Auswanderin aus dem Kreis Gütersloh lebt seit 20 Jahren in der Einsamkeit Alaskas

Borgholzhausen. Debbie Whitecars Biografie ist nicht ganz unkompliziert. Geboren wurde sie 1971 in Alaska. Ihre deutschen Eltern waren einige Jahre zuvor in das Sehnsuchtsland ausgewandert. Fünf Jahre später kehrte die Familie in die alte Heimat zurück. Erst wohnte sie in Bielefeld, dann in Borgholzhausen, in einer Wohnung im Torhaus des Schloss Brincke. Debbie vergaß aber nie die Erinnerung an ihre ersten Lebensjahre im hohen Norden der USA. &bdquo;In den Geschichten meiner Eltern hieß es immer: Oh, damals in Alaska!“, weiß die 52-Jährige noch heute. 2001 gewann schließlich das Fernweh gegen die Heimatliebe. Die 29-Jährige machte sich auf in ihr Geburtsland und blieb. Nach einigem Hin und Her zugegebenermaßen. Nach dem Start in der größten Stadt des U.S.-Bundesstaates, Anchorage, lebt Debbie Whitecar mit ihrer Tochter und ihrem Sohn heute im beschaulichen Örtchen Talkeetna. Der Name stammt aus der Sprache der Ureinwohner der Region, den Dena’ina Athabascan, und bedeutet &bdquo;Ort wo am Fluss Nahrung gelagert wird“. Drei große Flüsse treffen sich dort: der Talkeetna, der Susitna und der Chulitna-River, und in allen dreien tümmeln sich im Sommer Lachse. &bdquo;Hier ist alles wild, große Wälder, kein Fluss begradigt“, beschreibt Debbie ihre Heimat. &bdquo;Wir haben Bären und Elche.“ Ein Kater als Bürgermeister? Die ganze Welt hat schonmal von diesem Ort gehört &bdquo;Talkeetna ist ziemlich cool“, sagt sie. Zwar gebe es nur etwa 1.000 Einwohner, die kenne man dafür aber einigermaßen. &bdquo;Zumindest das Gesicht, wenn man sich beim Post-Office sieht.“ Einmal die Woche holt Debbie Whitecar dort ihre Briefe ab. Eine halbe Stunde ist sie dafür unterwegs. Internationale Berühmtheit erlangte die Gemeinde vor einigen Jahren, weil sie einen Kater namens &bdquo;Stubbs“ zum Bürgermeister wählte der einzige Kandidat, auf den man sich einigen konnte. Was auch etwas über die Eigensinnigkeit der Menschen aussagt. Lange Wege fährt man in Alaska sowieso. “Nur alle zwei oder drei Wochen mache ich einen Großeinkauf.” Nach Anchorage dauert es über zwei Stunden mit dem Auto. &bdquo;Etwa von Mitte Oktober bis Ende April dauert der Winter“, erklärt die Deutsch-Amerikanerin im langen Telefonat mit der Heimat. &bdquo;Wir hatten jetzt gerade eine lange Kältephase. Drei Wochen war es richtig kalt, bis zu minus 40 Grad. Dann frieren auch die Wasserleitungen ein, und das Auto springt nicht mehr an.“ Lesen Sie auch: Plötzlich Auswanderer - junges Paar aus dem Kreis Gütersloh kauft großes Anwesen in Frankreich Warum hat sie Deutschland hinter sich gelassen? Wenn Debbie Whitecar über den Winter spricht, erzählt sie nicht nur von Schnee im Allgemeinen. Sie unterscheidet die verschiedenen Arten von Schnee. Es gibt den ersten Schnee, der im Oktober fällt und die graue Landschaft hell macht. &bdquo;Der richtige, zum Skifahren, der kommt aber erst Mitte November“, sagt sie. &bdquo;Im Februar und März gibt es den besten Schnee.