Sticheln vor der Stichwahl: Schulz und Morkes liefern sich Schlagabtausch

Fangen wir harmonisch an. Herr Morkes, nennen Sie uns bitte eine positive Eigenschaft von Herrn Schulz.NORBERT MORKES: Herr Schulz hat viele Sachen angepackt, die vorher liegengeblieben waren, zum Beispiel hat er sich in die Digitalisierung gestürzt. Als er noch kein Bürgermeister und parteipolitisch unabhängig war, hat er es verstanden, die Interessen zusammenzuführen, das war klasse. Diese Eigenschaft vermisse ich, seit er Bürgermeister ist. Im Übrigen kann er manchmal ein netter Kerl sein. Herr Schulz, können Sie kontern?HENNING SCHULZ: Ich finde, dass Herr Morkes die demokratische Vielfalt in Gütersloh bereichert. Er macht das mit hohem Engagement, das schätze ich an ihm. Helga Lange von den Grünen hat gesagt, sie habe nicht als Landrätin kandidiert, weil sie sich mit ihren 70 Jahren den Wählern nicht mehr zumuten wolle. Sie, Herr Morkes, sind 69.MORKES: Die Frage ist nicht, welches Alter auf dem Papier steht, sondern die Frage, wie fit bist du, wie jung bist du im Kopf, und bist du bereit für den Job? Phil Collins geht nächstes Jahr auf Welcome-Tournee, Mick Jagger steht auch noch auf der Bühne, und wie alt war erst Konrad Adenauer? Ich fühle mich nicht zu alt, um in dieser Stadt Veränderungen herbeizuführen. In der Kommunalpolitik haben Sie sich mal lange Auszeiten gegönnt, über Monate waren Sie von der Bildfläche verschwunden. Das können Sie sich als Bürgermeister nicht erlauben.MORKES: Ja, das war 2012/2013. Das war, als meine Frau Susanne gestorben ist, das wird jeder verstehen. Ich habe damals intensiv darüber nachgedacht, ob ich überhaupt weitermache mit der Politik. Es war der Wunsch von Susanne in ihrem Abschiedsbrief, dass ich weitermache, deswegen sitze ich jetzt hier.SCHULZ: Aber es hat noch eine weitere Pause gegeben, 2018 war es, glaube ich, da sind Sie noch mal abgetaucht für ein halbes Jahr.MORKES: Das ist so nicht richtig, es war nicht so lange, und ich war nicht abgetaucht, sondern krankheitsbedingt weniger aktiv als sonst. In den Ausschüssen und im Hintergrund war ich weiter dabei. Herr Morkes, Sie sind seit Jahrzehnten Solo-Selbständiger. Haben Sie keine Angst, eine Verwaltung mit 1.600 Beschäftigen zu führen?MORKES: Wir haben eine Verwaltung mit fähigen Köpfen. Maria Unger kam damals auch von der Deutschen Bahn und wusste nicht, wie es geht, am Ende stand sie 20 Jahre an der Spitze. Wie gesagt, es sind viele kreative Leute dort, mit denen ich die Zukunft unserer Stadt gestalten möchte. Einer meiner Leitsätze ist Miteinander statt gegeneinander, das wird auch in der Verwaltung funktionieren. Herr Schulz, 36 Prozent haben Sie in der ersten Runde bekommen, bei der Wahl vor fünf Jahren waren es 45. Heiner Kollmeyer, sagt, die CDU hätte sich ein besseres Ergebnis vorstellen können. Hat er recht, oder?SCHULZ: Ich habe vor der Wahl gesagt, dass es schwieriger wird. Die Grünen waren letztes Mal nicht angetreten und auch nicht die Linken mit Herrn Reese. Letztes Mal waren zwar zwei unabhängige Kandidaten dabei, aber eben nicht mit einem solchen Prozent-Potenzial wie diese beiden Partei-Kandidaten. Als ich das alles aufaddierte, war für mich klar, du landest irgendwo bei 35 plus X. Klar hätte ich gerne eine 4 vorne gehabt, aber die Grünen waren einfach sehr stark. Außerdem: Vor fünf