Verhaltenskodex für Schlachtfirmen bei osteuropäischen Arbeitern

Gütersloh. Die Lebenssituation der rumänischen Werkvertragsarbeiter ist in den Fokus der Gütersloher Politik gerückt. Weil die Integrationskosten durch den anhaltenden Zuzug steigen, die Wohnraumsituation schwierig ist und bisweilen mit Mietwucher einher geht, und der Unmut der Bevölkerung zu spüren ist, sollen kommunale Lösungen her. Auf Antrag der SPD wird sich der Sozialausschuss am 29. Mai mit dem Thema beschäftigen und darüber beraten, ob die Gründung eines "Runden Tisches" veranlasst werden soll. Platz nehmen sollen Politik, Unternehmer, Institutionen und Verbände, die binnen eines Jahres Ideen zur Verbesserung der Situation zusammentragen.Die Samtgemeinde Sögel im Kreis Vechta (Niedersachsen) kennt die Gütersloher Situation aus eigener Anschauung. Die Firma Weidemark (Tönnies) ist Niedersachsens größter Schweineschlachtbetrieb. Von den 8.500 Einwohnern in Sögel stammen 1.000 aus Osteuropa. Sie sind gekommen, um zu arbeiten und haben die Gemeinde förmlich überrollt. "Wir waren immer stolz auf unseren wirtschaftlichen Branchen-Mix", erklärt Sögels Bürgermeister Günter Wigbers (CDU), "niemand wollte von einem Branchenriesen dominiert werden." Aber der Schlachthof hat sich in rasantem Tempo entwickelt. "Es entstand eine Fehlsituation", analysiert Wigbers rückblickend. "Auch in Sögel gab es Vermieter, die versucht haben, die Situation auszunutzen." Wigbers spricht in der Vergangenheitsform. Vor fünf Jahren griff die Politik steuernd ein und ging das Problem offensiv an. Der Gemeinderat hat einstimmig einen Verhaltenskodex zur Beschäftigung von Werkvertragsarbeitern sowie eine Zertifizierungsrichtlinie zur Gestaltung der Wohnraumsituation auf den Weg gebracht. Die Subunternehmer des Schlachthofs unterzeichneten die Papiere. Auf diesen "Sögeler Weg" wird seither bundesweit mit viel Beachtung geblickt."Wir haben uns mit der Geschäftsführung von Weidemark und Konzernchef Clemens Tönnies persönlich an einen Tisch gesetzt", erinnert sich Bürgermeister Wigbers. "Hier wurde das Versprechen von Tönnies gegeben: wer sich an die Abmachungen nicht hält, ist kein Partner mehr von Tönnies." Wigbers weiß: "Dieses Versprechen war der Schlüssel des Erfolgs."Zunächst hatte Tönnies seinen Subunternehmen angeordnet, die Adressen der Unterkünfte für die osteuropäischen Arbeitnehmer an die Gemeindeverwaltung auszugeben. "Wir haben die Listen mit unserem Melderegister abgeglichen, denn es gibt immer mal schwarze Schafe", in Summe aber habe das gut geklappt und würde bis heute beibehalten. "Wir haben dadurch viele Missstände behoben", denn nach den vereinbarten Richtlinien müssen genau definierte Mindestvorgaben eingehalten werden. So müssen beispielsweise in jeder Wohnung mindestens zehn Quadratmeter Nutzfläche pro Bewohner vorhanden sein, sechs Quadratmeter Schlafraum in räumlich abgetrennter Einheit und vieles mehr. "Wir haben uns jede Wohnung angesehen", und nur von der Gemeinde zertifizierte Wohnungen durften noch von den Subunternehmen angemietet werden. "Es war das reinste Konjunkturprogramm für unsere Handwerksbetriebe", sagt Wigbers. "Es wurden unzählige Unterkünfte in Ordnung gebracht."Die Kontrolle reicht hingegen noch deutlich weiter: Mit Zustimmung der Arbeitnehmer können Lohnzettel und Arbeitszeiterfassung auf mögliche Missstände kontrolliert werden. "Hierüber haben wir sehr skurrile Abrechnungsmodelle kennengelernt", aber je mehr Kontrolle, umso weniger Betrug. Außerdem war es erklärtes Ziel der Gemeinde, eine neutrale Beratungsstelle einzurichten. "Wir machen als Gemeindeverwaltung die Abwasseruntersuchung und die Fleischkontrollen von Weidemark. Da können wir nicht mit dem Vertrauen der Werkvertragsarbeiter rechnen, wenn sie Probleme besprechen möchten", erklärt der hauptamtliche Bürgermeister. Die Kolpingberatungsstelle wurde als idealer Partner ausgeguckt. "Wir wollten 5 Euro pro Arbeitnehmer und Monat als Beteiligungskosten von den Subunternehmen. Macht 5.000 Euro pro Monat, mit denen wir zwei Halbtagsstellen finanzieren können." Die insgesamt sechs Werkvertragsunternehmen von Weidemark stimmten zu.Die allgemeinen Integrationskosten trägt die Gemeinde hingegen alleine. Der zweite Kindergarten in Sögel war gerade erst fertig gestellt, als der Bau für eine dritte Kita unabwendbar wurde. "Das hat uns schon überrascht, dass wir nun weitere fünf Gruppen benötigen." Die Erfahrung zeige, dass die Familie nachziehe und die rumänischen, bulgarischen und polnischen Mitmenschen in Sögel bleiben. Wigbers ist pragmatisch. "Familien lassen sich deutlich besser im Gemeindeleben integrieren als eine Wohngemeinschaft mit acht osteuropäischen Arbeitnehmern", und überhaupt habe man mit den Familien noch keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht."Wo Licht ist, ist auch Schatten" - Günter Wigbers will die Situation nicht beschönigen. Deshalb gibt es auch in Sögel einen Runden Tisch. Dreimal im Jahr sitzen die Subunternehmer, die Weidemark Geschäftsführung, das Ordnungsamt, die Polizei und das Kolpingbildungswerk zusammen, um Probleme zu besprechen. Wigbers: "Man muss halt dran bleiben."

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