Nach umstrittenen Polizeieinsatz: Gibt es in Gütersloh Clan-Kriminalität?

Gütersloh. Raphael Tigges, CDU-Landtagsmitglied, hat den Begriff "Clan-Kriminaltität" in Zusammenhang mit einem Vorfall am Abend des 22. Dezember verwendet, bei dem die Polizei ein Treffen dreier Familien auf einem Supermarkt-Parkplatz in Avenwedde aufgelöst hatte. Etwa 20 zumeist junge Leute hatten nach eigener Aussage einen Streit beilegen wollen und dabei nicht nur massiv gegen die Coronaschutzverordnung verstoßen. Auch fand die Polizei bei der Durchsuchung eines Autos eine PTB-Waffe (Schreckschusspistole) und Pfefferspray. Zudem wurde ein &bdquo;Störer" der Maßnahme kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Laut Beteiligten sollen Polizisten an dem Abend einem 18-Jährigen den Arm gebrochen haben. Eine angekündigte Anzeige des Opfers steht laut Polizei noch aus. Wie kommt Raphael Tigges in diesem Fall auf Clan-Kriminalität? Wie kommt Raphael Tigges in diesem Fall auf Clan-Kriminalität? &bdquo;Nach der Schilderung in der NW habe ich mich sehr erinnert gefühlt daran, was Clankriminalität auszeichnet", so Tigges. Der Politiker bezieht sich dabei auf Charakterisierungen im &bdquo;Lagebild NRW 2019" zur Clankriminalität. &bdquo;Da werden Polizisten im täglichen Einsatz beleidigt und respektlos behandelt, und es wird durch aggressives Auftreten gegenüber der Polizei versucht, regionale Räume einzunehmen und für sich zu reklamieren." Er könne dies nicht mit Sicherheit in diesem Fall behaupten, &bdquo;aber das Verhaltensmuster ist sehr ähnlich". Auch wenn es schwer sei, die Lage genau einzuschätzen, so sei er – unabhängig von dem aktuellen Fall – überzeugt, &bdquo;dass Clankriminalität nicht nur ein Problem der Großstädte ist, sondern das Phänomen auch weit in den ländlichen Raum hineinreicht und weit verzweigt und vernetzt ist. Clankriminalität ist wie ein Krake." "Das ist sicherlich eine Sache, die man konsequent verfolgen muss" Dass die Polizei dabei nicht immer mit ihrer Arbeit von sich aus an die Öffentlichkeit gehe, wie jetzt im Avenwedder Fall, hänge vielleicht auch damit zusammen, dass man laufende Ermittlungen nicht gefährden wolle. &bdquo;Für mich persönlich hat das allerdings eine hohe Relevanz, wenn sich so große Gruppen in der Öffentlichkeit treffen, um eine Familienfehde – wenn es denn so gewesen sein sollte – auszutragen. Das ist sicherlich eine Sache, die man konsequent und in aller Härte verfolgen muss, da darf man sich nicht einschüchtern lassen." Tigges, der im Landtag Mitglied im Wissenschaftsausschuss, Haushalts- und Finanzausschuss und im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend ist, verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine Schießerei an einer Unterkunft in der Luise-Hensel-Straße im September. &bdquo;Das sind Sachen, wo ich mich frage: Was entwickelt sich da vor Ort? Deshalb ist es wichtig, da frühzeitig zu intervenieren." 111 Clans in NRW Daher hält er es auch für richtig, dass die schwarz-gelbe Landesregierung die Bekämpfung von Clan-Kriminalität in ihrem Koalitionsvertrag als eines der zentralen sicherheitspolitischen Ziele festgeschrieben hat. Innenminister Herbert Reul verfolgt eine &bdquo;Strategie der 1.000 Nadelstiche" und spricht bei der Bekämpfung von &bdquo;Null Toleranz" und &bdquo;maximalem Verfolgungsdruck". Der Lagebericht zur Clan-Kriminalität, im August 2020 vorgestellt, ist bundesweit der erste einer Landesregierung. Hier