Jahren hatten wir Wechselstimmung. Maria zu Henning, Frau zu Mann, SPD zu CDU. Ende einer alten Ära, Beginn einer vielleicht neuen. Auch so etwas spiegelt sich im Ergebnis wider. »Ich habe oft den Druck gespürt, einer Amtsrolle entsprechen zu müssen. Das ist aber vorbei« Maria Unger war es aber gelungen, irgendwann für sich als Bürgermeisterin zu stehen. Losgelöst von ihrer Partei, mit einem sehr souveränen, eigenen Ergebnis, qua Person. Man sagt Ihnen nach, dass Sie weniger herzlich sind, weniger umarmend.SCHULZ: Jeder, der auf Maria gefolgt wäre, hätte es in dieser Hinsicht schwer gehabt. Sie war jemand, die mit ihrem Herzen alle umarmt hat, mit einer ungeheuren menschlichen Qualität. Aber da ist noch ein anderer Punkt: Ihr Handeln war stark auf das Außen ausgerichtet, meines nicht. Was meinen Sie damit?SCHULZ: Ungefähr zwei Drittel meiner täglichen Arbeit ist für die Öffentlichkeit nicht sichtbar. Ich habe viele Themen und Strukturen in der Verwaltung vorgefunden, bei denen es mir wichtig war, Aufmerksamkeit und Zeit zu investieren, um sie zukunftsfähig in Fahrt zu bringen. Es stimmt, ich nehme es wahr, dass die Bürger mir sagen, Maria Unger war immer da und ich nur jedes zweite Jahr. Aber parallel war ich wahrscheinlich bei einer anderen Veranstaltung, bei der ich im Vorjahr nicht war. Ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Viele Menschen realisieren nicht, dass es den Stadtdirektor nicht mehr gibt. Ich sitze in vielen Gremien und Aufsichtsräten, das ist für Außen nicht sichtbar, aber es ist wichtig, dort die Weichen pro Gütersloh zu stellen. Und: Ich bin Familienvater und möchte auch mal zuhause bei meiner Frau und meinen Söhnen sein. Manchmal hört man, dass Ihr Redeanteil zu hoch sei, dass die Fähigkeit, still zu sein und den Menschen zuzuhören, zu wenig ausgeprägt sei.SCHULZ: Ich habe mich bislang auch im Alltag ständig dem Druck ausgesetzt gefühlt, einer Amtsrolle zu entsprechen. Das erzeugt ungeheuren Stress, den ich mir letztlich aber selbst gemacht habe. Aber alle, die mich kennen, wissen ganz sicher, dass es da auch einen Henning gibt. In dem Moment, wo ich einfach nur ’Henning’ sein konnte, war der Job plötzlich leicht, kreativ, beschwingt, da ist es mir leichter gefallen, auf die Menschen zuzugehen. Und es ist ja auch so: Meine Vorgängerin konnte in der Sache oft nicht sprechen, im Baurecht, in all diesen Themen. Ich dagegen bin jemand, der auf vielen Gebieten zuhause und insofern in der Lage ist, darauf einzugehen. Wenn man tief im Thema ist, kann man nicht gut zuhören, meinen Sie das?SCHULZ: Die Herausforderung ist, dass ich lernen muss, mich erst mal zurückzuhalten, obwohl ich direkt etwas dazu zu sagen wüsste. Für die nächste Amtszeit habe ich mir zwei Dinge vorgenommen. Erstens: Einfach nur ’Henning’ sein, einfach zuhören. Zweitens: Meine Kraft der Führung wirklich auf die wesentlichen Felder konzentrieren. Das ermöglicht mir, mehr bei den Menschen, den Unternehmen, den Vereinen zu sein und gerne auch öfter mitzufeiern. Wenn Sie schalten und walten dürften, wie Sie möchten, welche Projekte würden Sie als erstes angehen?SCHULZ: Für mich ist das Thema Mobilität ein ganz großes. Fahrrad first. Ich würde sagen, lass uns bestimmte Sachen testen. Konkreter bitte.SCHULZ: Wir haben zum Beispiel durch die Baustelle gesehen, dass der Verkehr auf der