Gütersloh rutscht ins Minus: Eine gute Zeit, mal wieder Schulden zu machen

Gütersloh. Es ist, als hätte die Stadt einen Hang zur Metaphorik. Sie hat ihre Ausgleichsrücklage in den vergangenen, fetten Jahren derart gefüllt, dass dort inzwischen, wie sie mitteilte, 112 Millionen Euro schlummern. Ausgerechnet 112, die Notrufnummer: Wie sinnbildlich! Freilich wäre es übertrieben, Gütersloh schon in Notlage zu wähnen. Weder 2020 noch in den Folgejahren wird die Stadt den Rettungsdienst bemühen müssen. Verglichen mit den meisten anderen Kommunen, geht es ihr noch immer gold. Nicht von ungefähr war sie in der Lage, ihre Rücklage zu füttern, nicht von ungefähr hat sie es geschafft, ihren Schuldenstand auf ein Niveau zu senken, um das sie von vergleichbaren Städten mit überörtlichen Kreisfunktionen wie Theater und Spaßbad beneidet wird. Es wäre sinnvoll, sich einen gewissen Puffer zu erhalten Nun auf ihre 112 Millionen Euro Rücklage zugreifen zu wollen, um das mutmaßliche Haushaltsloch 2020 zu stopfen, ist richtig. Dafür ist sie schließlich da. Sollten 2021 und 2022 weitere Minus-Jahre werden – und manche Prognose deutet darauf hin –, könnte die Rücklage selbst darüber noch tragen, bis die Stadt wirklich ans Eingemachte müsste. Sich einen gewissen Puffer zu erhalten, wäre dennoch sinnvoll. Warum in der aktuellen, bevorstehenden Lage nicht Kredite aufnehmen? – nicht solche, die man bräuchte, um eine ineffiziente, aufgeblähte Verwaltung durchzuziehen, sondern solche, mit denen man Investitionen finanziert. Aus Sicht eines Haushaltswirtschafters wäre es nämlich ungeschickt, seine Liquidität in den nächsten Jahren auf Null abzuschmelzen, um danach aus der Bedrängnis heraus teure Kassenkredite ohne Gegenwert aufnehmen zu müssen. Gegen reine Investitionskredite, solche, denen man Gebäude, Infrastruktur, Bildung gegenüber stellen kann, spricht jedoch nichts. Es wäre ein Signal, und es wäre klug In der aktuellen Wirtschaftslage gibt es wenig Grund, an dem Ziel einer Schwarzen Null oder gar einem positiven Ergebnis festzuhalten. Weder auf Bundes- noch auf kommunaler Ebene. Im Gegenteil: Jetzt, wo die Wirtschaft schwächelt, wo die Firmen ihre eigenen Investitionen zurückfahren, wäre genau der richtige Zeitpunkt, dass die öffentliche Hand gegenhält. Es wäre ein Signal, und es wäre klug. Warum? Weil, erstens, die Zinsen noch immer unfassbar niedrig sind; so billig wie jetzt kriegt man das Geld normalerweise nicht. Und zweitens, weil die Stadt nun vielleicht die Chance hat, besser an Handwerker zu kommen. Die geplanten Rekordinvestitionen der vergangenen drei Jahre – die Stadt konnte sie nur verzögert und teils bislang gar nicht umsetzen, weil sich auf ihre Ausschreibungen einfach niemand meldete; die Firmen hatten ihre Bücher voll, hatten genug anderes zu tun. Hält die Stadt unverdrossen daran fest, weiter ihre Aufträge rauszuhauen, könnte sich das am Ende gar als örtliche Konjunkturspritze erweisen. Die Großinvestitionen werden nicht weniger Dass die Mehrheit der Kommunalpolitik ihr dabei in die Parade fährt, damit ist kaum zu rechnen: Nächstes Jahr ist Kommunalwahl. Die Fraktionen werden einen Deibel tun und sich als Sparkommissare aufspielen. Eher werden sie weitere Forderungen formulieren, werden ihrer Wahlklientel einige Wohltaten gönnen wollen. Statt mit der Sense werden sie mit dem Füllhorn unterwegs sein. Der Verwaltung wird daher wohl die Rolle zufallen, trotz aller Generösität am Ende den Mahner zu geben. Sicher, die millionenschwere Feuerwache ist bald abbezahlt, und bei der Sanierung der Stadthalle und dem Aufbau der Dritten Gesamtschule ist auch schon eine Menge geschafft. Aber zum einen bleibt der Missstand, dass der Wert der Abschreibungen und Abgänge noch immer den Vermögenszuwachs übersteigt (was bedeutet, dass die Stadt ihr Vermögen aufzehrt), zum anderen werden die Großinvestitionen ja nicht weniger. Also doch ein Fall für den Notruf? Die Umwandlung der beiden Kasernen beispielsweise: Beträge sind bislang nicht genannt, aber wer die Gelände kennt, ahnt, welche gewaltige Anstrengungen auch finanzieller Natur auf die Stadt noch zukommen. Oder der Ausbau des Offenen Ganztages an den Grundschulen: Bislang liegen erst für zwei Grundschulen, Heidewald und Große Heide, mittelfristige Zahlen vor, zusammen belaufen sie sich auf enorme 11,5 Millionen Euro. Heißt: Rechnet man die anderen Grundschulen im Stadtgebiet hinzu, dürfte es dreistellig werden.Also doch ein Fall für den Notruf? Iwo. Noch reicht es im gesunden Gütersloh nicht mal für Schnappatmung.

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