Gütersloh

Galaktischer Einschlag vor 165 Jahren bei Kattenstroth

"Geräusche wie Kanonendonner"

19.04.2016 | 19.04.2016, 08:00
Erkennungsmerkmal: Ein Meteor hinterlässt stets einen weißen Streifen, der seine Flugbahn deutlich nachzeichnet, wie hier 2013 über Tscheljabinsk in Russland. - © dpa
Erkennungsmerkmal: Ein Meteor hinterlässt stets einen weißen Streifen, der seine Flugbahn deutlich nachzeichnet, wie hier 2013 über Tscheljabinsk in Russland. | © dpa

Gütersloh. Fast auf den Tag genau vor 165 Jahre ereignete sich in Gütersloh ein astronomisches Spektakel. Ein Meteor schlug auf einem Wanderweg ein. Für die Zuschauer ein Glücksfall. Laut Experten ist es wahrscheinlicher, einen Sechser im Lotto zu tippen, als einen Meteoriten zu finden. Im Stadtarchiv schlummert die galaktische Geschichte - und die NW beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wann schlug der Meteorit in Gütersloh ein?

Es war der 17. April 1851, als Bauer Christian Depenbrock eine "außergewöhnlich helle Feuerkugel so groß wie der Mond" am Himmel bemerkte, heißt es in der Chronik der Stadt Gütersloh. Einen langen Streif hinter sich lassend flog der Feuerball von Osten nach Südwesten über Gütersloh - und zerstob in leuchtende Funken. Zwei Minuten später hörte Bauer Depenbrock Geräusche wie Kanonendonner. Zehn Minuten später folgte das Geräusch eines vom Himmel fallenden Körpers.

Wo wurde der Himmelskörper gefunden?

Information

Meteorit von Kattenstroth

  • Gewicht: 760 Gramm des einst schwereren Meteoriten liegen heute im Berliner Naturkundemuseum.
  • Größe: Circa 7,6 Zentimeter war der ursprüngliche Meteorit hoch.
  • Beschaffenheit: Der Meteorit besteht zu 99 Prozent aus Gestein und zu einem Prozent aus 4,6 Milliarden Jahre alter Materie.

Christian Depenbrock machte sich noch am selben Abend auf die Suche nach dem Objekt. Da er jedoch von der Lautstärke des Geräusches getäuscht war, suchte er nur im Umkreis von dreißig Schritt. Am nächsten Tag wurde im Abstand von 150 Schritt im heutigen Stadtteil Kattenstroth ein schwarzer Stein entdeckt. Er hatte sich vier Zentimeter tief in einen Wanderweg gebohrt, der "sich mit der Spitze eines Spazierstocks kaum einbohren ließ", heißt es in historischen Quellen. Ein weiterer Meteorit wurde ein Jahr später auf dem Kalberkamp gefunden, ist der Stadtchronik zu entnehmen. Heute steht an dieser Stelle die Eisenbahnbrücke über die Dalke.

Wie schwer waren die Meteoriten?

Der Meteorit, der nahe des Hofes von Bauer Depenbrock gefunden wurde, wog laut Friedrich Wilhelm Stohlmann, dem damaligen Leiter der Meteorologischen Station in Gütersloh, 910 Gramm. Der 1852 gefundene Meteorit war deutlich kleiner, er wog 328 Gramm.

Wie war der Zustand der Meteoriten?

Den Untersuchungen von Stohlmann zufolge war besonders der bei Bauer Depenbrock eingeschlagene Meteorit in hervorragendem Zustand. "Bis auf ein kleines, abgeschlagenes Stück war er komplett erhalten", heißt es. Und weiter: "Er war vollkommen von einer schwarzen, glanzlosen Rinde bedeckt." Der Meteorit hatte die Form einer schiefen, abgestumpften, vierseitigen Pyramide. Dem anderen Meteoriten hatte die Witterung bereits merklich zugesetzt.

Wo sind die Meteoriten heute?

Stohlmann setze sich vergeblich für den Verbleib der Meteoriten in Gütersloh ein, er wollte sie in einer heimischen Sammlung zeigen. Heute liegen 760 Gramm des größeren Meteoriten im Naturkundemuseum Berlin, 111 Gramm werden im Natural History Museum in London ausgestellt, 74 Gramm befinden sich im Naturhistorischen Museum in Wien. Zusammen ergeben alle Bruchstücke weniger als ein Kilogramm, über 200 Gramm Gestein fehlen. Dieses spurlose Verschwinden ist seit jeher ein Rätsel. In den Unterlagen des Stadtarchivs wird gemutmaßt, dass ein privater Sammler den Rest der Meteoriten an sich genommen haben könnte. Fest steht jedenfalls: Ein Teil dieser galaktischen Gütersloher Geschichte bleibt auch weiterhin verschwunden.