Kommentar: Warum Klimaschutz in Gütersloh Chefsache sein sollte

Gütersloh. Kennen Sie den Klimabeirat der Stadt Gütersloh? Wissen Sie, was er macht? Sehen Sie: Da haben wir das Problem. Das Gremium ist in den fünf Jahren seiner Tätigkeit in der politischen Debatte öffentlich kaum aufgefallen. Und das bei einem Thema, das die Menschen umtreibt, wie kaum ein anderes: der Klimawandel. Niemand wird behaupten, dass die Arbeit des Beirats wirkungslos ist. Die Energieleitlinien, die er erarbeitet hat, sind wohl seine größte Leistung. Doch was ist das für ein Erfolg, der sich nicht in reduzierten Treibhausgas-Emissionen niederschlägt? Im Vergleich zu 2011 wurde in Gütersloh kaum etwas eingespart. An Dringlichkeit zum Handeln mangelt es nicht. Das machen die Brände in Kalifornien ebenso deutlich wie die Tatsache, dass uns in den nächsten Tagen wieder eine Hitzewelle mit über 30 Grad ereilt – und das Mitte September! USA und Europa für 80 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich Neuen Erkenntnissen zufolge sind die USA und Europa für 80 Prozent der CO2-Emissionen seit 1850 verantwortlich. Der Wirtschaftsanthropologe Jason Hickel hat für jeden Staat ein Budget an Emissionen ausgerechnet, die in Bezug auf die Population ausgestoßen werden dürfen. Demnach stehen Deutschland 18,4 Gigatonnen CO2 zu, tatsächlich ist schon fast das Fünffache dieser Menge emittiert worden: 91,3 Gigatonnen CO2. Damit steht Deutschland im Ranking der Hauptverursacher des Klimawandels auf Platz 3 – nach den USA und Russland. Sollte das nicht Anreiz und Anlass genug sein, um auch vor Ort, in jeder einzelnen Kommune, endlich in die Pötte zu kommen und das Thema ernsthaft anzugehen? Und was macht angesichts dessen der Klimabeirat der Stadt Gütersloh? Er befindet sich in der Selbstfindungsphase. Und diskutiert, für welche Aufgaben er sich künftig in welcher Form engagieren will. Haben wir dafür die Zeit? Natürlich nicht. Und dennoch muss hier im Kleinen die Diskussion ausgetragen werden, die die Gesellschaft bereits im Großen führt. Nämlich das allzu lange verschobene Gespräch darüber, welche Priorität wir dem Kampf gegen den Klimawandel in Gütersloh einräumen wollen. Uns bleiben nur wenige Jahre, um das Ruder herumzureißen Die Wissenschaft ist eindeutig. Uns bleiben nur wenige Jahre, um das Ruder herumzureißen. Bei der anderen großen Krise unserer Zeit, der Corona-Pandemie, zeigte sich – bei weitaus dünnerer Faktenlage – dass die Politik schnell und entschlossen handeln kann, wenn sie will. Mag sein, dass sich manche Maßnahme in der Rückbetrachtung als übervorsichtig herausstellen wird. Doch Todeszahlen wie in Italien oder Spanien blieben Deutschland erspart. Vertrauten wir den Aussagen der Klimaforscher in gleichem Maße wie denen der Epidemiologen, müsste viel entschiedener, radikaler und schneller gehandelt werden, um die Katastrophe zu vermeiden. Zurück zum Klimabeirat. Von Konsens ist jetzt auf einer Seite der politischen Diskussion die Rede. Davon, dass man alle mitnehmen, Interessen ausgleichen müsse. Auf der anderen Seite stehen die Ungeduldigen, denen es nicht schnell und weit genug geht. Und die so mancher – Hand aufs Herz – als Ökoterroristen sieht, die anderen ihren Willen aufzwingen wollen. Doch der wahre Terrorist ist der Klimawandel, der keinen Aufschub duldet. Die Wege, ihn zu verhindern, müssen demokratisch ausgefochten werden, aber nicht das Ziel, nämlich ihn wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Wirtschaftskraft des Kreises Gütersloh wird gerne beschworen. Wo, wenn nicht hier, hat man das wirtschaftliche Potenzial, das Klimaproblem anzugehen. Nicht trotz, sondern gerade in der Coronakrise. Am Sonntag haben wir die Wahl, wem wir vertrauen wollen, dieses Problem zu meistern. Dass der Klimawandel Chefsache sein sollte, dürfte sich von selbst verstehen. Von mir aus auch Chefinnensache. Und der Klimabeirat ist der Tiger, der zubeißen sollte, wenn’s nicht so läuft.

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