
Gütersloh. Für den Reiterhof am Blankenhagener Weg 310 hat sich ein Käufer gefunden. Bei der Zwangsversteigerung am Amtsgericht gab Christian Miele, Mitinhaber der Herzebrocker Firma Tennis-Point, das höchste Gebot ab. Der 43-jährige Unternehmer hatte 905.000 Euro geboten. Da der bisherigen Eigentümerin W. eine Nähe zur Szene der Reichsbürger nachgesagt wird, war die Versteigerung von einem hohen Sicherheitsaufgebot begleitet.
DER KÄUFER
Christian Miele sagte, er wolle das Anwesen für private Zwecke nutzen. Nicht verwandt mit der Gütersloher Unternehmerfamilie, hat der Oelder in den vergangenen Jahren an einer bemerkenswerten Firmengeschichte mitgeschrieben. Tennis-Point hat sich seit der Gründung als kleiner Tennisladen 1999 in Münster zum europäischen Marktführer im Online-Handel rund um den weißen Sport entwickelt.
Am Hauptsitz an der Hans-Böckler-Straße im Herzebrocker Gewerbegebiet sind rund 150 Mitarbeiter beschäftigt, nimmt man die übers Bundesgebiet verteilten Filialen hinzu, sind es gar 250. Als Umsatzziel hatte Tennis-Point für dieses Jahr die Größe von mehr als 80 Millionen Euro ausgegeben. Seit 2017 darf das Unternehmen auch offizieller Partner des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) auftreten. Übrigens: Neben Christian Miele und oft im Gespräch mit ihm saß Volker Bessmann, Textilunternehmer aus Marienfeld.
DIE MITBIETER
Miele setzte sich in einem engen Bieterwettbewerb gegen Regine Felsmann-Kraak durch, Inhaberin der Bielefelder Gebäudereinigungsfirma Felsmann (circa 100 Beschäftigte). Die 54-Jährige war bei 891.000 Euro ausgestiegen; sie sagte hinterher, sie hätte das weite, rund 56.000 Quadratmeter große Gelände am Blankenhagener Weg gerne für ihre rund 30 Islandpferde genutzt. „Das wäre perfekt gewesen." Bis vor wenigen Jahren betrieb Felsmann-Kraak mit ihrem Ehemann den Odinshof in Werther, seither grasen ihre Pferde auf einem Gehöft in Riemsloh bei Melle.
Auch Karl-Otto Reker als Rechtsvertreter der Kreissparkasse Wiedenbrück hatte bis zuletzt mitgesteigert; erst nach einer Unterbrechung und einem von ihm beantragten Vier-Augen-Gespräch mit Miele auf dem Gerichtsflur hielt er sich zurück. Die Kreissparkasse war es, die die Zwangsversteigerung betrieben hatte; sie zählt zum Kreis derjenigen, die Forderungen gegen die Eigentümerin angemeldet hatten. Allein ihre Forderungen belaufen sich auf 1,573 Millionen Euro.
DIE SICHERHEIT
Zur Zwangsversteigerung hatte das Amtsgericht seine Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt. Zehn Wachtmeister – doppelt so viele wie üblich – und fünf Polizisten achteten darauf, dass die Versteigerung geordnet ablief. Silke Bergstermann, stellvertretende Gerichtsdirektorin: „Wir betreiben diesen Aufwand, wenn wir glauben, dass solche erhöhten Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind."
Schon am Eingang standen mehrere Polizisten hinter der Sicherheits- und Kontrollschleuse. Ein zweite Schleuse samt Metalldetektor war auf dem Flur der ersten Etage vor dem Saal 105 aufgebaut. Diese mobile Schleuse war laut Bergstermann eigens angefordert worden. Wer sie durchschritt, wurde, falls für angebracht erachtet, von Justizbeamten nach gefährlichen Gegenständen abgetastet. Auch im Saal selbst wachten drei Beamte darüber, dass alles ruhig blieb.
