Gütersloh. "Ich habe schon auf dem Bolzplatz kommentiert", sagt Sportkommentator Marco Hagemann über sich selbst. Auf der Wiese in Schloß Holte begann seine Leidenschaft für den Fußball. In der NW-Serie „Unsere Promis" verrät der gebürtige Gütersloher, worauf es in seinem Job ankommt, welches Potenzial der Fußball in der Region hat und was er von Günther Jauch hält.
Herr Hagemann, Gütersloh ist ja nicht gerade eine Fußballstadt. Wieso wird ein gebürtiger Gütersloher ausgerechnet Fußballkommentator?
Marco Hagemann: Na ja, zu meiner Zeit war das noch anders (lacht). Der FC Gütersloh hat ja mal in der 2. Liga gespielt. Ansgar Brinkmann und Willi Landgraf fallen mir da ein. Da konnte ich Zweitliga-Luft im Heidewaldstadion schnuppern. Aber ich bin dann doch Sympathisant von Borussia Dortmund geworden.
Marco Hagemann ist am 15. November 1976 in Gütersloh geboren und in Schloß Holte aufgewachsen. Dort spielte er auch selbst im Verein Fußball und Tennis.
- Der Sportkommentator startete seine Karriere 2000 beim DSF, heute Sport1.
- Aktuell kommentiert er für RTL die WM-Qualifikationsspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft. Auf Eurosport moderiert er die Show "kicker.tv – Der Talk".
- Der bekennende Fan von Borussia Dortmund lebt in München.
Und dadurch war der Weg zum Kommentator vorgegeben?
Hagemann: Ich habe schon damals auf dem Bolzplatz mitkommentiert. Wobei mir das gar nicht in Erinnerung geblieben ist. Aber Bekannte erzählten mir später, dass ich den Spielern Namen damaliger Bundesliga-Profis gegeben habe. Das Kommentieren lag mir also schon früh.
Haben Sie den Niedergang des damaligen FC Gütersloh mitverfolgt?
Hagemann: Nicht wirklich. Mitbekommen habe ich das natürlich, aber nicht im Detail verfolgt. Es gab ja in der Ecke nicht nur den FC Gütersloh, sondern auch Arminia Bielefeld und den SC Paderborn.
Wo im Kreis Gütersloh ist Ihre Leidenschaft für Fußball entstanden?
Hagemann: Auf der heimischen Wiese in Schloß Holte, auf der ich schon früh mit Nachbarjungs, meinem Vater und meinem Cousin rumgekickt habe. Fußball war bei uns im Haus immer das große Thema. Als ich beim VfB Schloß Holte angefangen habe, wurde die Leidenschaft noch ausgeprägter. Beim TC Grün-Weiß habe ich Tennis gespielt, so konnte ich beide Leidenschaften vereinen.
Die heimische Wiese lag unweit des Sportplatzes an der Oerlinghauser Straße.
Hagemann: Ich bin ganz schlecht im Schätzen, aber das müssten 400 Meter Luftlinie gewesen sein. Auf dem Sportplatz haben wir uns auch oft getroffen. Da war ein Loch im Zaun, da sind wir durchgekrochen und haben da nach der Schule gekickt.
Was ist neben dem Fußball aus Ihrer Kindheit und Jugend im Kreis Gütersloh hängen geblieben?
Hagemann: Sehr viel. Die Grundschule Schloß Holte war auch schräg gegenüber meines Elternhauses, dann ging es irgendwann auf die Elbrachtschule nach Sende. Mein Gymnasium war in Verl. Da hatte ich den Kreis Gütersloh schon fast abgedeckt (lacht). Ich war immer unterwegs, wir sind viel geradelt.
Hat der Fußball in der Region Potenzial?
Hagemann: Das Potenzial ist da. In Ostwestfalen-Lippe gibt es viele Klubs, die schon in der Bundesliga gespielt haben. Mit Wiedenbrück und Verl sind zwei Teams aktuell in der Regionalliga West. Natürlich kann da noch was gehen, aber für diese kleinen Vereine ist es schwierig, den nächsten Schritt zu machen. Drumherum gibt es riesige Klubs, Dortmund, Schalke und Gladbach sind nicht weit weg. Dagegen kommt man auf lange Sicht nicht an.
Wie oft schauen Sie sich Fußball im Kreis Gütersloh an?
