"Impfstoff wird im Kreis Gütersloh nicht weggeworfen"

Gütersloh. 3.700 Personen haben nach Angaben von Bernhard Riepe, Leiter des Gütersloher Impfzentrums bereits eine Corona-Schutzimpfung bekommen – am Freitag werden es vermutlich 4.000 sein. Zahlreiche Arztpraxen im Kreis stellen derzeit Teams, die Impfungen in Seniorenheimen und Pflegeeinrichtungen durchführen. Zu ihnen zählt auch Allgemeinmediziner Matthias Hentschel aus Gütersloh, der Ende Dezember in einer mehrtägigen Aktion am Wilhelm-Florin-Zentrum an der Berliner Straße 79 Bewohner und nach Heimangaben gut 80 Prozent der Mitarbeiter mit dem Impfstoff versorgt hat. Da aus den 34 Flaschen von Biontech und Pfizer aber mehr Dosen resultierten als vorgesehen, stellte sich die Frage: Was passiert mit den Resten, die gekühlt maximal fünf Tage haltbar sind? Für Personen mit höchster Impfpriorität nutzen &bdquo;Ich wollte nichts wegwerfen. Deshalb haben wir die übriggebliebenen Dosen an systemrelevante Personen verimpft – Honorarkräfte, Mitarbeiter von Praxen und Apotheken", erläutert Matthias Hentschel. Dabei habe er sich an die Vorgabe von Zentrumsleiterin Christina Bartelheimer-Pätzold (63) gehalten, die die weitere Verwendung &bdquo;mit dem Impfzentrum abgestimmt" hatte. Auch aus Sicht des NRW-Gesundheitsministeriums ist in diesem Fall alles korrekt gelaufen. &bdquo;Sofern kleinere Mengen an Impfstoff am Ende einer Impfaktion übrigbleiben, sind die mobilen Teams angehalten, diese niedrigschwellig für Personen mit höchster Impfpriorität zu verwenden", erklärt Carsten Duif, Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. Generelles Problem bei der Portionierung Dennoch besteht ein generelles Problem bei der Portionierung: Aus den Ampullen von Biotech und Pfizer lassen sich statt der nach EU-Richtlinien vorgesehenen fünf Impfdosen von jeweils 0,3 Milliliter eben sechs Dosen gewinnen, im Fall von Henschel also mehr als 200 statt der für das Heim eingeplanten 170 Impfdosen. Neben der &bdquo;Überfüllung" der Fläschchen sorgen auch andere Faktoren dafür, dass zum Termin häufig zu viele Impfstoffdosen vor Ort sind. Wie etwa im DRK-Pflegeheim Haus Ravensberg in Borgholzhausen, wo eine Vielzahl an Mitarbeitern und Bewohnern nicht geimpft werden wollte. Impfdosen einfach weggeschmissen? Gerüchte, wonach in einer anderen Einrichtung im Kreis Gütersloh am vergangenen Wochenende eine zweistellige Anzahl an übriggebliebenen Impfdosen schlichtweg entsorgt worden sein soll, ließen sich von offizieller Seite her nicht bestätigen. &bdquo;So ein Vorfall müsste dringend überprüft werden", sagt Heike Achtermann, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe. Ihr sei ein solcher Vorgang allerdings nicht bekannt. Vielmehr sei die Anzahl der bestellten und der tatsächlich verwendeten Impfdosen im Raum Westfalen-Lippe &bdquo;nahezu deckungsgleich". Käme es doch zu Restbeständen, gelte es aus Sicht von Heike Achtermann pragmatisch zu handeln und diese Personen der Prioritätengruppe I zu verimpfen. &bdquo;Alles andere wäre fahrlässig." Heime sagen Termine wegen Corona-Infektionen ab Auch aus diesem Grund hat man im Gütersloher Seniorenheim am Domhof gehandelt. &bdquo;Nach Rücksprache mit der Kassenärztlichen Vereinigung wurden Restdosen an andere anspruchsberechtigte Personen von außerhalb verimpft", sagt Pflegedienstleiterin Rebecca Cominato. Von den 116 Bewohnern sind 104 geimpft worden. &bdquo;Es wird nichts weggeworfen", betont Bernhard Riepe, Leiter des Gütersloher Impfzentrums. Es passiere vielmehr regelmäßig, dass Heime kurzfristig wegen aufgetretener Corona-Infektionen den Termin absagen, dass eine Zahl von Bewohnern wegen Erkrankungen nicht geimpft werden könne oder Mitarbeiter sowie Bewohner – wie in Borgholzhausen geschehen – nicht geimpft werden wollen oder dass sogar doppelt bestellt wurde. Allein für die Koordination sind fünf Mitarbeiter zuständig Für die Organisation und Durchführung der Impfungen in Alten- und Pflegeheimen ist die Kassenärztlichen Vereinigung zuständig. Sie hat bereits vor Heiligabend alle Pflegeheime informiert, dass sie zu frei wählbaren Lieferterminen ihre benötigten Impfdosen bei der KV bestellen können. Im Impfzentrum Gütersloh wird schließlich die Verteilung und der Transport der georderten Impfdosen organisiert. Allein für die Koordination sind in Gütersloh fünf Mitarbeiter zuständig. Das Impfzentrum liefert zum Termin die entsprechende Anzahl von Impfdosen an die Einrichtung. &bdquo;Im Normalfall wird der das Heim betreuende Arzt die Impfungen verabreichen. Nur wenn die Einrichtung signalisiert, dass dieser nicht verfügbar ist, organisiert das Impfzentrum auch einen Arzt", erläutert Riepe. Keine Eile geboten Nicht benötigte Dosen werden anschließend vom Impfzentrum abgeholt und an andere Einrichtungen weitervermittelt. &bdquo;Wir haben schon ein Glasfläschchen für fünf Impfungen, das in Steinhagen übrig war, quer durch den Kreis nach Rietberg gefahren", sagt Riepe. Dabei, so erläutert Kreissprecherin Beate Behlert, sei keine Eile geboten. Zwar muss der zur Zeit eingesetzte Corona-Impfstoff von Biontech bei minus 70 Grad Celsius gelagert und transportiert werden, vor der Injektion aber wird er aufgetaut und ist anschließend nach Angabe des Herstellers fünf Tage lang im Kühlschrank haltbar. Wenn also absehbar ist, dass eine bereits aufgetaute Menge an Impfstoff nicht mehr benötigt wird, setzt sich das Pflegeheim mit dem Impfzentrum in Verbindung, das die Weiterleitung dieser Charge koordiniert. 33 von 34 vollstationäre Heime geimpft &bdquo;Am liebsten ist uns natürlich, wenn die nicht benötigten Impfdosen vor Ort vom Arzt verimpft werden können", sagt Riepe. Das müsse der Arzt verantworten. Beispielsweise sei an Weihnachten in Versmold von Hausarzt Heinz-Josef Sökeland noch die Hospizgruppe mitgeimpft worden, weil Dosen übrig waren. &bdquo;Wenn das nicht möglich ist, holen wir sie mit unserem Fahrzeug in Temperatur-kontrollierten Behältern ab. Seit Beginn der Impfungen haben wir auf diesem Weg bereits mehr als 1.000 überschüssige Impfdosen weitergeleitet." Stand Donnerstagnachmittag seien im Kreis 33 von 34 vollstationäre Heime geimpft – das letzte folge wegen akuter Corona-Fälle in der kommenden Woche. Parallel dazu sei mit den kleineren Wohngruppen begonnen worden.

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