Senioren haben eigene Radiosendung - und die wird sogar in den USA gehört

Kreis Gütersloh. Der Weg nach oben ist ein steiler. &bdquo;68 Stufen", sagt Kalle Möller und muss erstmal durchpusten. Das Tonstudio der Gruppe &bdquo;Hört, hört", liegt unterm Dach des Alten Amtsgerichts am Berliner Platz in Gütersloh. Einen Aufzug gibt es nicht. &bdquo;Das ist für einige von uns eine Herausforderung", meint Möller, der die monatliche Bürgerfunk-Sendung &bdquo;Hört, hört – von Senioren nicht nur für Senioren" moderiert. Schließlich liege das Durchschnittsalter der Radiogruppe der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bei 71 Jahren, hat der Haller ausgerechnet. Als alle den Aufstieg geschafft haben, geht es auch schon los. Günther Ksol und Bernd Schneider, die beiden Techniker der Gruppe – &bdquo;unsere Radiologen!"- werfen Bildschirm und Mischpult an. &bdquo;Wer fängt an?", fragt Günther Ksol in die Runde. &bdquo;Ich entschuldige mich jetzt schon für die ganzen Versprecher", sagt Edmund Ruhenstroth und betritt die Aufnahmekabine. Der 82-jährige Gütersloher setzt die Kopfhörer auf, rückt sich den Stuhl so zurecht, dass sein Gesicht auf Höhe des Mikrofons ist, raschelt mit seinen Zetteln und blickt erwartungsvoll durch die Glasscheibe in den Technikraum. "Edmund, kannst Du mich hören?" Günther Ksol drückt auf einen grünen Knopf vor sich. &bdquo;Edmund, kannst Du mich hören?" Nicken von der anderen Seite der Glasscheibe. &bdquo;Dann sag mal was." Edmund Ruhenstroth bewegt die Lippen, auf dem Bildschirm fängt eine Linie an zu zucken. Günther Ksol blickt auf die Ausschläge und nickt. Die Lautstärke passt. &bdquo;Dann leg mal los." Und Edmund Ruhenstroth legt los. &bdquo;Tach auch", beginnt der Senior seinen Vortrag, der von seinem Traum handelt, einmal im Leben nach Taizé zu reisen, in jenen kleinen Ort im Burgund, Symbol der ökumenischen Bewegung. Ruhenstroth liest, Günther Ksol hat den Text vor sich liegen, verfolgt ihn mit einem Stift in der Hand mit, macht sich Notizen. Musik zu den einzelnen Wortbeiträgen Nach einem kleine Versprecher hält er inne, drückt auf den Knopf. &bdquo;Mach den Satz noch mal – ab ,Auf dem kleinen Hügel in Taizé", sagt er, Ruhenstroth räuspert sich und beginnt den Satz von vorn. &bdquo;Das schneiden wir nachher raus, das hört man dann nicht mehr", erläutert Bernd Schneider (69). Der Rietberger ist gelernter Ton-Ingenieur. Er teilt sich mit Günther Ksol, der sich nach und nach in die Technik reingefuchst hat, die aufwendige Arbeit des Schneidens. &bdquo;Das sind schon einige Stunden", sagt er. &bdquo;Meine Frau sieht oben Krimis und ich sitze dann am Computer und schneide die Sendung", erzählt er schmunzelnd. Auch die Musik zu den einzelnen Wortbeiträgen suchen die beiden Techniker der Hobbygruppe aus. "Da steckt soviel Mühe in der Sendung" Radio von Bürgern für Bürger – das ist das Prinzip des Bürgerfunks, das im Landesmediengesetz NRW festgeschrieben ist. Radio Gütersloh sendet das knapp einstündige Programm der Gruppe &bdquo;Hört, hört" an jedem letzten Samstag im Monat, um 19.04 Uhr. Die nächste Sendung wird am Samstag, 25. Mai ausgestrahlt. Die Beiträge, die an diesem Dienstagvormittag im Alten Amtsgericht aufgenommen werden, sind am 29. Juni zu hören. &bdquo;Da steckt so viel Mühe in einer Sendung", sagt Doris Weißer von der Stabsstelle Senioren- und Ehrenamtsarbeit bei der AWO im Kreis Gütersloh. "Das sind jetzt echte Profis" Vor 20 Jahren ist &bdquo;Hört hört" als hauptamtlich aufgebautes Modellprojekt gestartet, inzwischen ist es zu einem Selbstläufer geworden – die Senioren führen es ehrenamtlich in