Hagemann: Selten. Ich komme da leider meistens nicht zu. Beim Aufstieg des VfB Schloß Holte in die Landesliga war ich aber mit dabei. Die Amateure sind unheimlich wichtig, die leben den Fußball. Bei mir in München schaue ich mir auch ab und zu Spiele von Amateurvereinen an. In die Heimat schaffe ich es leider zu selten.
Was ist das Wichtigste, wenn Sie es doch in die Heimat schaffen?
Hagemann: An erster Stelle steht die Familie. Danach kommen Freunde, die ich aus den vergangenen Jahren mit rüber retten konnte. Oder die mich rüber gerettet haben (lacht). Und mein Patenkind lebt in Schloß Holte. Die Familie ist ganz oben auf der Liste, da bleibt wenig Zeit für alles andere. Alle zu besuchen ist schwierig und gelingt nicht immer, aber so ist das leider.
Ihre zweite Leidenschaft ist das Tennis. Wie stehen Sie zur Gerry Weber Open in Halle?
Hagemann: Ich war damals beim ersten Turnier dort, 1991, damals noch auf Sand und ohne internationalen Status. Was daraus entstanden ist, ist unglaublich. Es hat optimale Bedinungen und ist ideal gelegen als Vorbereitung auf Wimbledon. Die Zuschauer finden das Turnier richtig gut. Auch wenn es im deutschen Herren-Tennis gerade Schwierigkeiten gibt, ist es toll, dass wir so ein top Turnier haben. Und dann auch noch im Kreis Gütersloh.
Würden Sie das Turnier gerne mal selbst kommentieren?
Hagemann: Ich würde es jedenfalls gerne mal wieder besuchen. Tennis kommentieren ist jetzt erst einmal vorbei. Dafür steht bei mir zu viel Fußball an, das würde kollidieren.
Sie sprachen schon an, dass Sie BVB-Fan sind. Haben Sie Kontakt zu den Profis?
Hagemann: Nein, zu den Profis gar nicht. Aber ich kenne aus den vielen Jahren natürlich einige Leute bei Borussia Dortmund, wie Stadionsprecher Norbert Dickel oder Nachwuchskoordinator Lars Ricken. Mit ihnen tausche ich mich ab und zu aus. Oder mit Jürgen Klopps Co-Trainer Peter Krawietz, der jetzt auch in Liverpool ist. Zu aktuellen Profis halte ich eine gewisse Distanz. Das entwickelt sich dann völlig überraschend immer nach der Karriere. Auch mit Steffen Freund oder Christoph Metzelder komme ich jetzt anders ins Gespräch.
Sie moderieren seit Kurzem das Talk-Format „kicker.tv" bei Eurosport. Könnten da bald mal Gäste aus dem Kreis Gütersloh zu Besuch kommen?
Hagemann: Das ist möglich, wir verschließen uns vor nichts. Ansgar Brinkmann etwa wäre vorstellbar als Gast; er ist ja im Kreis sehr bekannt, auch wenn er jetzt in Bielefeld wohnt. Nur das Thema muss passen. Wir haben auch die Amateurvereine immer im Blick. Wenn sich da ein Thema ergibt, das eine Stunde trägt, ist das absolut denkbar. Da habe ich Gott sei Dank auch immer die Möglichkeit zu gucken, ob jemand aus dem Kreis Gütersloh in Frage kommt.
Von 2004 bis 2014 arbeiteten Sie im Bezahlfernsehen, dann wechselten Sie zu RTL, wo Sie die Qualifkationsspiele der deutschen Nationalmannschaft kommentieren. Merken Sie einen Unterschied im Free-TV?
Hagemann: Überhaupt nicht. Ich habe in der Herangehensweise und der Vorbereitung nichts verändert. Ich mache mir keine Gedanken, ob ich im Bezahlfernsehen kommentiere oder im Free-TV. Es geht nicht um mich, sondern um das Fußballspiel, und das bleibt identisch. Meine Aufgabe ist es, das Spiel zu kommentieren, so gut wie es eben geht.
Machen Sie sich auch keine Gedanken, ob Ihr Publikum vielleicht ein anderes ist?
Hagemann: Auch das nicht. Mir ist es tatsächlich egal, ob einer zuguckt oder zehn Millionen. Und wer das dann ist, ist mir auch egal. Ich kommentiere ein Spiel so, wie ich es gerade empfinde. Dabei versuche ich, es möglichst einfach darzustellen. Häufig ist mir das zu verklausuliert.