DIE REICHSBÜRGER
Auch wenn es keiner aussprach: Die Sicherheitsvorkehrungen sollten Szenen verhindern, wie sich vor einigen Jahren bei einer Zwangsversteigerung am Amtsgericht Bielefeld abgespielt hatten. Damals verlief der Termin vergleichsweise unruhig, ein dort entstandenes Video soll später als eine Art Propagandafilm der Reichsbürger-Szene im Internet zu sehen gewesen sein.
Der Aufwand gestern wurde damit begründet, dass W., Eigentümerin des Reiterhofes, der Reichsbürgerbewegung nahestehen soll. Sie soll liiert sein mit einem Unternehmer, der den Reichsbürgern zugerechnet wird. Aus diesem Grunde hatte eine Insolvenzrechtlerin vor zehn Tagen den Reiterhof am Blankenhagener Weg 310 auch nur unter Polizeischutz betreten wollen. Mindestens acht Polizisten hatten ihr den Zutritt gesichert, damit sie sich einen Überblick über die Immobilie und über Unterlagen verschaffen konnte.
Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an, sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Bund und Länder gehen von rund 18.000 Menschen aus, die dieser Szene zuzurechnen seien.
DAS ANWESEN
Einst als Hof Ueckmann bezeichnet und zwischen Postdamm und Blankenhagener Weg gelegen, zählt das Gehöft zu den ältesten Güterslohs. Das Haupthaus aus 1733 steht unter Denkmalschutz, ferner gehören ein Gästehaus, Pferdeställe, Unterstände und Carports zu dem 56.000 Quadratmeter großen Anwesen, das einigen Güterslohern noch als Rennbahn für Windhunde bekannt sein dürfte; bis 1998 hatte ein Verein dort Rennen mit Greyhounds ausgetragen. Zum Versteigerungspaket gehörte auch eine circa 3.500 große Liegenschaft am Großen Kamp, ebenfalls im Besitz von W. – die Kreissparkasse hatte beantragt, die Grundstücke nur gemeinsam zu versteigern. Als Verkehrswert waren 1,34 Millionen Euro angesetzt.
DAS VERFAHREN
2016 war die Insolvenz über das Vermögen von W. angemeldet worden. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück schon mit Grundschulden von mehr als einer Million Euro sowie Zwangssicherungshypotheken in teils sechsstelliger Höhe belastet. Im Frühjahr 2018 erfolgte die Beschlagnahme durch das Land NRW, seit 28. August ist diese wirksam. Zur Zwangsversteigerung hatten eine Reihe von Beteiligten Forderungen angemeldet: Die Gemeinde Langenberg, das Finanzamt Wiedenbrück, die Kreissparkasse Wiedenbrück, die Stadtkasse Gütersloh sowie eine Firma und Personen, die als reichsbürgernah gelten. Auch W. selbst hatte sich als Gläubigerin gemeldet.
DER ZUSCHLAG
Er wird erst am 18. Oktober erteilt. Gestern war das nicht möglich, da laut der Rechtspflegerin des Gerichtes erstens ein Vollstreckungsschutzantrag gestellt worden sei und zweitens ein Befangenheitsantrag gegen sie und ihre Kollegin vorliege.
DIE STIMMEN
Karl-Otto Reker, Rechtsanwalt der Kreissparkasse, sagte, er habe zwei bis drei Fälle solcher Kategorie pro Jahr auf dem Tisch. Mitunter habe er den Eindruck, dass sich Menschen nur deswegen der Reichsbürgerszene anschlössen, weil sie diese Form der Totalverweigerung gegenüber Behörden als letzte Chance, als Strohhalm begriffen. „Nach dem Motto: Wenn sonst nichts hilft, dann das. Mit inhaltlichen Überzeugungen hat das oft gar nichts zu tun."
Insolvenzrechtlerin Sinja Schlotter vom Bielefelder Anwaltsbüro Andreas Pantlen beklagte die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Beteiligten in solchen Fällen. Verfahren würden dadurch schwierig. Bei totaler Blockade helfe selbst die Androhung von Zwang oft nicht weiter. Im Gegenteil werde meistens mit Gegendrohungen reagiert.