Eigenregie weiter. Themen auswählen, Interviews führen, Kommentare schreiben, Beiträge moderieren, Musik aussuchen, Studioarbeit. &bdquo;Das sind jetzt echte Profis", sagt Weißer anerkennend. An jedem ersten Montag im Monat treffen sich die Radio-Senioren im AWO-Begegnungszentrum in der Böhmerstraße zur Redaktionssitzung. Reihum werden dann die vorformulierten Texte vorgetragen. Ingeborg Stubenrauch (84) aus Gütersloh hat humorig über ein Picknick im Sonnenuntergang auf Helgoland geschrieben, dass sie mit ihrer Freundin Eleonore – &bdquo;Lorchen" erlebt hat. Stichpunkte für seine Moderation Reinhild Orb aus Marienfeld hat in Textform gebracht, was sie beim Mittagessen mit ihren Enkelkindern Tomke und Phillip erlebt, der Gütersloher Horst Peterburs hat zum 100. Geburtstag der AWO gedichtet, die Hallerin Jutta Fröhling berichtet von ihrem Konzertbesuch im legendären Starclub in Hamburg, in dem auch die Beatles auftraten. &bdquo;Du bist doch gebürtige Hamburgerin – vielleicht solltest Du beim Lesen noch mehr über den spitzen Stein stolpern", rät Ulrike Ksol nach dem Vortrag von Jutta Fröhling. &bdquo;Da fällt die Auswahl der Musik ja ganz leicht", meint Günther Ksol. &bdquo;Entweder ,Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, oder was von den Beatles." Kalle Möller (69), macht sich derweil schon zu jedem Beitrag Stichpunkte für seine Moderation. Seit 2005 gehört er zu den Radiomachern – er legt auch die Reihenfolge der Beiträge fest. &bdquo;Vor meinem Text darfst Du nicht zuviel verraten", gibt Ulrike Ksol ihm mit auf dem Weg. Die 65-Jährige beschreibt in ihrem Beitrag, wie sie sich als Stadtführerin in Halle in die Schriftstellerin Margarethe Windthorst verwandelt. "Geh mal noch ein bisschen näher ans Mikro" Jetzt geht Birgit Reichelt aus Quelle in die Sprecherkabine – ihr Text handelt von der Aktion Bienen-Buffet der Spexarder Bauernfamilie Wulfhorst. &bdquo;Geh mal noch ein bisschen näher ans Mikro!", ruft Günther Ksol ihr in die Sprecherkabine. Und dann liest sie gleich noch einen zweiten Beitrag, der ist für die Sendung einen Monat später. &bdquo;Kalle hat gesagt, ich soll was zu 50 Jahre Woodstock machen", sagt sie. &bdquo;Endlich mal jemand, der auf mich hört", sagt der Moderator mit der tiefen Radiostimme schmunzelnd. &bdquo;Es ist eigentlich schade, dass wir gar nicht wissen, wie die Sendung bei den Menschen ankommt", meint Doris Weißer, die gerne Mails dazu unter d\.weisser\@awo-guetersloh\.debekommen würde. &bdquo;Schwägerin und Schwiegermutter sind meine Groupies" &bdquo;Wir würden uns über Feedback freuen", bestätigt Möller, der nur die Meinung seiner eigenen &bdquo;Radio-Fanclubs" kennt. &bdquo;Meine Schwägerin und meine Schwiegermutter verpassen keine Sendung, das sind meine Groupies", sagt er. &bdquo;Wir haben sogar Fans in den USA – meine Tochter lebt dort und trifft sich dort immer zum Radiohören mit Freunden", erzählt die Gütersloherin Hildegard Engels (82). Sie ist erst seit zwei Jahren bei der Radiotruppe. &bdquo;Unser jüngstes Mitglied", meint Doris Weißer augenzwinkernd. Engels ist für die Entspannung im Radioprogramm zuständig – Ihre Texte handeln von Achtsamkeit. Es ist eine bunte Mischung von Beiträgen, die Günther Ksol und Bernd Schneider an diesem Vormittag als Dateien abspeichern. Bis zum Ende des nächsten Monats wird daraus eine komplette Radiosendung – von Senioren nicht nur für Senioren. Hört, hört! Wer die Beiträge zum Sendetermin am letzten Samstag im Monat um 19.04 Uhr bei Radio Gütersloh (95,9 MHz, 107,5 MHz oder 106,8 MHz) verpasst, findet sie auch in der Mediathek unter www.nrwision.de

Meistgelesen