Also spielt es für Sie keine Rolle, welches Senderlogo oben rechts auf dem Bildschirm zu sehen ist?
Hagemann: Doch, schon. Ich muss mich mit meinem Arbeitgeber identifizieren. Hinter allen Aufgaben, die ich derzeit umsetze, stehe ich voll und ganz. Ich identifiziere mich mit der Sportredaktion von RTL. Das war bei Sky genauso. Was da drumherum passiert ist, ist nicht meine Baustelle.
Wäre es vorstellbar für Sie, irgendwann bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zu landen?
Hagemann: Aktuell beschäftige ich mich damit gar nicht. Ich weiß zwar, dass die großen Turniere dort laufen. Aber der TV-Markt kann sich schnell ändern. Klar würde ich gerne ein WM- oder EM-Finale kommentieren. Das kann halt nur einer machen. Es gibt viele gute Kommentatoren, die dieses Ziel haben. Einige haben es bereits geschafft. Ich habe bei den Qualifikationsspielen oder der U19-EM in Deutschland genauso viel Spaß.
Kein Neid auf Tom Bartels, der das WM-Finale von Rio kommentiert hat?
Hagemann: Nein. Das Wort Neid kommt in meinem Leben nicht vor. Ich gönne dem Kollegen das. Das wird ihm immer in Erinnerung bleiben. So wie Angelique Kerbers Finale von Melbourne mir immer in Erinnerung bleiben wird.
Sind die Qualifikationsspiele berufliche Erfüllung oder doch eher ein Karrieresprungbrett?
Hagemann: Generell ist der Job eine Erfüllung für mich. Das hat mit den Qualifikationsspielen nichts zu tun. Natürlich war der Wechsel von Sky zu RTL ein Karrieresprung. Ich weiß schon, dass das eine größere öffentliche Wahrnehmung bedeutet. Es lief nicht so verkehrt für mich. Das versuche ich von mir fernzuhalten. Ich möchte nicht die wichtige Person sein. Das Wichtigste findet auf dem Platz statt.
Trotzdem wird in der Öffentlichkeit oft und kontrovers über Fußballkommentatoren diskutiert. Sie zählen dabei zu den beliebtesten.
Hagemann: Klar bekomme ich davon viel mit. Manchmal schüttele ich den Kopf, weil vieles total niveaulos und erschreckend ist, was einige gegenüber Kollegen absondern. Das ist Wahnsinn. Wenn ich so positiv bewertet werde, darf ich aber auch nicht meinen, dass ich der Hero bin. Ich versuche, da die Mitte zu finden.
Haben Sie Angst, dass Ihr Image irgendwann doch umschwenken könnte?
Hagemann: Davor habe ich überhaupt keine Angst. Vielleicht habe ich etwas Höhenangst, aber nicht davor, dass das mal umschwenken könnte. Mein Kollege Steffen Freund sagt, ich hätte Angst vor ihm. Das stimmt phasenweise (lacht). Im Ernst, man muss wissen, wessen Feedback entscheidend ist. Ich kann immer nur alles geben, mich möglichst perfekt vorbereiten und so sein, wie ich bin. Wenn ich diese Authentizität beibehalte, glaube ich nicht, dass sich das Bild von mir dramatisch verändert.
Dass Sie stark in der Öffentlichkeit stehen, blenden Sie also lieber aus?
Hagemann: Vor allem lasse ich gerne die Kirche im Dorf. Ob ich so stark in der Öffentlichkeit stehe, weiß ich nicht. Günther Jauch steht stark in der Öffentlichkeit, und Thomas Gottschalk.
Wobei Günther Jauch so ähnlich angefangen hat wie Sie.
Hagemann: (lacht) Ja, das ist auch ein großartiger Typ. Ich halte mich da dezent zurück.
Weiter geht die Serie „Unsere Promis" am kommenden Samstag mit der Pianistin Silke-Thora Matthies.
Geboren wurde Matthies 1960 in Gütersloh. Dort wuchs sie auch auf und erhielt Unterricht an der Musikschule und der Singschule. Sie studierte Klavier in Detmold und New York. Mit Christian Köhn bildet sie ein Klavier-Duo, das zahlreiche CDs einspielte und renommierte Preise gewann. Seit 1992 ist sie Professorin für Klavier an der Hochschule für Musik Würzburg. Von 2003 bis 2007 war sie dort Rektorin.