Kommentar: Robert Tönnies macht es Clemens vor und verschwindet durch die Hintertür

Kreis Gütersloh. Vor der Corona-Krise schlachtete die Firma Tönnies bis zu 25.000 Schweine täglich. Aktuell, mitten in der Pandemie, werden noch etwa 15.000 Tiere pro Tag verarbeitet. Kein anderes Unternehmen in Deutschland schlachtet so viele Schweine wie der hiesige Schlachtkonzern. Er ist unangefochtener Marktführer. Kopf des Unternehmens ist Fleischfabrikant Clemens Tönnies. Er teilt sich die Firma zur Hälfte mit seinem Neffen Robert. Beide Protagonisten, Clemens als Geschäftsführer sowie Robert als Beirat des Schlachtkonzerns, geben das ideale Feindbild ab. Zu markant und laut kommunizieren beide Familienmitglieder in der Öffentlichkeit. Eine öffentliche Familienfehde? Unprofessionell. Während Clemens aber, wie im Mai diesen Jahres geschehen, über "schwarze Schafe" der Branche spricht und sich erzürnt über mögliche Verbote von Werkverträgen zeigt, dann aber durch den massenhaften Coronaausbruch selbst zu einem der besagten schwarzen Schafe wird, tritt Robert gegensätzlich auf, fordert sogar die Abschaffung der Werkverträge. Aber auch interne Querelen öffentlich zu kommunizieren, gibt kein gutes Bild ab. Daran ändert auch nicht, dass Robert Tönnies inhaltlich Recht hat. Ein Marktführer mit öffentlich ausgetragener Familienfehde? Unprofessionell. Professionell aber, und da unterscheidet sich Robert Tönnies über den Inhalt seiner Aussagen hinsichtlich der gewünschten Unternehmensausrichtung hinaus von Onkel Clemens, sind die Konsequenzen, die der Konzernerbe aus dem Coronaausbruch im Familienbetrieb für sich zieht. Während Clemens Tönnies erst auf Drängen der Öffentlichkeit seinen Posten als Aufsichtsratvorsitzender beim Fußball-Bundesligisten Schalke 04 räumte, machte Robert Tönnies, wenn auch zeitlich gesehen ein wenig später, die gleiche Position beim Hofladen-Lieferdienst &bdquo;Wochemarkt24" proaktiv aus eigenen Stücken frei. Ein Tönnies bleibt eben ein Tönnies Dabei müsste er das nicht tun. Immerhin kommuniziert Robert Tönnies stets öffentlich, er würde in Sachen Unternehmensausrichtung des Schlachtkonzerns vieles anders machen als sein Onkel. Er sei schließlich nicht das Problem, vielmehr der nicht als Vorzeigegeschäftsführer geltende Clemens Tönnies. Als Beirat darf Robert nicht in das operative Geschäft bei Tönnies eingreifen. Nichtsdestotrotz hat der Neffe erkannt, dass die Öffentlichkeit nicht immer zwischen "gutem und bösem Cop" unterscheidet. Ein Tönnies bleibt eben ein Tönnies. Bevor das Online-Unternehmen "Wochenmarkt24" durch das erheblich angeknackste Image des Familiennamens Schaden erleidet, nimmt sich der 41-Jährige selbst zurück und überlässt alles Weitere seinen Nachfolgern. Das ist vorbildlich. Robert Tönnies nimmt "Wochenmarkt24" aus der Schusslinie Clemens Tönnies hat das bei Schalke 04 nicht geschafft. Erst kürzlich war der ehemalige Aufsichtsratvorsitzende des Bundesligisten bei einem Fußballspiel auf der Tribüne zu sehen und machte damit seinen Verein erneut zur Zielscheibe der Öffentlichkeit. Zuschauer waren bei der Begegnung nicht zugelassen, lediglich die Vereinsspitzen beider Clubs durften im Stadion zuschauen. Streng genommen gehörte Clemens Tönnies zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr dazu. Ein Fauxpas. Und auch, wenn das Resultat das selbe ist und sowohl Robert als auch Clemens kein öffentliches Amt bei ihren Herzensangelegenheiten Schalke 04 und "Wochenmarkt24" mehr ausüben, so macht es der Neffe doch seinem Onkel vor und nimmt sein Projekt - für das er Ideen- und Geldgeber war - aus der Schusslinie. Ohne ein einziges öffentliches Statement ist Robert Tönnies aus der Hintertür verschwunden.

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