Friedrich-Ebert-Straße vernünftig fließt, auch wenn er nur zwei Spuren Platz hat. Also: Lass uns da mal drei Monate einen Pop-up-Radweg machen und gucken, ob das funktioniert. Oder man stelle sich vor, dass Autofahrer die Berliner Straße ab der Avia-Tankstelle nur noch stadteinwärts und die Kaiserstraße nur noch stadtauswärts befahren könnten, schon hätten wir den Platz, um Radstreifen in beide Richtungen zu führen. Da muss man keinen Asphalt aufreißen und keinen Baum fällen. Noch was?SCHULZ: Ja, Projekte im Klimaschutz. Mehr Photovoltaik. Eine S-Bahn zwischen Herford-Bielefeld-Gütersloh im Zehn-Minuten-Takt. Ich würde 1.000 Bäume pflanzen, aus Straßen wieder Alleen werden lassen. Ich würde dafür sorgen, dass mehr Studierende nach Gütersloh kommen. Ich würde den Alltag so gestalten, dass jeder, der nach Gütersloh kommt, von einem unerwarteten Ereignis überrascht wird: der Pianospieler, der am Wasserband steht. Wenn Gütersloh für das steht, womit man nicht gerechnet hat, dann wird es viele Menschen geben, die hier gerne wohnen, leben, einkaufen und arbeiten wollen. Herr Morkes, und wenn Sie König von Gütersloh wären?MORKES: Ich würde als erstes einen Bürgerrat einrichten. Um zu wissen, was der Bürger denkt. Ich würde den Gremien wie Seniorenbeirat,Stadtschulpflegschaft, Jugendparlament, tragende Säulen unserer Gesellschaft, mehr Mitbestimmung einräumen. Unsere Bürger haben Ideen, tragen diese auch an die Politiker heran, aber dann verschwindet das leider oft in der Schublade. Was noch?MORKES: Die verstärkte Nutzung von regenerativen Energien, Energiesparmaßnahmen und Minderung des CO2-Ausstoßes müssen Daueraufgabe werden. Wir müssen Bauflächen besser nutzen, das ist Neuplanungen und großen neuen Siedlungen vorzuziehen. Das Fällen von Bäumen zugunsten neuer Bauten darf so nicht weitergeführt werden.SCHULZ: Herr Morkes, was heißt denn das, was Sie da vorschlagen? Streiten Sie der repräsentativen Demokratie ihre Legitimation ab? Sie haben mal gesagt, dass Sie, wenn Sie Bürgermeister sind, alles, was ohne Zustimmung der Politik im vollen Umfang umsetzbar ist, umsetzen wollen. Wie soll das gehen?MORKES: Ihnen und der Politik geht es um Macht. Mir geht es um die Sorgen der Bürger. Die Bürger haben der Politik die Entscheidung übertragen, aber wie viele haben denn tatsächlich gewählt? Nur 47 Prozent. Nicht einmal die Hälfe ist zur Wahlurne gegangen. Die Politik vergisst manchmal einen Tag nach der Wahl, wer sie gewählt hat. Sie gehen an die Haustür, geben ihren Zettel ab und sind eine Minute später wieder verschwunden.SCHULZ: Stimmt nicht.MORKES: Meinetwegen auch drei Minuten. Es ist doch so: Sprechen Sie mal mit normalsterblichen Bürgern auf der Straße. Die fühlen sich nicht mitgenommen. Da ist Frust. Sie haben vorhin gesagt, Sie mussten erst intern im Rathaus die Strukturen ändern, und konnten deswegen nicht zu den Bürgern. Aber das ist doch Ihre Aufgabe! Wenn wir die Bürger stärker beteiligen und einbinden, verhindern wir Politikverdrossenheit und bekommen viele gute Vorschläge.SCHULZ: Ich kann verstehen, dass sich Bürger von der höheren Politik distanziert fühlen, aber wir sind doch Lokalpolitiker, anfassbar, ansprechbar. Bei Ihnen, Herr Morkes, nehme ich wahr, dass Sie den Bürgern einfach sagen, ja komm, ich mach dir das.MORKES: Nein, so sage ich das ganz bestimmt nicht.SCHULZ: