Kreis Gütersloh

"Internetseiten verleiten Jugendliche zu Essstörungen"

Fachtagung "Dick, dünn, perfekt?" informiert über Konzepte zur Essstörungsbehandlung

Falsche Maßstäbe: Eine junge Frau misst ihren Bauchumfang. Durch schlechte Vorbilder und noch schlechtere Tipps auf einschlägigen Webseiten geraten viele junge Menschen mit Essstörungen in einen Teufelskreis. | © Themenfoto/dpa

09.11.2017 | 09.11.2017, 13:03
Die Referenten: Gleichstellungsbeauftragte Ellen Wendt, Dr. Moritz Noack, Doris Schlüter (Abteilung Gesundheit), Christine Disselkamp, Maike Czekala und Sarah Herrmann. - © Kreis Gütersloh
Die Referenten: Gleichstellungsbeauftragte Ellen Wendt, Dr. Moritz Noack, Doris Schlüter (Abteilung Gesundheit), Christine Disselkamp, Maike Czekala und Sarah Herrmann. | © Kreis Gütersloh

Kreis Gütersloh. Ein Blick am Morgen auf die Waage entscheidet, ob der Tag mit einem Lächeln oder mit Selbsthass beginnt. Denn die Zahlen sind Freund und Feind von Essgestörten zugleich. Mit diesem Beispiel erklärte Sarah Herrmann von jugendschutz.net bei der Fachveranstaltung "Dick, dünn, perfekt?! - Neue Herausforderungen im Bereich der Ess-Störungen" das Leid der Essgestörten. Die Fachveranstaltung, organisiert vom Netzwerk Ess-Störungen im Kreis Gütersloh, hat über die Auswirkung von sozialen Medien auf das körperliche Erscheinungsbild und das Essstörungsbehandlungskonzept der LWL-Universitätsklinik Hamm informiert.

Herrmann erklärte, dass die zunehmende Digitalisierung des Alltags und die Kommunikation durch soziale Medien auch die Verbreitung und Wahrnehmung von Essstörungen beeinflussen. Im Netz finden sich viele sogenannte "Pro Ana" und "Pro Mia Seiten". "Ana" ist die beschönigende Abkürzung von Anorexia nervosa, der Magersucht, während sich hinter "Mia" die Krankheit Bulimia nervosa, die Bulimie, verbirgt. Diese Seiten geben Anleitungen um abzunehmen, indem man hungert und geben Tipps und Tricks, damit man seine Essstörung geheim halten kann, so Herrmann.

Anonyme Tipps, wie man Essen vermeiden kann

"Wie soll man an Erkrankte herankommen, wenn einem anonym Tipps gegeben werden, wie man Essen vermeiden kann", fragte sich Christine Disselkamp, stellvertretende Landrätin, in ihrer Begrüßung und lobte die "sehr wichtige" Arbeit des Netzwerks, durch die "immer wieder informiert, sensibilisiert und Hilfe angeboten wird".



Das Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet, jugendschutz.net, versucht unter anderem genau solche Seiten aus dem Netz zu nehmen. "Heranwachsende können die Tragweite dieser Seiten nicht so einschätzen wie Erwachsene", sagte Herrmann. Anstelle der "Pro Ana/Mia"- Seite werde dann ein Platzhalter eingestellt, der versucht die Betroffenen in Richtung Therapie und Hilfe zu lenken, indem er Informationen und Links zu Beratungsstellen gibt.

Falle: Geschlossene WhatsApp-Gruppen

Schwierig werde es bei WhatsApp-Gruppen, erklärte Herrmann, denn die Gruppen seien geschlossen und somit sei die Kommunikation der Kontrolle entzogen. Daher kann derzeit nur gegen Aufrufe zur Gründung oder dem Eintritt solcher Gruppen vorgegangen werden. Wie und wo Erkrankte behandelt werden können, zeigten Maike Czekala, Ärztin im LWL Klinikum und Dr. Moritz Noack, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.

Czekala stellte die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Gütersloh vor. Dort werden mit 30 stationären Plätzen jede Art der Essstörung behandelt. Moritz Noack erklärte im Anschluss das Essstörungsbehandlungskonzept der LWL-Universitätsklinik Hamm und berichtete von seinen Erfahrungen in der Therapie mit Jugendlichen.

Information
Netzwerk Ess-Störungen
Im Juni 2010 wurde das Netzwerk Ess-Störungen im Kreis Gütersloh gegründet. Vertreten sind darin die Abteilung Gesundheit des Kreises, die Bürgerinformation Gesundheit und Selbsthilfekontaktstelle des Kreises Gütersloh (BIGS), die Caritas Sucht- und Drogenhilfe, die Frauenberatungsstelle und Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt Gütersloh, die Gleichstellungsstellen der Stadt und des Kreises und die pro familia Beratungsstelle Gütersloh.

Ziel der Kooperation ist es, die Transparenz über die Präventions- und Hilfsangebote zu verbessern und die Vernetzung zwischen den Einrichtungen zu fördern.