Diese Gütersloherin gibt Flüchtlingen eine Familie

Gütersloh. Sie nennen sie &bdquo;Mama". &bdquo;Alles, was sie für uns getan hat, konnte nur eine Mama für ihre Kinder machen", sagt Armir Reza Gholamhossein (23). &bdquo;Meine Mutter hat kein Problem damit, dass ich zu ihr Mama sage." &bdquo; Und meine Mutter in Afghanistan sagt, es ist gut, dass in Deutschland jemand auf mich aufpasst", sagt Fridon Ahmadi (24). Saman Shirvani (30), sein &bdquo;Bruder", der neben ihm sitzt, nickt. Es ist eine ganz besondere Familie, die &bdquo;Mama" Nesrin Sayar um sich versammelt hat. Sie sitzen auf Gartenstühlen vor ihrem Café Nes am Dreiecksplatz. Sechs junge Männer, alles Geflüchtete. Dank der Hilfe der türkischstämmigen Dolmetscherin sind sie gut in Deutschland angekommen. &bdquo;Meine Söhne", sagt die 57-Jährige stolz. Begonnen hatte alles mit einem Deutschkurs, den Nesrin Sayar vor gut drei Jahren leitete. Die begeisterte Sportlerin erzählte ihren Sprachschülern, dass sie für den Hermannslauf trainiere – sie laufe jeden Morgen um sieben Uhr vor der Arbeit. &bdquo;Wir machen mit", meinten einige der jungen Männer. &bdquo;Dann müsst ihr aber pünktlich sein", antwortete ihre Lehrerin – und aus dem Sprachkurs wurde eine Laufgruppe. &bdquo;Alle sechs haben den Hermann unter drei Stunden geschafft", erzählt Nesrin Sayar stolz. Für dieses ungewöhnliche Projekt wurde sie 2017 mit dem Preis der Bürgerstiftung ausgezeichnet. &bdquo;&bdquo;Sport regt den Kreislauf an und fördert die Konzentration", sagt Sayar. So könnten sich Lernende Vokabeln und Grammatik der deutschen Sprache besser einprägen. Das im Unterricht Erlernte werde im Anschluss während der Bewegung wiederholt und ganz nebenbei stärke das Erreichen von Lern- und Laufzielen das Selbstbewusstsein. Sprache als Schlüssel zur Integration Nesrin Sayar weiß, wie wichtig das Erlernen der deutschen Sprache ist. &bdquo;Der Schlüssel zur Integration", sagt sie. Als die 1985 als junge Studentin mit ihrem türkischen Ehemann nach Harsewinkel kam, hatte sie auch eine Nachbarin an die Hand genommen und gesagt &bdquo;Du musst so schnell wie möglich Deutsch lernen." Und Nesrin Sayar lernte, schloss ihr Mathematikstudium ab, ergänzte es um ein Informatikstudium, gab Sprachunterricht, ist nach langjähriger Tätigkeit in er IT-Branche nun als Dolmetscherin und Übersetzerin selbständig. Inzwischen schafft die &bdquo;Familie" es nur noch selten, gemeinsam die Laufschuhe zu schnüren. &bdquo;Alle meine Jungs haben eine Ausbildungsstelle oder gehen zur Schule", sagt Nesrin Sayar. Da ist Alireza Jafari (33) aus Afghanistan, der gerade die Schule abschließt und im August eine Ausbildung zum Altenpfleger beginnt. Und Mohammad Massoni, ebenfalls aus Afghanistan, der bei Claas eine Ausbildung zum Industriemechaniker macht. Und Mahdi Abiat aus dem Iran, der im Gütersloher Bankery zur Servicefachkraft ausgebildet wird. &bdquo;Sein erstes Praktikum hat er im Café Nes gemacht", erzählt Nesrin Sayar, die das Café seinerzeit nur eröffnet hat, um ihren &bdquo;Söhnen" die Möglichkeit zu geben, sich in der deutschen Sprache zu üben. Interesse an der Freiwilligen Feuerwehr Es ist erstaunlich, wie sicher die jungen Geflüchteten in Grammatik und Vokabular bereits sind. Amir Reza, der als 19-Jähriger mit seinem Vater die Flucht aus dem Iran auf sich nahm, lernt Elektriker bei Brokbals. Seit acht Monaten ist auch seine Mutter in Deutschland – Amir Reza übersetzt für sie bei Behördengängen. &bdquo;Als Kind wollte ich immer Feuerwehrmann werden", erinnert sich der junge Mann. Als er seinem Kollegen davon erzählt habe, habe der ihn eingeladen, doch mal mit zur Freiwilligen Feuerwehr zu kommen. &bdquo;Da werde ich Montag mitgehen", sagt Amir Reza. &bdquo;Deutschland hat mir soviel gegeben – vielleicht kann ich da ja auch ein wenig zurückgeben." Fridon Ahmadi nickt. Er ist im zweiten Lehrjahr zum Automechaniker beim Autoforum Wiegers und bewohnt schon eine eigene Wohnung in der Münsterstraße. &bdquo; In Afghanistan war ich Schneider", erzählt er. &bdquo;Aber Autos haben mich schon immer interessiert". Jetzt übt er für die Zwischenprüfung – und paukt weiter Deutsch bei Nesrin. So wie Saman Shirvani, der in seiner Heimat Iran Architektur studiert hat. Der 30-jährige ist der Einzige, der bereits die C1-Sprachprüfung bestanden hat und der nun zum Herbstsemester in Deutschland seinen Master in Architektur anschließen möchte. &bdquo;Er sitzt jeden Tag mindestens eine Stunde vor seinen Büchern", berichtet seine &bdquo;Mama". Außerdem jobbt er in einem Gütersloher Architekturbüro und malt. Seine Bilder sind im Café Nes ausgestellt, außerdem plant er Malkurse in den Räumlichkeiten anzubieten. "Die Familienplanung ist abgeschlossen" Es ist eine große Familie, die sich im Café Nes trifft. &bdquo;Wir sind die Familie Fimoli", sagt die &bdquo;Mama" schmunzelnd – ein Phantasiewort gebildet aus den Namen der jungen Männer. Die Dolmetscherin freut sich, wenn sie eingeladen wird und es dann heißt – &bdquo;aber bringen Sie ihre Söhne mit!" Als kürzlich ein anderer Sprachschüler darum bat, ebenfalls in die Familie aufgenommen zu werden, musste sie jedoch lächelnd ablehnen. &bdquo;Meine Familienplanung ist abgeschlossen."

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