wurde festgestellt, dass es 111 Clans in NRW gibt. Insgesamt konnte das Landeskriminalamt (LKA) rund 6.100 Straftaten von circa 3.800 Tatverdächtigen mit Clanbezug identifizieren. Im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 12,7 Prozent bei den Straftaten und 13,4 Prozent bei den Tatverdächtigen. Für den Kreis Gütersloh nur bedingt aussagekräftig Für den Kreis Gütersloh ist der Bericht nur bedingt aussagekräftig. Denn dieser konzentriert sich vor allem auf die Clankriminalität mit türkisch-arabischem Hintergrund, und die wird vor allem im Ruhrgebiet verzeichnet. Clans/Familien mit anderem ethnischen Hintergrund fanden in dem Bericht keine Berücksichtigung. Auch die Kreispolizeibehörde führt keine eigene Statistik über Clankriminalität, wie Christoph Ingenohl, Leitender Polizeidirektor, auf NW-Anfrage mitteilt. Dieser Bereich wird in Bielefeld im Kommissariat &bdquo;Organisierte Kriminalität" bearbeitet. Einen Straftatbestand &bdquo;Clankriminalität" gebe es ohnehin nicht, so Ingenohl. &bdquo;Darunter werden alle Straftaten zusammengefasst, die durch eine so eingeordnete Familie begangen werden, das kann von der Körperverletzung bis Geiselnahme gehen", so der Polizeichef. &bdquo;Nach unseren Erkenntnissen hatte das Avenwedder Ereignis damit überhaupt nichts zu tun." "Das ist ein gesellschaftliches Problem" Und was respektloses, aggressives Verhalten angehe: &bdquo;Das ist ein gesellschaftliches Problem und keines von Clan-Kriminalität", sagt Christoph Ingenohl.&bdquo;Dem können wir nur mit konsequentem Einschreiten begegnen. Und das tun wir. Und wissen den Landrat dabei voll hinter uns." Zwar würde im Bericht des LKA gezeigt, dass Menschen im Kreis Gütersloh wohnen, die Namen tragen, die zum Bereich der Clankriminalität gezählt werden. &bdquo;Aber ob die Personen tatsächlich in irgendeiner Weise zur Kriminalität in diesem Bereich einzuordnen sind, ist mir nicht bekannt", sagt Ingenohl und verweist auf die Bielefelder Behörde, die solche Verfahren führe. &bdquo;Wir bearbeiten solche Fälle nicht." Mit welchen Ethnien hat man es in Gütersloh zu tun? Dass im Kreis Gütersloh &bdquo;Familien organisiert und bandenmäßig arbeiten, das ist uns schon lange bekannt, aber das ist nicht zwangsläufig Clankriminalität." Denn das ist Definitionssache. Der Begriff ist weder in der Öffentlichkeit noch in der Polizeiarbeit genau festgelegt. Für ihre Erhebung hat das LKA eine eigene Definition entwickelt: Demnach ist Clankriminalität &bdquo;Kriminalität ethnisch abgeschotteter Subkulturen". Und mit welchen Ethnien hat man es in diesem Bereich in Gütersloh zu tun? &bdquo;Das geht quer durch den Balkan, viele Namen sind auch aus dem osteuropäischen Bereich dabei, viele von denen haben auch deutsche Pässe", so Ingenohl. Unmöglich, eindeutige Zuordnungen zu treffen. "Es geht uns nicht darum, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren" Das macht die Polizeiarbeit nicht leicht, &bdquo;aber wir haben ja auch unsere Informationssysteme", so Ingenohl. Wenn beim Erfassen von Straftaten Hinweise auf organisiertes Verbrechen auftauchten, würden die Daten und Namen zur Überprüfung nach Bielefeld weitergeleitet. Dabei sei man objektiv und neutral: &bdquo;Wenn die Nationalität eines Verdächtigen nicht straftatbezogen ist, geben wir die auch nicht an. Es geht uns nicht darum, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren."

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