Jedenfalls müssen wir die Gruppeninteressen immer ins Große und Ganze einordnen, das ist Aufgabe der Politik. Die Eltern wollen das Beste für ihre Schüler, die Vereine wollen das Beste für ihre Sportler, aber wir müssen doch diese Interessen in Abwägung bringen, und dann ist das Ergebnis oft ein Kompromiss. Wenn man den Menschen nicht vermittelt, dass dieser Kompromiss das Fairste für alle ist, werden sie unzufrieden mit der Politik. Wenn Sie den Leuten sagen, ich mach dir das, produzieren Sie doch erst recht Unzufriedenheit.MORKES: Ich weiß gar nicht, woher Sie diese Behauptung nehmen. So etwas verspreche ich nicht. Fahren Sie doch mal hin zu diesen Menschen! Dann würden Sie mal hören, was da draußen auf der Straße passiert. Wenn ich angesprochen werde von einem Bürger auf ein Problem, dann sage ich dem: Ich nehme das mit und kümmere mich darum. Mehr nicht. Davon sind Sie leider weit entfernt. Sie und Ihre Parteikollegen machen dagegen viele Versprechungen und haben es nach der Wahl schnell wieder vergessen. Ist es nicht auch ein Zeitproblem, das Ohr am Bürger zu haben? Da haben Sie, Herr Morkes, die bessere Ausgangslage.MORKES: Das habe ich Herrn Schulz vorhin ja zugestanden. Er kann vielleicht nicht so viel draußen sein wie ich oder früher Maria Unger. Genau deswegen wäre ein Bürgerrat, der drei-, viermal im Jahr tagt, so wichtig. Wie oft höre ich, dass Bürger um ein Gespräch mit Herr Schulz bitten und keinen Termin bekommen!SCHULZ: Absolut nicht richtig, Herr Morkes. Vielleicht kriegt ein Bürger einen Termin nicht in einer Stunde, sondern erst in vier Wochen. Aber er kriegt einen. Im Übrigen gibt es diese Tendenz in der Gesellschaft: Ich rufe gleich ganz oben an. Ich bin immer bereit, mich mit jedem kleinen oder großen Anliegen auseinanderzusetzen, aber damit das in der Sache produktiv ist, müssen sich zuvor unsere Fachabteilungen oder Geschäftsbereiche inhaltlich damit beschäftigt haben. Wie oft bin ich mit dem Stadtrad unterwegs, in Spexard oder auf dem Wochenmarkt! Wie oft gehe ich durch die Stadt, mittags, am Wochenende! Ich bin ansprechbar. Von dem Moment an, in dem ich vor meine Haustür trete. Aber, Herr Morkes, Herr Schulz hat recht, wenn er sagt, Sie werden als Interessenvertreter der Bürger wahrgenommen. Das ist Ihr Markenkern. Oft allerdings widersprechen sich diese Bürger untereinander. Was tun Sie dann als Bürgermeister?MORKES: Ein Bürgerrat heißt ja nicht, dass er direkt mitbestimmt. Das wäre ein Missverständnis. Aber ich habe ein Gremium, in dem ich aufnehmen kann, wo drückt unsere Bürger der Schuh? Kommen wir zum Beispiel, weil Herr Schulz das vorhin angeführt hat, auf das Thema Verkehr zu sprechen. Da haben wir verschiedene Interessengruppen: Autolobby, Radlobby, Fußgänger. Es geht um ein ausgewogenes und faires Miteinander. Wenn die Grünen eine Fahrradzone wollen, müssen wir die anderen Interessenvertreter dazu holen und überlegen, wie können wir dieses Problem gemeinsam lösen?SCHULZ: Ihre Floskeln wie Zusammenführen statt bevormunden klingen ja toll, aber die Wahrheit ist, das machen wir ja längst. Beim Mansergh-Quartier haben wir viele Gruppen zusammengeführt, das war geradezu modellhaft. Mit Ihren Sprüchen streiten sie das aber ab und bringen eine völlig falsche Polarität hinein. Sie suggerieren den Bürgern, dass die Politik nur bevormundet und prägen damit