Gütersloher Umweltaktivist: „Verkehrssünder sind keine Opfer von Fallen“

Gütersloh. Der mobile Blitzer &bdquo;Moneypenny" erlebt derzeit einen Farbanschlag nach dem anderen. Der Grund könnte die Gesetzesnovelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) sein, die seit dem 28. April gilt. Fahrverbote drohen jetzt früher, nämlich schon bei Überschreitung ab 21 km pro Stunde innerorts und 26 Kilometer pro Stunde außerorts. Die Regelung hat bereits für eine Zunahme der Fahrverbote gesorgt – auch im Kreis Gütersloh. Fast die Hälfte der 120 Fahrverbote in Gütersloh sind in diesem Jahr nach der Änderung des Bußgeldkatalogs ausgesprochen worden. 40 davon wurden von Moneypenny festgehalten. Die Empörung der Autofahrer ist deshalb hoch. Sogar so hoch, dass Verkehrsminister Scheuer die Maßnahme rückgängig machen will. Herr Grüneberg, können Sie die Verärgerung der Autofahrer gar nicht nachvollziehen? Norbert Grüneberg: Es verwundert schon, wenn der neue Bußgeldkatalog für Fahrverbote verantwortlich gemacht wird. Waren es doch die Fahrer, die die Regeln der StVO ignorierten. Konnten sie nicht bremsen? Die wenigsten von ihnen dürften Raser gewesen sein. Auf keinen Fall aber Opfer einer Falle wie es gerne dargestellt wird. Vielleicht wurden sie mit einem Tempo erwischt, das zur Gewohnheit geworden ist. Vielleicht auch, weil man kurz abgelenkt war. Aber genau das macht Geschwindigkeitsüberschreitungen so gefährlich. 2018 bezahlten 21 Rad fahrende Kinder und 424 erwachsene Radfahrer die Kollision mit tonnenschweren Autos mit ihrem Leben. Wir Menschen wiegen nun mal nur einen Bruchteil davon. Keiner dürfte mit Absicht überfahren worden sein. Gibt diesen Opfern, irgendeine Behörde nach vier Wochen ihr Leben zurück? Vielleicht wären einige von ihnen noch am Leben, wenn überhöhte Geschwindigkeit in unserer Gedankenwelt nicht mehr als Kavaliersdelikt verharmlost werden würde. Der drohende Führerscheinentzug also als Weckruf und Chance zur bewussten Verhaltensänderung? Grüneberg: Dieser Erziehungsaspekt der StVO-Novelle verpufft, wenn man Temposünder lediglich vor denen warnt, die die Einhaltung der Gesetze am Straßenrand erledigen oder verbotene Geräte zum &bdquo;Schutz vor Radarfallen" anbieten. Selbst die Polizei erklärt öffentlich, dass die ebenfalls verbotenen &bdquo;Blitzer-Apps" von unserer Polizei &bdquo;gar nicht so einfach zu kontrollieren" sind. Das hört sich nach einem fatalen Signal an die Temposünder an. Merksatz: &bdquo;Du kannst schneller Fahren als die anderen und dennoch deinen Führerschein behalten, wenn du die Polizei cleverer austrickst!". Die neuen Regeln sollen in erster Linie Fußgänger und Radfahrer vor den tonnenschweren Autos im Alltagsverkehr schützen. Die wirkungsvolle Senkung der Fahrgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen kann gerade für die Gemeinden in Stadtrandlage eine gute Chance sein, ihre Straße wieder mit Radfahrern und Fußgängern zu beleben, weil sie sich dort sicher fühlen. Die Reduzierung auf Tempo 30 erfolgt vielfach. Reicht das nicht? Grüneberg: Dass Temporeduktion dabei nur ein Schritt in die richtige Richtung sein kann zeigt sich am Beispiel von Isselhorst überdeutlich. Seit 35 Jahren wurde nicht ein Cent in eine zeitgemäße Radinfrastruktur investiert, obgleich der Autoverkehr im gleichen Zeitraum massiv zugenommen hat. Die Folge: Der Radverkehr ist trotz günstigster Topographie rückläufig. Viele Radfahrer sind vor den gefühlt hauteng überholenden und drängelnden Pkw auf die Gehwege geflüchtet. Einige sogar mit Elektroantrieb. Dabei gefährden sie einkaufende Fußgänger, bummelnde Senioren oder Grundschulkinder auf ihrem Schulweg. Letztere werden nicht selten schnell malweggeklingelt. Niemand hat das Recht, Fußgänger und Kinder zu gefährden, nur weil einzelne Autofahrer sich nicht an die Regeln halten. In ganz Kopenhagen schieben Radfahrer ihr Rad stets auf dem Gehweg. Diejenigen, die das nicht tun tragen in der Regel Helme, Blinker und Warnwesten. Daran erkennt man von weitem die Deutschen. Bei uns kann Gehwegfahren inzwischen 55€ bis 80€ Euro kosten. Aber Strafen die keiner verhängt, schrecken weder Auto- noch Radfahrer ab. Egal wie hoch sie sind. Es muss schon wehtun, damit jeder von uns seinen eigenen Egoismus überdenkt. Die ursprüngliche Erlaubnis zur Mitbenutzung der Gehwege hat die Stadtverwaltung bereits vor Jahren durch Abnahme der entsprechenden Beschilderung an der Haller Straße den Radfahrern entzogen. Sind das die falschen Signale? Grüneberg: Wie groß die Angst vor den schnellen Autos und dem dichten Verkehr ist, konnte man besonders in den ersten Wochen der Pandemie beobachten, die in Isselhorst mit der Vollsperrung der Haller Straße zusammenfiel. Obgleich kein Auto unterwegs war, drängelten sich die Radfahrer auf dem Gehweg. Vielleicht braucht es einen Bürgermeister wie in Brüssel, der die Pandemie genutzt hat, um Fußgängern und Radfahrern den absoluten Vorrang in der engen Innenstadt einzuräumen. Und wir? Haben wir einen Bürgermeister, eine Bürgermeisterkandidatin oder Kandidaten, der/die sich offen gegen die Rücknahme der härteren Strafen für Temposünder einsetzt, weil sie damit den Radverkehr und Umwelt in unserer Stadt fördern könnten? Die Fahrradfahrer schimpfen auf die Autofahrer – umgekehrt schimpfen Autofahrer vielfach über die Disziplinlosigkeit der Fahrradfahrer.Wer hat denn nun recht? Grüneberg: Recht hat, wer sich korrekt und rücksichtsvoll verhält. Radeln sollte nicht etwas für &bdquo;Kampfradler" bleiben, wenn man ernsthaft der Dominanz des Autos etwas entgegensetzen will. Wenn Angst bei so vielen Menschen besteht, muss es Alternativen geben. Auch von Seiten der Verwaltung. Der Gedanke, wer schneller ist, der ist auch stärker und hat mehr recht und Rechte ist ja leider unter Radfahrern auf dem Gehweg auch weit verbreitet. Selbst im Lutterwäldchen werden die Kinder von Erwachsen und Jugendlichen weggeklingelt. Es ist einfach nicht auszuhalten, die Schnelleren werden von den Langsamen sogar noch im Wald behindert. Gesetzliche Toleranz gegenüber den Autofahrern ist demnach jetzt das falsche Signal? Grüneberg: Wer sich an die StVO hält, braucht keine Angst vor Blitzer haben. Wer allerdings RadarApps nutzt, der will sich vorsätzlich nicht an Regeln halten, sondern seinen Tempoverstoß zur Regel machen.

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