Klage gegen Amprion-Stromtrasse im Kreis Gütersloh: Das sind die Reaktionen zum Urteil

Borgholzhausen/Leipzig. Am Ende verläuft die Urteilsverkündung kurz und knapp, als reiner bürokratischer Akt. Der zuständige 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes Leipzig hat sich pünktlich um 9 Uhr an diesem Mittwoch, 8. Januar 2025, versammelt. Da weder die vier Kläger aus Borgholzhausen (Georg von Kerssenbrock, Uwe Nagelsmöller, Henning Görlich und Werner Bentlage), noch die Beklagte, die Bezirksregierung Detmold, nach dem ersten Gerichtstermin am 4. Dezember erneut in Leipzig erschienen sind, verliest der vorsitzende Richter das Urteil. Lesen Sie auch: Heftiger Streit um Stromtrasse im Kreis Gütersloh: Graf riskiert 50.000 Euro Zwangsgeld Das Bundesverwaltungsgericht hat die drei Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für einen Abschnitt der 380-kV-Höchstspannungsleitung von Wehrendorf nach Gütersloh im Bereich der Stadt Borgholzhausen abgewiesen. Die Reaktionen auf das Urteil sind naturgemäß unterschiedlich. &bdquo;Natürlich bin ich enttäuscht“, sagt Kläger Georg Graf von Kerssenbrock: &bdquo;Ich hatte allerdings schon in der mündlichen Verhandlung das unterschwellige Gefühl, dass schon damals eine Entscheidung gefallen war. Jetzt habe ich die Bestätigung schwarz auf weiß.“ Netzbetreiber Amprion begrüßt das Urteil Die Bezirksregierung Detmold wollte sich zu dem Verfahren auch nach der Urteilsverkündung nicht äußern. Es gelte, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten. Diese folgt in der Regel erst in etwa 14 Tagen. Der Netzbetreiber Amprion, der den Prozess als Beisitzer verfolgte, weil er unter anderem die bauausführende Firma des Trassenabschnittes ist, begrüßt, dass &bdquo;das Gericht die Trassenführung der Leitung bestätigt hat und wir den Bau der Leitung wie geplant fortsetzen können“, so Michael Weber, Projektsprecher bei Amprion. Der Übertragungsnetzbetreiber hatte Anfang des Jahres 2024 mit bauvorbereitenden Maßnahmen zum Wegebau und zur Herrichtung der Baustelleneinrichtungsflächen begonnen. Im Anschluss erfolgten Arbeiten zur Errichtung der neuen Masten sowie die Tiefbaumaßnahmen im Erdkabelabschnitt. 380 Wohngebäude im Kreis Gütersloh betroffen Das Bundesverwaltungsgericht begründet sein Urteil im Detail. Zum einen geht es darum, wer wann und warum den Entschluss treffen durfte, in Borgholzhausen auf einem Abschnitt von 4,2 Kilometern zwischen Riesberg und Klusebrink anstelle von Freileitungen Erdkabel zu verlegen. Dazu sagt das Gericht: &bdquo;Die Klagen blieben erfolglos. Die beklagte Bezirksregierung Detmold durfte sich dafür entscheiden, die Leitung zwischen den Kabelübergabestationen Riesberg und Klusebrink als Erdkabel zu führen.“ Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) dürften Abschnitte der Gesamtleitung von Wehrendorf nach Gütersloh als Erdkabel errichtet und betrieben werden, um den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene im Übertragungsnetz als Pilotvorhaben zu testen. Die Kriterien für diese Entscheidung, so das Bundesverfassungsgericht weiter, &bdquo;sind erfüllt, weil sich die Leitung östlich der Stadt Borgholzhausen weniger als 400 Meter an Wohnbebauung im Innenbereich und weniger als 200 Meter an Wohnbebauung im Außenbereich annähert; betroffen von dieser Annäherung sind insgesamt rund 380 Wohngebäude“. Interessen der Landwirtschaft ausreichend berücksichtigt Die Bezirksregierung