ein Bild, das nicht der Realität entspricht. Denken Sie an den digitalen Aufbruch: Wir haben 20 Veranstaltungen oder mehr gehabt. Da sind viele engagierte Menschen gekommen und beteiligen sich weiter daran. Sie aber negieren das einfach.MORKES: Das sind weder Floskeln noch Sprüche. Es ist meine Überzeugung, die Menschen in unserer Stadt in allen Bereichen mitzunehmen und nicht nur, wie Sie, ein Lieblingsthema zur Chefsache zu erklären. Anderes Thema: Die Stadt hat 2.600 Wohnungssuchende. Was tun?MORKES: Es ist unglaublich, dass wir an der Parsevalstraße 55 intakte Wohnungen zugunsten von Gewerbeflächen abreißen. Das Thema Wohnungsoffensive haben wir von der BfGT immer wieder angestoßen. Es tut sich ja auch was. Mittlerweile entstehen jedes Jahr 500 bis 600 Wohneinheiten. Wenn wir den Bedarf decken wollen, sind anstatt Ein- oder Zweifamilienhäuser größere Einheiten zu errichten.SCHULZ: Es tut sich in der Tat was. Wir haben das kommunale Baulandmanagement umgestellt. Die Gründung der Stadtentwicklungsgesellschaft ist ein weiteres wichtiges Steuerungsinstrument. Wir wollen, dass auf dem Mansergh-Quartier viertausend Menschen wohnen, und zur Parvesalsiedlung, Herr Morkes: Die BImA hatte sündhaft hohe Preisvorstellungen, das hätte sich in enorm hohen Mieten oder in einer ständigen Subventionierung durch die Stadt niedergeschlagen. Außerdem ist in solchen Außenbereichsinseln keine zukunftsfähige Stadtentwicklung möglich.MORKES: Sie haben gerade die Stadtentwicklungsgesellschaft angesprochen. Sie erinnern sich, dass die CDU sich anfangs und lange dagegen ausgesprochen hat.SCHULZ: Das ist vollkommen falsch.MORKES: Den Antrag haben die Grünen, die SPD, die BfGT und die Linken eingereicht, nicht die CDU. Erst zum Schluss haben Sie und die CDU eingelenkt. Aber die Initiative ging von uns aus.SCHULZ: Herr Morkes, die Initiative gab es schon in der Verwaltung, da hat die BfGT nicht mal darüber nachgedacht. Sie wissen, da gab es das Gespräch mit allen Fraktionen im Holiday Inn. Da sind einige Fraktionen rausmarschiert, auch Ihre, um ihr eigenes Ding durchzuziehen. Die CDU wollte diese Gesellschaft ebenfalls, aber jetzt bestreiten Sie das und inszenieren wieder Ihr politisches Schauspiel. Nehmen Sie doch endlich mal diese Polarität raus!MORKES: Ich glaube, Sie werden langsam nervös, und versuchen mit ihren Unterstellungen eine gute Idee in ein anderes Licht zu stellen, um doch noch auf den Zug aufzuspringen. Das ist kein politisches Schauspiel, wenn Grüne, SPD, BfGT und die Linke gegen die Meinung der CDU diesen Antrag einbringen.SCHULZ: Die CDU wurde doch gar nicht einbezogen! Herr Morkes, Konflikte könnte es auch im Stadtrat geben. Wenn Sie Bürgermeister werden, müssten Sie vermutlich gegen eine schwarz-grüne Mehrheit agieren. Wie stellen Sie sich das vor?MORKES: Deswegen sage ich doch: Zusammenführen!" Wo sind die Schnittmengen? Wir haben doch alle das Ziel, gemeinsam etwas für die Stadt zu erreichen. Hat Sie das enttäuscht, dass die SPD keine Wahlempfehlung pro Morkes ausspricht?MORKES: Nein, nicht die Parteien gehen wählen, sondern der Bürger. Wir haben eine neue Partei im Stadtrat, die AfD. Wie, Herr Morkes, gehen Sie damit um?MORKES: Die AfD ist demokratisch gewählt, das werden wir akzeptieren müssen. Wir werden versuchen, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und argumentativ ins Abseits drängen.SCHULZ: Jeder muss sich an demokratische Spielregeln halten, ohne Wenn und Aber. Die Erwartungshaltung habe ich an alle. »Als Bürgermeister gehe ich rein ins Theater, das habe ich immer gesagt. Sonst nicht, nein.