“ Dann gebe es natürlich noch den leichten Schnee über Eis, &bdquo;bei dem man ständig hinfällt“. Und nicht zu vergessen den matschigen Schnee, während des &bdquo;Breakups“, der Tauphase, wenn der Frühling beginnt. &bdquo;Aber wir hatten auch schon Schneehaufen bis Anfang Juni.“ Warum sie das Wagnis Alaska auf sich nahm und Deutschland hinter sich ließ, weiß die 52-Jährige noch heute ganz genau. &bdquo;Ich war hier schon oft zu Besuch gewesen, aber ich wollte es wirklich erleben und das bedeutet: hier leben.“ Von ihrem Haus schaut sie auf den höchsten Berg der USA In vielerlei Hinsicht sei Alaska ein großartiger Ort. Gerade wegen der Einsamkeit und der dunklen Winter. &bdquo;Weißt du, hier hält jeder an, um dir zu helfen“, beschreibt sie den Unterschied zu größeren Städten und belebteren Landstrichen. &bdquo;Wir haben hier viele Leute, die leben sehr einfach, haben keine Rentenvorsorge, keine Versicherung. Aber wenn in Talkeetna eine Hütte abbrennt, kommen wirklich alle, um zu helfen. Wir leben alle weit entfernt und kennen uns trotzdem. Das Leben ist simpel, aber gut.“ In den 20 Jahren ist sie zu einer echten Alaskanerin geworden. &bdquo;Ich könnte mir ein Leben woanders nicht mehr vorstellen“, sagt Debbie. &bdquo;So lange es der Körper mitmacht, bleibe ich hier.“ &bdquo;Hier“ ist ihr kleines Haus mit Blick auf den Denali, den höchsten Berg der USA. Allerdings bringt das Leben in der Wildnis viel Arbeit mit sich. &bdquo;Ich bin Offgrid, nicht an das Stromnetz angeschlossen“, erklärt die Exil-Piumerin im besten Deutsch, mit breitem US-Akzent. &bdquo;Das bedeutet aber auch, den Generator regelmäßig zu warten.” Außerdem müsse sie im Winter oft Schneeräumen. &bdquo;Es ist viel, viel Arbeit.“ Nebenbei betreut sie eine kleine Blockhütte, die sie im Sommer an Gäste vermietet. Was vermisst Debbie Whitecar am allermeisten? Ihr Geld verdient Debbie Whitecar als Grafik-Designerin. Vom heimischen Rechner aus designt sie Logos und Motive für die amerikanischen Nationalparks, wie den Yosemite oder den Yellowstone. &bdquo;So lange es Internet gibt, kann ich von zu Hause aus arbeiten.” Genauso wie ihre beiden Kinder, die am PC unterrichtet werden. &bdquo;Homeschooling“ heißt das in den Vereinigten Staaten. Fast zehn Jahre ist es her, dass die Familie zuletzt in Deutschland war. &bdquo;Die Kinder kennen Deutschland, waren beim letzten Besuch aber noch sehr jung“, erzählt Debbie. Trotzdem halte sie es für möglich, dass sie, wenn sie erwachsen sind, mal in die alte Heimat zurückkehren zum Beispiel für das Studium. Ob sie selbst Borgholzhausen denn nicht vermisst? &bdquo;Nein, nie“, sagt Debbie Whitecar ohne zu zögern. &bdquo;Ich hätte höchstens Heimweh nach einem guten Brot. Die können hier nicht richtig backen, entweder ist es zu süß oder zu weich. Und mal im Teutoburger Weg auf einem Weg wandern, ohne Elche und Bären, das wäre schön. Hier ist man nie wirklich relaxed.“ Zum Schluss des Gespräches findet die Auswandererin noch ein passendes Fazit: &bdquo;Am Ende spielt es keine Rolle, wo man lebt. Man muss sich nur immer wieder erinnern, dass man rausgehen muss, um etwas von der Welt zu erleben.“

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