Warum in vielen Gastrobetrieben Personalnot herrscht

Gütersloh. Nur anderthalb Jahre nach dem Pächterwechsel im einstigen "Mam's" zeichnet sich eine erneute Schlüsselübergabe in dem urigen Ausflugslokal an der Münsterlandstraße in Hollen ab. Der aktuelle Pächter lässt seinen bis Ende dieses Jahres abgeschlossenen Vertrag auslaufen. Nicht dass die Geschäfte im früheren "Mam's", das seit März vorigen Jahres als "Taylor's" firmiert, schlecht liefen. Laut Eigentümer Wolfgang Eickhoff ist es vor allem die chronische Personalnot, die den Betreiber zur Aufgabe zwingt. "Einen Koch zu finden, ist schon länger kaum möglich." Nolens volens steht der Betreiber, der sich gegenüber der NW nicht äußern möchte, deshalb schon seit Monaten selbst am Herd. Wohlgemerkt: Der Mann ist 76. Bei der Übernahme des Traditionslokals hatte er eigentlich vorgehabt, entspannt an der Theke zu stehen, Bier zu zapfen und mit den Gästen zu plaudern. Es kam anders. Erst ging der eine Koch, dann der nächste und dann gab es keinen Ersatz mehr. Er wolle sich in seinem Alter nicht mehr ständig den hohen Belastungen aussetzen. "Kann man doch verstehen", sagt der Eigentümer, der nun auf einem Immobilienportal im Internet einen Nachfolger für den "Gastronomiebetrieb in einem charmanten, denkmalgeschützten Gebäude" (Inserat) sucht. Der neue Mieter dürfe die Ausstattung übernehmen, von der Bestuhlung, über die Zapfanlage bis zur Küche samt Pizzaofen. Der Fußboden sei erst voriges Jahr erneuert worden, Gleiches gelte für den Biergarten unter hohen schattigen Bäumen. Bei der Zufriedenheit stets auf den hinteren Rängen Eigentlich beste Voraussetzungen, zumal es auch an Stammgästen sowie durstigen und hungrigen pausierenden Radlern nicht fehlt. Wenn nur die Personalprobleme nicht wären. Sie gaben schon mit den Ausschlag dafür, dass sich der frühere Eigentümer Michael Holz nach vierjährigem Gastspiel 2016 vom "Mam's"-Nachfolger "froh &munter" trennte. Holz, der auch die Innenstadtkneipe "Fasan" und das beliebte "Conkurens" an der Verler Straße führt, musste wegen fehlender Mitarbeiter erheblich öfter selbst in die Bresche springen, als ihm lieb war. Für Armin Wiese von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kommen die Personalnöte der Branche keineswegs überraschend. Sie sind auch nicht neu, wie der jährlich erscheinende "DGB-Ausbildungsreport" zeigt, scheinen sich jedoch zu verschärfen. Schon traditionell lande das Gastgewerbe neben dem Lebensmittelhandwerk bei Umfragen unter Auszubildenden hinsichtlich ihrer Arbeitszufriedenheit auf den unteren Rängen. Fast jeder zweite Azubi im Hotel- und Gastgewerbe breche seine Ausbildung vorzeitig ab, sagt Wiese. In anderen Branchen liege die Quote bei 10 Prozent. Für den Gewerkschafter hängt das im wesentlichen mit den schwierigen Arbeitsbedingungen zusammen. Die vielen Teildienste - erst morgens für einige Stunden arbeiten, dann nach einer mehrstündigen Unterbrechung abends wieder antreten - sorge für große Unzufriedenheit. Nicht zuletzt auch der raue Ton, der in manchen Restaurantküchen herrsche. Immerhin, so Wiese, habe sich bei der Bezahlung zuletzt einiges zum Besseren verändert. Auch in den unteren Lohngruppen werde inzwischen mehr als der Mindestlohn gezahlt. Der Mann von der NGG räumt freilich auch ein, dass die Auszubildenden nicht selten wegen fehlender theoretischer Kompetenzen scheitern. Sie fallen durch die Prüfung oder geben vorher auf. Aber auch ein Koch müsse nun mal rechnen können. Arbeitsbedingungen laut Kerkhoff nicht Hauptgrund für Misere Es sei überfällig, das Image der Berufe im Hotel- und Gastgewerbe aufzupolieren und das geforderte Niveau deutlicher zu machen, sagt der Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Andreas Kerkhoff (Hotel Appelbaum). Der Spruch "Wer nichts wird, wird Wirt", gelte in der Realität schon lange nicht mehr, dennoch werde in der Öffentlichkeit so getan, dass es dafür am Ende immer noch reiche. Die Arbeitsbedingungen hält Kerkhoff nicht für den Hauptgrund der Personalmisere. Viele entschieden sich bewusst für einen Beruf mit Arbeit am Wochenende, weil sie dann unter der Woche ins nicht überfüllte Freibad gehen können oder zum Arzt, ohne Urlaub nehmen zu müssen. Das mit dem Umgangston kann Kerkhoff nur zum Teil bestätigen: "Früher war der Ton schon sehr, sehr rau", erinnert sich der Gastronom an seine eigene Lehrzeit. Aber das habe sich geändert. In Stresssituationen falle zwar nach wie vor mal die eine oder andere scharfe Bemerkung. Aber hinterher könnten alle noch gemeinsam ein Gläschen Bier miteinander trinken. Kerkhoff räumt aber zugleich Verbesserungsbedarf seitens der Gastronomiebetriebe ein. Seiner Erfahrung nach spielt der Faktor Freizeit für die Beschäftigten eine größere Rolle als die Bezahlung. Daher sei schon viel gewonnen, wenn die Mitarbeiter geregelt die ihnen zustehenden freien Tage auch verlässlich bekämen und nur noch in Ausnahmefällen sechs Tage hintereinander arbeiten müssten. "Darauf müssen die Betreiber daher noch mehr achten."

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