« Herr Morkes, was wird aus der BfGT, wenn Sie Bürgermeister werden? Ihr Verein wird oft als One-Man-Show wahrgenommen. Andere Figuren werden dagegen kaum registriert. Drängen Sie sich zu sehr in den Vordergrund?MORKES: Das sehen Sie falsch. Die BfGT hat zur Zeit 127 Mitglieder, die natürlich nicht alle aktiv sind, aber die Zahl insgesamt steigt. Ob ich mich zu sehr in den Vordergrund dränge? Wer in unsere BfGT-Medien guckt, wird feststellen, dass da nicht etwa mein Kopf zu sehen ist, sondern Themenfotos. Wir haben viele bekannte Leute in unseren Reihen, Sylvia Mörs, Chris Ziegele, Klaus Sperling oder einen Jürgen Behnke, den kennt die halbe Stadt. Wir haben auch junge Menschen wie Sarah Alawuru, die jetzt mit 18 Jahren das jüngste Ratsmitglied wird.SCHULZ: Aber Herr Morkes, Sie müssen registriert haben, dass die BfGT nur halb so viele Stimmen bekommen hat wie Sie. Und auf den Plakaten waren immer nur Sie abgebildet.MORKES: Auch das stimmt nicht. Es gab genauso BfGT-Plakate mit dem Wasserturm als Wahrzeichen unserer Stadt. Vielleicht waren Sie zu wenig an unseren Ständen, da waren auch andere BfGT-ler. Zum Wahlergebnis: Wir haben zwei Prozent zugelegt und einen weiteren Sitz dazu gewonnen. Sie selbst, Herr Schulz, haben voller Stolz gesagt, dass auch Sie mehr Stimmen bekommen haben als Ihre Partei. Herr Morkes, gehen Sie wenigstens ins Theater, wenn Sie Bürgermeister sind? Ober bleibt es bei Ihrem Trotz bis ans Lebensende?MORKES: Wenn ich Bürgermeister bin, gehe ich rein, das habe ich immer gesagt. Sonst nicht, nein. Das eine ist der Privatmensch, das andere der Bürgermeister. Herr Schulz, wie finden Sie es, dass sich Ihr Konkurrent beim Theater derart verweigert?SCHULZ: In einer Demokratie gehört dazu, dass man, wenn Beschlüsse mehrheitlich getroffen werden, irgendwann auch seinen Frieden damit macht. Und dass man an Themen mitwirkt. Das nehme ich bei Herrn Morkes leider nicht so wahr.MORKES: Dann kriegen Sie die Debatten im Kulturausschuss wohl nicht richtig mit. Es war Ihre Fraktion, die CDU, die vor ein paar Jahren bei den Sparmaßnahmen für den Gesamthaushalt eine Million Euro bei der Kultur gekürzt hat. Wir, die BfGT, hatten uns dagegen ausgesprochen, weil wir der Ansicht waren, dass das Theater, wo es schon mal da ist, nun mit Leben zu füllen sei. Ein Thema fällt in jedem Fall in die nächste Amtszeit, das ist die Ärzteversorgung. Was kann die Stadt da tun?MORKES: Die Verwaltung arbeitet daran, dass ein Hausarzt nach Spexard, nach Avenwedde kommt. Alle Fraktionen sind bemüht, das Thema zu lösen. Welche Voraussetzungen sind dafür zu schaffen?MORKES: Wir müssen es den Interessenten erleichtern, den Einstieg finanziell zu stemmen. Einen finanziellen Anreiz zu schaffen, da hätte ich kein Problem mit. Ein medizinisches Versorgungszentrum, wie es die SPD vorschlägt, ist nicht angebracht. Wir brauchen die dezentrale, örtliche Versorgung.SCHULZ: Es gibt zwei grundsätzliche Veränderungen: Die Medizin wird weiblich, und sie wird Teilzeit. Es geht also darum, andere Modelle der Niederlassung hinzukriegen. In Avenwedde sind wir derzeit auf sehr