Speed-Dating: Wie wichtig zehn Minuten für die Zukunft sind

Gütersloh. Der rosafarbene Sand rinnt langsam durch die Sanduhr. Zehn Minuten entscheiden jetzt über seine Zukunft. Daniel Domke ist spontan nach Gütersloh zu dem Speed-Date gefahren. Dass er ein Hemd trägt, ist auch eher Zufall, denn noch vor einer knappen halben Stunde hatte er ein fast noch wichtigeres Gespräch. Der 19-Jährige hat gerade seine mündliche Abiprüfung im Fach Deutsch am Gymnasium in Verl hinter sich gebracht. Direkt im Anschluss ist er dann nach Gütersloh zur Weberei gefahren. Er ist allerdings nicht dort, um die Liebe zu finde, sondern eine Ausbildungsstelle. Zuerst informiert er sich bei der Firma Huga aus Avenwedde über den Beruf des Mediengestalters. Genau einer soll dort im August anfangen. Daniel ist nicht der einzige Bewerber. Er musste eine halbe Stunde auf das Gespräch warten und auch nach ihm stehen noch Jugendliche an. Ausbilder beklagen weniger Interesse bei den Bewerbern Knapp 400 sind es insgesamt, die sich auf die Räume der Weberei verteilen. Seit dem Mittag findet dort zum inzwischen neunten Mal das Azubi-Speed-Dating statt. &bdquo;Wir haben uns für diesen Ort entschieden, da ihn die Jugendlichen kennen", sagt Michael Kaiser von der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld und damit Mitveranstalter des Nachmittags. 260 offene Stellen sind zu haben. 65 Betriebe stellen sich vor. &bdquo;Mit 19 Betrieben haben wir 2011 angefangen", erinnert er sich. &bdquo;Inzwischen kommen mehr Handwerksbetriebe auf uns zu. Da haben sich die Jugendlichen früher eher initiativ beworben. Das hat sich sehr verändert." Das merkt auch Heiko Stricker, schon seit 15 Jahren Ausbildungsleiter bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück und seit dem ersten Speed-Dating dabei. &bdquo;Die Jugendlichen wollen heute alle studieren, egal mit welchem Abschluss und egal was", sagt er. &bdquo;Ich plädiere für ein Duales Studium nach der Ausbildung." So machten es in diesem Jahr bei Tönnies drei von zehn Azubis, die gerade ihre Abschlussprüfungen schreiben. &bdquo;Über Messen und die Sozialen Medien versuchen wir an die Jugendlichen ran zu kommen." Spitzenwert waren 78 Azubis. In diesem Jahr geht er davon aus, dass die 20 freien Stellen, verteilt auf elf Ausbildungsberufe, nicht alle besetzt werden. Die Bewerber hätten sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. &bdquo;Die Eltern informieren sich bei uns und die Kinder hängen an ihren Handys", beschwert er sich. Der Beruf muss zum persönlichen Interesse passen Diana Pollmeier ist für das Camping Kaufhaus mit Sitz in Verl zum ersten Mal bei dem Speed-Dating dabei. Denn das Unternehmen bildet zum ersten Mal Azubis aus. Einen Mediengestalter und einen Einzelhandelskaufmann hätten sie schon gefunden. Sieben weitere Stellen seien noch zu besetzen. Für eine davon interessiert sich Natalia Nichel. Die 20-Jährige aus Gütersloh hat schon vor zwei Wochen eine Bewerbung an den Campingausrüster geschickt und will jetzt wissen, ob sie eine Chance auf einen Platz als Kauffrau im Einzelhandel und Büromanagement hat. Auch bei ihr rinnt der Sand durch die Uhr. Das Gespräch beginnt damit, dass Pollmeier ihr von dem Unternehmen erzählt und davon, was Natalia machen müsste, wenn sie die Stelle bekommt. &bdquo;Natürlich gehört da auch mal Arbeit an Feiertagen und am Wochenende dazu. Im Sommer gibt es eine Urlaubssperre, da wir ein Saisongeschäft haben", sagt sie. &bdquo;Hatten Sie sich das so vorgestellt?" Hat sie. Denn Natalia geht nicht nur in ihrer Freizeit gerne campen, sie hat sich auch beruflich schon auf die Ausbildung vorbereitet. Ihr Fachabitur hat sie 2018 im Bereich Wirtschaft und Verwaltung absolviert. Nach dem der Sand am Boden angekommen ist, zieht Natalie weiter. Sie hat noch fünf blaue Bewerbungsmappen in der Hand. &bdquo;Viele studieren einfach irgendwas, nur um zu studieren" Daniels Gespräch mit Claudia Duhme und Frederik Hüser aus der Marketingabteilung von Huga läuft derweil ganz gut. Auch hier wird zunächst über das Unternehmen informiert. Daniel müsste zum Beispiel die Internetseite und die Kataloge des Unternehmens gestalten, das sich auf Holz- und Glastüren spezialisiert hat. &bdquo;Da gehört ein Interesse an Inneneinrichtung dazu", sagt Duhme. Das hat er. Sein Schulpraktikum hat er bei einem Architekten absolviert. Ein Studium kommt für Daniel aber zunächst nicht in Frage. &bdquo;Viele studieren einfach irgendwas, nur um zu studieren", sagt der Abiturient. &bdquo;Ich möchte endlich Geld verdienen, selbstständig werden und etwas machen, was mir Spaß macht." Auch in seiner Freizeit arbeitet er viel mit Photoshop und hat zum Beispiel seine eigenen Visitenkarten designet, denn nebenbei ist er schon als Klavierlehrer tätig, erzählt er den beiden. Duhme gefällt das Design seiner Bewerbung. Die hat er mit klaren Linien und Blautöne gestaltet. &bdquo;Man soll sofort das Wichtigste erkennen", sagt Daniel. Einen Lebenslauf lässt er auch gleich an dem Stand. Innerhalb der nächsten drei Wochen wolle man sich bei ihm melden. Mit vier weiteren Lebensläufen zieht Daniel weiter durch die Weberei.

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