Wie Gütersloh seine Innenstadt nach der Karstadt-Schließung neu beleben könnte

Gütersloh. Der Schrecken war groß, als es hieß: Karstadt schließt seine Gütersloher Filiale. Viele befürchten nun jahrelangen Leerstand mitten in der City und eine Verödung der Innenstadt. Hört man Alexis Angelis zu, ist das am 31. Januar 2021 schließende Kaufhaus indes ein kaum zu überschätzender Standortvorteil, der wieder mehr Leben in die Stadt bringen wird. In seiner Heimatstadt Oldenburg hat der Projektentwickler und Architekt (Angelis & Partner) zusammen mit seinem Entwicklungsbüro Neufundland ein leer stehendes Hertie-Kaufhaus neu gedacht. Es soll zum Kern innovativen Denkens und Handelns werden. Deshalb trägt der Komplex, der im Frühjahr 2021 öffnet, den Namen &bdquo;Core". Ausgangspunkt des Ganzen war nicht der Gedanke, das City Center Oldenburg (CCO), das früher Sitz einer Hertie-Filiale war, als Einkaufszentrum neu zu beleben. &bdquo;Unser Überlegung war vielmehr, wie sich die Regionen abseits der Metropolen um die Ressource Kreativität positionieren", erklärt Angelis den Ansatz. &bdquo;Wie kriegen wir die kreativen Menschen nach Oldenburg und wie können wir sichern, dass sie bleiben?" Junge kreative Köpfe folgen nicht mehr nur dem schnöden Mammon Alexis Angelis hat als Chef seines Architekturbüros wie auch als Berater für Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass junge kreative Menschen nicht mehr dem schnöden Mammon folgen, sondern ihre berufliche Zukunft dort sehen, wo das Umfeld attraktiv ist. &bdquo;Es gibt wenig Berlins, aber viele Oldenburgs und Güterslohs, die sich fragen müssen, wie sie in Zukunft erfolgreich dastehen wollen", so Angelis. Seine Antwort: &bdquo;Es braucht eine Schnittstelle, die die kreativen Kräfte verschiedenster großer und kleiner Unternehmen und universitärer Einrichtungen zusammenbringt, damit sie überregional ausstrahlen." Diese &bdquo;Innovationsplattform", wo sich die Kreativköpfe sehen können und auch auf Öffentlichkeit treffen, sollte im Zentrum Oldenburgs angesiedelt sein. Und es musste über große Flächen verfügen. Da bot sich das bis auf ein Hotel und ein Fitness-Center leer stehende CCO geradezu an. Aus einer &bdquo;Schrott-Immobilie", wie Angelis sie nennt, wurde ein Ort der Zukunft. Für Angelis sterben die Innenstädte nicht erst jetzt durch Schließung der Warenhäuser. Auch für ihn selbst sei es ein Lernprozess gewesen, wie mit der neuen Idee sich auch der Blick auf die Immobilie und das städtische Umfeld wandelte – Monostruktur wurde etwas Neues. Für Angelis sterben die Innenstädte nicht erst jetzt durch Schließung der Warenhäuser. &bdquo;Die sind schon einen kleinen Tod gestorben, als die Kaufhäuser in den 50 und 60er Jahren eröffneten und die vielen Funktionen, die die Innenstädte früher hatten – Arbeiten, Wohnen, Handel – weggenommen haben zugunsten riesiger Handelsflächen." Die Herausforderung, sich wegen des Strukturwandels neu erfinden &bdquo;und eine neue Zentralität aufbauen zu müssen", betreffe alle Mittelstädte, so Angelis. Aber er sieht die Regionen auch deutlich im Vorteil: &bdquo;Die Metropolen sind voll, sie sind teuer geworden. Und Corona hat gezeigt, wie wertvoll Raum ist, damit man nicht so eng aufeinander hockt, und dass es Grün drumherum gibt." Zudem müsse man einen neuen Gemeinschaftssinn entwickeln. &bdquo;Früher konnte ein Unternehmen am Stadtrand erfolgreich sein und hat seine Welt für sich geschaffen. Heute merken wir, dass Mitarbeiter kommen und bleiben, weil sie sich in der Stadt wohlfühlen.""Das Netzwerk ist wichtig" Auch dass er als Oldenburger in seiner Stadt tätig geworden sei, sieht Angelis als &bdquo;Rückkehr zu einer gewissen Regionalität". Jetzt kämen Unternehmer zusammen, die etwas für ihre Stadt tun wollten, wovon sie nachhaltig leben könnten. &bdquo;Die Zeit der anonymen Heuschrecken ist vorbei." Zur Umsetzung solcher Projekte brauche man lokales Wissen und lokale Partner, weil man Menschen und Institutionen zusammenführe. &bdquo;Das Netzwerk ist wichtig." Kern des Core (Gesamtfläche: 2.500 Quadratmeter) ist der Innovationsmarktplatz im Erdgeschoss mit einer über 600 Quadratmeter großen Markthalle, in der acht Streetfood-Stände bis in die Abendstunden die Besucher versorgen und als Ort der Kommunikation und des Zusammenseins dient. Das Forum im Herzen der Markthalle kann für Vorträge oder zum Austausch genutzt werden. Im ersten Obergeschoss gibt es Raum für 150 moderne Arbeitsplätze Zwei Auditorien bieten Veranstaltungsflächen für Tagungen, Workshops und kulturelle Formate. Das gesamte erste Obergeschoss bietet Raum für flexibles und modernes Arbeiten. Hier werden rund 150 Arbeitsplätze eingerichtet, von buchbaren Meeting-Räumen für 4 bis 30 Personen bis zu festen Arbeitsboxen. &bdquo;Core ist ein Event-Ort rund um das Thema Innovation", so Angelis. Und dieser sei durchaus auf andere Städte übertragbar. &bdquo;Es gibt kein durchgehendes Rezept, in dem jede Geschmacksrichtung ausgearbeitet ist, aber die Herangehensweise ist durchaus übertragbar. Insofern bildet das Core in Oldenburg einen Prototyp für vergleichbare Städte", so Angelis. &bdquo;Innovation lebt davon, dass eine Stadt attraktiv bleibt" Doch was hat die örtliche Wirtschaft und der Einzelhandel davon? Angelis: &bdquo;Innovation lebt davon, dass eine Stadt attraktiv bleibt. Wir wollen urbanes Leben erzeugen, weil wir sagen, dass das der Nährboden für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung ist." Lediglich Besitzer solcher Immobilien könnten nicht mehr die Miete erzeugen, die sie früher generiert hätten. Um das Projekt in Oldenburg realisieren zu können, hat Alexis Angelis mit drei weiteren mittelständischen Partnern die Immobilie erworben. Das habe die Arbeit sicherlich einfacher gemacht. Aber in der Regel bräuchten Planer und Architekten einen Investor, der sich traue, diesen neuen Weg zu gehen. Diese hätte man aber auch in Oldenburg leicht gewinnen können, weil jeder gesehen habe, dass hier nicht eine überlebte Immobilie mit alten Ideen wiederbelebt werden sollte, sondern ein neuartiges Konzept umgesetzt wurde. &bdquo;So sind wir Treiber einer neuen wirtschaftlichen Entwicklung geworden. Wer die Hoffnung hat, dass sich so etwas von selbst richtet, wird enttäuscht. Es braucht mindestens eine gute Begleitung, um das auf den Weg zu bringen", rät Alexis Angelis interessierten Städten.

Meistgelesen