gutem Wege. Wir haben die passenden Leute gefunden. Da geht es nur darum, bau- und planungsrechtlich alles abzusichern. In Blankenhagen ist uns im künftigen Bürgerhaus ebenfalls ein Einstieg mit der Pflegeberatung gelungen. Man muss sehen: Wir konkurrieren mit anderen, großen Städten. Es geht also auch um gute Schulen, gute Kitas, Freizeit, urbane Kultur. Auch das sind Standortfaktoren, die Gütersloh für Mediziner interessant machen. All das müssen wir ausspielen. Stichwort Wirtschaft. Wie können wir es verhindern, dass Firmen wegziehen, etwa nach Verl oder Amsterdam? Wie machen wir Gütersloh attraktiv für die Gründerszene?MORKES: Anders als Herr Schulz uns gelegentlich unterstellt, haben wir nichts gegen neue Gewerbeflächen. Es geht aber auch darum, junge Firmen anzulocken. Haben wir Flächen, die wir Jungunternehmern anbieten können? Bieten wir das passende Umfeld für Start-Ups? Dafür müssen wir auch bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen. Das geplante Innovationszentrum wäre ein guter Schritt.SCHULZ: Ich bin schon glücklich, dass es uns am Hüttenbrink gelungen ist, Firmen unterzubringen, und das wird auch nördlich der Marienfelder Straße der Fall sein. Herr Morkes, Ihre Fraktion hat immer dagegen gestimmt, hat sogar ganze Haushaltspläne wegen dem Hüttenbrink abgelehnt. Es stimmt also nicht, was Sie sagen. Wir sind jetzt in einem Flow, Hüttenbrink, Marienfelder Straße, das entwickelt sich, wir können den Firmen bald wieder gute Angebote machen. Aber es geht nicht nur um Flächen. Es geht darum, attraktiv für Fachkräfte und Familien zu sein, ähnliches Thema wie bei den Ärzten. Gütersloh ist prädestiniert für eine Start-up-Szene. Wir haben große tolle Unternehmen, wenn wir darum herum einige schnelle, kleine Firmen gruppieren könnten, wäre das perfekt. Von Miele gibt es zum Beispiel eine Ausgründung, appWash, die findet sich jetzt auf dem Gelände von Gleis 13. Wir haben freundlich angefangen, jetzt enden wir konfrontativ. Warum, Herr Schulz, sollte Norbert Morkes nicht Bürgermeister werden?SCHULZ: Was von einem Bürgermeister verlangt wird, ist im Spektrum enorm. Da geht es auch darum, in Düsseldorf oder Berlin anzudocken, in Aufsichtsräten die Geschicke der Stadt zu steuern und Chef einer großen Verwaltung zu sein. Das muss man können. Ich decke all diese Anforderungen ab und bin deshalb der Richtige für den Job. Jetzt haben Sie nichts über Herrn Morkes gesagt.SCHULZ: Herr Morkes ist ein Typ, der ist an jeder Ecke bekannt, er kennt die Ratsarbeit. Insofern deckt er diese Facette des Berufes sicherlich ab, aber auf allen anderen Gebieten fehlt ihm die Erfahrung, und deshalb halt ich ihn für weniger geeignet.MORKES: Es stimmt, mir fehlt zwar die Verwaltungserfahrung, doch über 20 Jahre Ratsarbeit im Gegensatz zu Herrn Schulz bilden eine gute Basis. Vor allem gibt es eine Verwaltung, auf deren langjährige Erfahrung und Kompetenz ich gerne zurückgreifen werde. Auf jeden Fall würde ich einen anderen Stil im Umgang mit den Mitarbeitern wählen. Es kann nicht sein, dass ein Bürgermeister einer Mitarbeiterin öffentlich Schuld zuweist. Als oberster Dienstherr ist meine Pflicht und Aufgabe, mich vor die Mitarbeiter zu stellen. Außerdem, Herr Schulz, fehlt Ihnen der direkte Draht zur Bürgerschaft, dabei bleibe ich.

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