Kreis Gütersloh. Ein Zeppelin vom Bodensee flog am Mittwoch um die Mittagszeit an der südlichen Stadtgrenze von Gütersloh entlang. Initiator der Flüge ist die ZF Friedrichshafen AG. Der Industriekonzern mit Hauptsitz am Bodensee ist einer der größten Automobilzulieferer der Welt und war auf der IAA-Messe in Hannover vertreten. Deshalb bekam der gecharterte Zeppelin NT eine Sonderbemalung auf seiner Außenhülle.
Das fast 80 Meter lange Luftschiff war am Morgen in Hildesheim gestartet und ist auf dem Weg nach Bonn-Hangelar. Dort bleibt es drei Tage lang stationiert und bietet Rundflüge für zahlende Gäste an. Aus Nordosten kommend war das Luftschiff zuerst über Sürenheide und Spexard zu entdecken. Dann ging es über die Siedlung Determeyer parallel zur A 2 weiter in Richtung Südwesten.
Auffällige Beklebung, aber total leise
Der Zeppelin NT mit der auffälligen Beklebung ist nicht nur unübersehbar, sondern auch überall gern gesehen, weil er sehr leise ist. Sein Namensgeber, Ferdinand Graf von Zeppelin, entwickelte die Giganten am Himmel gegen starke Widerstände und massive Rückschläge am Bodensee. 1917 starb der Luftfahrt-Pionier, der als Erfinder des Starr-Luftschiffs mit einem festem Innenskelett aus Aluminium gilt.
Die nach seinem Tod entwickelten Luftschiffe erreichten in ihrer Blütezeit riesige Ausmaße: Die beiden Größten, der 1936 in Dienst gestellte LZ 129 „Hindenburg" und sein Schwesterschiff LZ 130 „Graf Zeppelin II", hatten eine Länge von fast 245 Metern und einen Gasinhalt von etwa 190.000 Kubikmetern. Der LZ 129 begann vor 80 Jahren seine Erprobung mit dem Erstflug, der von Friedrichshafen nach Meersburg und zurück führte.
Schlafkabinen für bis zu 72 Gäste
Er bot damals unvergleichlichen Komfort an Bord. Ein luxuriöses zweigeschossiges Passagierdeck mit Schlafkabinen für bis zu 72 Gäste und einem eigens aus Aluminium konstruierten Klavier zur musikalischen Unterhaltung, mehrere Mannschaftsquartiere für bis zu 60 Crewmitglieder, moderne Motoren sowie das hochstabile Innenskelett machten die Hindenburg zu einem Meisterwerk der Ingenieurskunst.
Die „Hindenburg" transportierte auf 63 Reisen, darunter acht Flügen nach Süd- und elf nach Nordamerika, mehr als 3.000 zahlende Passagiere und insgesamt mehr als 7.000 Personen. Das tragische Ende des fliegenden Riesen am 6. Mai 1937 im US-amerikanischen Lakehurst bei New York ist bis heute unvergessen. Kurz vor der geplanten Landung schießen urplötzlich Flammen aus dem Heck des Luftschiffs.
13 Passagiere und 22 Crew-Mitglieder sterben
Es fängt an zu brennen und stürzt ab. 13 Passagiere, 22 Mitglieder der Crew und ein Mann des Bodenpersonals sterben, Dutzende weitere an Bord überleben wie durch ein Wunder. Damals ist die „Hindenburg" mit dem preiswerten, aber feuerentzündlichen Gas Wasserstoff gefüllt, weil die Amerikaner als Exklusivlieferant die Ausfuhr von Helium untersagten. Heute fliegen alle Zeppeline NT mit dem unbrennbarem Helium.
Durch das Unglück von Lakehurst kommt die Verkehrsluftfahrt mit Luftschiffen komplett zum Erliegen. Zudem sind die Flugzeuge Ende der 1930erjahre deutlich schneller und ebenfalls fähig, den Atlantik nonstop zu überqueren. Gut 60 Jahre nach dem Unglück gibt es aber erneut einen echten Zeppelin am Himmel über dem Bodensee zu sehen. Im Herbst 1997 begann der erste Zeppelin NT seine Flugerprobung.
Wie wird man eigentlich Zeppelinpilot?
Wie aber wird man Zeppelinpilot? Neben fliegerischem Können gehört auch ein bisschen Glück dazu, einen Zeppelin NT fliegen zu dürfen. Denn diese Gruppe ist sehr klein: So gibt es deutlich mehr Astronauten wie Zeppelinpiloten. Und man muss selbst als erfahrener Berufspilot auf Flugzeugen oder Helikoptern ziemlich umlernen, um einen Zeppelin zu steuern. Schließlich ist er länger als ein Airbus 340 und bietet dem Wind entsprechend viel Angriffsfläche. Fünf Männer und eine Frau steuern derzeit im Wechsel entweder den in Friedrichshafen stationierten Zeppelin NT oder das Schwesterschiff, das über Gütersloh flog.
Bis zu 24 ununterbrochen in der Luft
Mittlerweile gibt es sogar eine kleine Renaissance für die Zeppeline aus Friedrichshafen. Drei von ihnen fliegen bereits in den USA als Werbeträger für den Reifenkonzern Goodyear. Mit etwa 70 Kilometern in der Stunde Geschwindigkeit ist ein Zeppelin innerhalb der Aviatik zwar so etwas wie ein fliegendes Mofa, dafür kann er aber bis zu 24 Stunden ununterbrochen in der Luft bleiben.
Im Süden von Gütersloh gab es am Mittwochmittag jedenfalls die seltene Gelegenheit, die fliegende Zigarre vom Bodensee am Himmel ausgiebig zu bestaunen.