Gütersloher Stadtbibliothek findet doch neuen Pächter fürs Lesecafé

Gütersloh. Das Kapitel schien schon zugeklappt. Monatelang hatte Silke Niermann nach einem neuen Pächter für das Lesecafé gesucht, war schon frustriert und drauf und dran, alle Hoffnung fahren zu lassen, da meldete sich plötzlich ein gewisser Lorans Maroki. Er sei an dem Job interessiert, berichtete er. Wenige Gespräche später stellte die Leiterin der Stadtbibliothek den 34-Jährigen als neuen Café-Betreiber vor. Anfang März nimmt Maroki den Betrieb auf. Mit Marmorkuchen und einem Streuselkuchen, den er mit einer Schicht Feigenmarmelade durchzogen hatte, deutete er gestern schon mal an, dass er weiß, wie ein Backofen funktioniert. Wenn es in rund zwei Wochen losgeht, wird er auch Mittagsgerichte zubereiten: Tabulés beispielsweise oder Linsensuppe, Gerichte aus der syrischen Heimat seiner Eltern. Auch Salate will er anbieten, Säfte und Smoothies. Mit Maroki endet eine Vakanz, die die Bibliothek nur ungern ertragen mochte. Vor 35 Jahren, mit Eröffnung des neuen Hauses an der Blessenstätte, setze eine Gastronomie mitten in einer Bücherei bundesweit einen neuen Standard, und nun sollte ausgerechnet die Pioniereinrichtung ohne ein solches Angebot auskommen müssen Bei 210.000 Besuchern pro Jahr und einigen Abendveranstaltungen? Masterstudium in International Business absolviert &bdquo;Wir sind glücklich, mit Herrn Maroki einen neuen Betreiber gefunden zu haben", sagte Niermann. Ein Lesecafé sei elementar für eine Bibliothek: Es schaffe Atmosphäre, ziehe Besucher an, bereichere das Angebot und helfe, Veranstaltungen zu versorgen. In den vergangenen Wochen, seit dem Rückzug der ehemaligen Pächterin Ende September, habe man reichlich improvisieren müssen, kein wünschenswerter Zustand auf Dauer. Marokis Eltern zogen nach Deutschland, als er zwei Jahre alt war. In Blankenhagen aufgewachsen, besuchte er dort die Grundschule, später die Anne-Frank-Gesamtschule, um schließlich, nach dem Fachabitur beim Carl-Miele-Berufskolleg, &bdquo;International Business" zu studieren. Seinen Bachelor machte er in Bielefeld, seinen Master in Bochum. Das Kochen lernte er zuhause bei Muttern und bei seinen Reisen durch die Welt. Schon mit drei, vier Jahren habe er in der Küche mithelfen dürfen, mit nach und nach steigenden Befugnissen. Als er dann, während und nach seinem Studium, durch die USA reiste, auf Jamaika lebte, ein knappes Jahr in Südamerika verbrachte, neun Monate in Australien &bdquo;Work and travel" machte und danach wieder lange Zeit in Argentinien verbrachte, lernte er Gastronomie. Kellnern, kochen, er habe alles gemacht. &bdquo;Ich mag die verschiedenen Gerüche, und ich experimentiere gerne ein bisschen." In Gütersloh werde er leichte, mediterrane Kost anbieten, mit einem Anflug von Exotik. Das sei seiner Heimat und seinen Rezepterfahrungen geschuldet. Das Lesecafé, kündigte er an, will er durchgehend zu den Öffnungszeiten betreiben: Montags bis freitags von 10 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 15 Uhr. Dass er damit inklusive Kochen, Backen und Organisieren/Aufräumen allemal auf eine 60-Stunden-Woche Preise liegen deutlich unter denen der Konkurrenz kommt, nimmt er in Kauf. &bdquo;Ich habe da Lust drauf." Aushilfen wolle er erst mal nicht beschäftigen, das sei ihm zu riskant. &bdquo;Ich muss abwarten, wie es läuft." Fester Vorsatz sei es, auch draußen vor dem Haupteingang Stühle aufzustellen. Mit der Stadt habe er darüber bereits gesprochen, die werde ihm keine Steine in den Weg legen. Auf den ins Auge gefassten 40 Quadratmeter passten circa zehn Tische. Draußen wie drinnen werde er Preise verlangen, die jene der gastronomischen Konkurrenz unterbieten. Eine Tasse Kaffee soll 90 Cent kosten; kommt ein Stück Kuchen dabei, liegt der Gast bei 2,50 Euro. Die vorherige Pächterin hatte bei ihrem Abschied gesagt, der Bibliotheksgast erwarte billige Preise – Preise, zu denen sie leider nicht mehr rentabel arbeiten könne. Maroki will dennoch sein Glück versuchen. Auf zwei Jahre ist sein Pachtvertrag zunächst befristet. Nachdem er im November 2016 wieder nach Gütersloh zurückgekehrt war, sich eine Weile als Außendienstler für eine Firma für Nahrungsergänzungsmittel durchschlug, hatte sich der 34-Jährige zuletzt arbeitslos gemeldet. Von der Vakanz in der Bibliothek hatte er gelesen – und sich erinnert, dass er sich gerne dort aufgehalten hatte, zunächst als Schüler, später als Student. &bdquo;Meine Bachelor- und meine Masterarbeit habe ich zum Teil hier im Lesecafé geschrieben", erzählte er. Kein Wunder, dass ihn Silke Niermann als &bdquo;idealen Pächter" beschrieb.

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