Die Hermannslauf-Siegerin am Tag danach: „Jetzt geht echt überhaupt nichts mehr"

Gütersloh. Als Debütantin ging Michelle Rannacher am Sonntag am Hermannsdenkmal an den Start, 31,1 Kilometer später lief sie an der Bielefelder Sparrenburg in den Siegerkranz. Mit 2:02:41 Stunden erreichte die 25-jährige Gütersloherin eine herausragende Zeit. Am Morgen danach ging die Diplom-Ingenieurin schon wieder im elterlichen Gartenbaubetrieb ihrer Arbeit nach. Hier beantwortete die Läuferin der DJK Gütersloh unserem Redakteur Wolfgang Temme einige Fragen rund um ihren großen Triumph. Frau Rannacher, wie fühlen sich die Beine an am Tag danach? MICHELLE RANNACHER: Denen geht es echt schlecht. Im Internet kursiert ein Video, das zeigt, wie schwer ich schon am Sonntag die Treppe zur Siegerehrung hochkomme. Jetzt geht echt überhaupt nichts mehr – aber es muss ja auch nichts mehr gehen. Was war mental schwieriger: Der Lauf selbst oder die Zeit vorher mit der immer stärker aufkommenden Favoritenrolle? RANNACHER: Im Gegensatz zu den Wochen vorher war der Lauf ein Klacks. In den Medien wurde Franzi Bossow favorisiert, mich hat man zum Glück etwas außen vorgelassen. Aber als ich am Samstag zur Startnummernausgabe kam, haben mich viele angesprochen und gesagt: Du gewinnst das doch wohl. Das war einerseits ermutigend, aber andererseits auch belastend. Ich habe nämlich nicht so fest mit dem Sieg gerechnet. Zwar wusste ich nach Venlo, was ich im Halbmarathon kann, aber der Hermann ist noch mal zehn Kilometer länger. Ich kannte die Strecke nicht, ich wusste nicht, wie hart es wird, und ich konnte die Konkurrentinnen nicht genau einschätzen. Insgesamt war der Druck von außen aber gar nicht so schlimm. Vielmehr wollte ich selber unbedingt gut laufen und war mir doch total unsicher – das kannte ich von mir nicht. Mal ganz ehrlich: Hat Ihr Trainer Hansi Böhme Ihnen den Start beim Hermann erlaubt oder haben sie ihn gar nicht gefragt? RANNACHER: Ich habe ihm irgendwann gesagt, dass ich gerne laufen würde. Ich wusste ja, dass er nicht der größte Fan des Hermannslaufes ist und ihn nicht für das Non-Plus-Ultra hält. Er hat dann gesagt: Na gut, du kannst ihn laufen, aber du läufst ihn verhalten. Nachdem es dann aber Ende März in Venlo so gut gelaufen war (Anm. d. Red.: Kreisrekord in 1:17:44 Stunden), war auch Hansi Feuer und Flamme für den Hermann. Er hat mich in den Teuto geschickt und mir extra Trainingspläne geschrieben. Ich habe ihm viel zu verdanken. Am Sonntag ist er mit dem Auto zu verschiedenen Punkten gefahren und hat mich unterstützt. Welchen Anteil hat Ingmar Lundström am Erfolg? RANNACHER: Ich habe die Sonntagseinheiten in seiner Vorbereitungsgruppe absolviert, aber insgesamt nach den Plänen von Hansi trainiert. Der Plan war ja auf Venlo ausgerichtet – der Hermann sollte gewissermaßen nur hinterhergeschoben werden. In den letzten Wochen habe ich mir aber noch mal ein paar Tipps von Ingmar zur Strecke und zur Rennstrategie geholt. Was macht den Hermannslauf aus? RANNACHER: Das A und O ist eine gute Renneinteilung. Anfangs dachte ich: Mensch, wie langsam laufen die denn? Aber das hat sich als richtig erwiesen. Ab dem Eisernen Anton musste ich ganz schön beißen. Haben Sie den einzigartigen Reiz des Hermannslaufes, den sie vorher nur aus Erzählungen oder als Zuschauerin kannten, auch als Teilnehmerin gespürt? RANNACHER: Es war schade, dass ich vom Ende nicht mehr viel von der Stimmung mitbekommen habe, weil ich total im Tunnel war. Es hat deswegen auch etwas gedauert, bis ich das alles realisiert habe. Ich glaube, das Besondere am Hermann ist, dass es ein Lauf ist, bei dem alles passieren kann. Ich bin sehr froh, dass bei meinem Debüt alles gepasst hat. Bekanntlich gibt es beim Hermannslauf keine Siegprämien. Stört es Sie, dass man mit dem Laufen kein Geld verdienen kann? RANNACHER: Nein, das stört mich nicht. Der Hermann ist zwar ein großes Ding, aber er lebt davon, dass hier keine Antrittsgelder und Prämien gezahlt werden. Hier geht es um Ruhm und Ehre, und das verleiht einem Sieg noch mehr Bedeutung. Ganz allgemein finde ich es aber schade, dass Profiläufer mit dem, was sie verdienen, oft gerade so über die Runden kommen, während Profifußballer im Geld baden. Das ist ungerecht, betrifft aber andere Sportarten auch. Welche Ziele haben Sie noch im Jahr 2019? RANNACHER: Gar nichts mehr, ich bin wirklich durch. Ich hatte meine zwei hohen Ziele, Venlo und den Hermannslauf, und die habe ich erreicht. Ganz vielleicht nehme ich mir für den Herbst noch mal etwas vor. Außerdem habe ich in diesem und im nächsten Jahr auch privat noch einige Dinge vor. Die Titelverteidigung am 1. Mai beim Spexarder Volkslauf ist also kein Thema? RANNACHER: Ich werde am Mittwoch definitiv nicht in der Lage sein, dort zu laufen. Der Muskelkater ist heute stark, wird aber erfahrungsgemäß am zweiten Tag noch stärker. Vielleicht komme ich zum zuschauen.

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