hätte diese Maßnahme zur Erdkabel-Verlegung nicht explizit anordnen müssen, es sei ausreichend gewesen, dass der Netzbetreiber Amprion ein Erdkabel geplant und die Planfeststellungsbehörde sich diese Planung abwägend zu eigen gemacht habe. Der Planfeststellungsbeschluss war laut Gericht frei von beachtlichen Abwägungsfehlern. &bdquo;Die Führung als Erdkabel schützt das Wohnumfeld etlicher Wohngebäude, die sich in einem Abstand von weniger als 400 Meter zur Bestandstrasse befinden und bei einem Neubau als Freileitung durch höhere Masten stärker als bisher belastet würden.“ Hier wird das Recht der Allgemeinheit vor die Interessen Einzelner gestellt. Zum Thema Naturschutz urteilt der Leipziger Senat unmissverständlich: &bdquo;Das Erdkabel kommt dem Schutz von Biotopen zugute. Dem Bodenschutz und den Interessen der Landwirtschaft trägt der Planfeststellungsbeschluss ausreichend Rechnung“, heißt es. Georg Graf von Kerssenbrock muss am Telefon laut lachen, als er diese Passage liest: &bdquo;Das ist blanker Hohn. Wenn man den Satz richtig liest, dann müssten wir jetzt überall Erdkabel verlegen, um unsere Biotope zu schützen. In Wirklichkeit spielt der Naturschutz in dieser Urteilsbegründung gar keine Rolle. Das ist sehr traurig.“ Mögliche Unsicherheiten sind den Klägern zuzumuten Dem hält das Gericht entgegen: &bdquo;Der Gesetzgeber erlaubt die Führung von Höchstspannungsleitungen als Erdkabel und gibt damit zu erkennen, dass er vorübergehende Schädigungen des Bodens durch Bauarbeiten grundsätzlich für hinnehmbar erachtet. Das planfestgestellte Bodenschutzkonzept stellt ausreichend sicher, dass die Böden nach der Bauphase sowohl in ihrer Struktur als auch in ihren Funktionen weitgehend wiederhergestellt werden.“ Und weiter: &bdquo;Die Planfeststellungsbehörde durfte davon ausgehen, dass der die Erdkabel umgebende Flüssigboden nach seinen hydrogeologischen Eigenschaften dem Ursprungszustand möglichst nahekommt. Nach Abschluss der Baumaßnahmen können die Flächen wieder bewirtschaftet werden; ausgeschlossen ist nur Vegetation, die tiefer als 1,10 Meter wurzelt.“ Schließlich sei der Planfeststellungsbeschluss, so das Gericht, den Gefahren einer Bodenerwärmung ausreichend nachgegangen, durfte diese aber als gering einschätzen: &bdquo;Mögliche Unsicherheiten waren den Klägern zuzumuten, weil sie bei der vom Gesetz angestrebten Erprobung unvermeidbar sind und der Planfeststellungsbeschluss insoweit Entschädigungsansprüche regelt.“ Bundesverwaltungsgericht wies 2024 mehrere Klagen ab Den letzten Punkt indes bezeichnet Georg Graf von Kerssenbrock als &bdquo;Falschaussage“ und zitiert aus dem Planfeststellungsbeschluss (Seite 39): &bdquo;Über eine etwaige Entschädigung und ihre Höhe ist in einem gesonderten Entschädigungsverfahren zu befinden.“ Lesen Sie auch: Breite Unterstützung gegen Pläne für Riesen-Transformator in Gütersloh Im vergangenen Jahr 2024 hatte das Bundesverwaltungsgericht mehrfach Klagen im Zusammenhang mit dem Bau von Höchstspannungsleitungen zu beurteilen. In der Regel wies das Gericht die Klagen ab - ähnlich wie den Borgholzhausener Fall jetzt: im Juni 2024 die Klage gegen die Trassenführung einer Höchstspannungsleitung nahe Kreuztal, im April 2024 die Klage der Stadt Moers gegen eine Höchstspannungsfreileitung und im Januar 2024 die Klage gegen eine Teilgenehmigung einer Konverteranlage für die SuedLink-Trasse.

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