicht mehr akzeptabel." Vor dem Marktkauf, vor Lidl und auch vor Aldi wollen sich die Mitglieder von Fairleben positionieren, um mit Verbrauchern ins Gespräch zu kommen. Auch heimische Landwirte kämpfen gegen Preisverfall Gegen den Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte vor allem beim Discounter Aldi kämpfen noch andere: die heimischen Landwirte. Sie würden sich gewiss nicht neben die Aktivisten von Fairleben stellen, und ihr Protest kommt etwas schwergewichtiger daher. Etwa 50 Landwirte haben am Tag vor Silvester mit rund 30 Traktoren die Zufahrt zum Aldi-Zentrallager in Schloß Holte-Stukenbrock blockiert. Am gleichen Lager hatten Traktoren schon Anfang November die Zufahrt blockiert, dann Anfang Dezember auch am Lidl-Lager in Paderborn. Bundesweit machen Landwirte mit solchen Aktionen ihrem Ärger Luft. Die Bauern fordern Preise, von denen sie leben können. Der Kilopreis für Schweinefleisch sei innerhalb eines Jahres von 2 Euro auf 1,27 Euro gesunken. Mindestens 30 bis 40 Euro müsse ein Bauer derzeit pro Schwein drauflegen. Ein ganzes Ferkel ist nur noch 27 Euro wert, ein Bullenkalb aus der Milchviehhaltung 10 Euro. Im März standen die Bauern schon mal vor dem Zentrallager. Gespräche mit Aldi-Verantwortlichen vor Ort hätten nichts gebracht, äußerten Landwirte im NW-Gespräch. Es sei im Dezember nur wieder mit Regressforderungen gedroht worden. Während frustrierte Landwirte aus Wut über niedrige Preise im Hinterland demonstrieren, verkündet Aldi durch die Eingangstür für alle sichtbar: &bdquo;Vegan iss lecker" und ruft zur Teilnahme am &bdquo;Veganuary" auf. Es wirkt wie Spott, dass der Discounter an der aus Großbritannien stammenden Bewegung teilnimmt, um möglichst viele Menschen für eine pflanzenbasierte Ernährung zu begeistern. Der Discounter gibt Ratschläge zum Umstieg weg von tierischer Ernährung. Aldi ruft auch intern zur Teilnahme auf und motiviert die eigenen Mitarbeiter dazu, die vegane Ernährung einen Monat lang zu testen. Es steht zu vermuten, dass auch Tönnies die Werbestrategie des Discounters genau beobachtet. Es schmerzt heimische Fleischerzeuger, wenn Aldi für Alternativen wirbt &bdquo;Wenn ein Verhandlungspartner wie Aldi die vegane Ernährung bewirbt und auch durch eigene Mitarbeiter vorantreibt, ist das zunächst einmal nicht zu beanstanden" sagt Kreislandwirt Heiner Kollmeyer. &bdquo;Aldi oder auch andere Abnehmer verpflichten sich ja nicht, ausschließlich Fleischprodukte abzunehmen. Trotzdem ist es natürlich schmerzhaft für die Produzenten von Fleisch, egal ob ökologisch oder konventionell erzeugt, wenn für Alternativen zu ihrem Produkt geworben wird." Die Tierhaltung und somit die Fleischerzeugung sei für viele landwirtschaftliche Betriebe von existenzieller Bedeutung, insbesondere auf den Ackerstandorten mit Sandboden, die über kein hohes Ertragspotenzial verfügen. &bdquo;Die Nerven sehr vieler Bauernfamilien liegen blank, weil die Preise, insbesondere für Milchprodukte und Fleisch, absolut ruinös sind und viele Erzeuger zur Aufgabe gezwungen werden", so Kollmeyer. &bdquo;Der Lebensmitteleinzelhandel nutzt seine Marktmacht brutal aus, macht bei Gesprächen mit Landwirten vor den Lagern Versprechungen und Zugeständnisse, und hält sich anschließend nicht daran. Beispiel: Kurz nach Gesprächen mit den Bauern senkt Aldi die Butterpreise um 40 Cent/kg, wie kürzlich gestehen, ein Schlag ins Gesicht der Landwirte. Oder man denke an die vielen Sonderangebote in entsprechenden Broschüren für Fleisch um die Jahreswende." Verständnis für die Situation der Bauern kommt von Oliver Groteheide von fairleben: &bdquo;Die Landwirte sind oft das schwächste Glied in der Kette. Studien zufolge würden viele aus dem System aussteigen, wenn sie könnten." Gemeinsame Protestbewegungen würden deshalb trotzdem nicht zustandekommen, denn die landwirtschaftliche Tierhaltung polarisiere. &bdquo;Den Konsens, den wir aber alle haben, ist, dass es weniger werden muss. Und die, die jetzt davon leben, benötigen eine Perspektive."

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