BIELEFELD

Fruchtalarm auf der K8

Wie ein Projekt krebskranken Kindern hilft, wieder Geschmack am Leben zu finden

Lara Joy Loeg (links) und Katharina Kötter vom Fruchtalarm-Team mixen mit der an Krebs erkrankten Emily (10) und Jessica (11, rechts) - die Patientin der allgemeinen Kinderkrankenstation ist - bunte, leckere und gesunde Fruchtsaftcocktails. | © FOTO: BARBARA FRANKE

13.07.2011 | 13.07.2011, 00:00

Bielefeld. Emily tippt etwas in einen Spiel-Computer. "Was machst du? Lernst du Englisch?", fragt die Ergotherapeutin. "Nein - Englisch kann ich schon", sagt die Zehnjährige und demonstriert es: ",I’m fine’ heißt: Mir geht’s gut!" Heute geht es Emily tatsächlich gut, denn heute ist Dienstag - der Tag, an dem ein Team der Eventagentur "fast4ward" die onkologische Station der Kinderklinik Bethel mit einer mobilen Cocktailbar besucht.


"Fruchtalarm" heißt es einmal pro Woche auf der Station K8. Dann schieben die Mitarbeiter von "fast4ward" einen Wagen mit Säften, Sirups, Eis und Limetten in die Zimmer der kleinen Patienten und mixen gemeinsam mit den an Krebs und Stoffwechselkrankheiten leidenden Kindern erfrischende, vitaminreiche Fruchtsaftcocktails.

Emily ist seit Oktober Patientin in Bethel. Sie leidet nicht nur unter ihrer Krankheit, sondern vor allem unter den aggressiven Nebenwirkungen der Chemotherapie wie Müdigkeit und Erschöpfung, Übelkeit, Magen- und Darmstörungen und Haarausfall. "Meist ändert sich durch die Behandlung auch der Geschmacks- und Geruchssinn erheblich", erklärt Professor Johannes Otte, Chefarzt der Kinderklinik. Zudem führe die Chemotherapie zu Entzündungen der Schleimhäute und trockne sie aus.

"Die Kinder können nicht essen, nicht sprechen und kaum schlucken. Aber dienstags wollen sie ihren Cocktail", sagt Ergotherapeut Rodrigo Barros. Dafür aktivieren sie all ihre Kräfte, ihre letzten Reserven. "Es sei schön zu sehen, wie dann die Lebenslust der Kinder zurückkehrt und wie mit dieser Aktion Selbstheilungskräfte freigesetzt werden können", sagt Ergotherapeutin Vera Flaming.

Auch Emily blüht dienstags regelmäßig auf. Im Cocktailmixen ist sie Profi. Sie weiß, was gut zusammenpasst, mixt je nach Laune und Befinden mal giftgrüne "Monsterdrinks" mit Waldmeistersirup, mal farbenfrohe, exotische "Ampelcocktails" und kreiert für Mama einen Mix aus Vanille-, Erdbeer- und Kokossirup, Rhabarber-, Ananas- und Bananensaft. "Und nebenbei werden die Geschmacks- und Geruchszellen auf eine ganz besondere, individuelle Art gereizt und stimuliert", sagt Oberarzt Norbert Jorch.

Ein weiterer positiver Aspekt: Endlich einmal dürfen die Kinder selbst entscheiden. Während sie im Klinikalltag von der Behandlung über die Medikation bis hin zum Essen permanent fremdbestimmt werden, entscheiden sie nun endlich einmal selbst, was sie trinken und welche Zutaten sie in ihren Cocktail haben möchten. "Zudem fördert das Projekt sehr stark die Kommunikation, tut Kindern und Eltern gut", sagt Otte.