
Bielefeld. Auf eine harte Geduldsprobe stellt die Baustelle des Hauses Oberntorwall 53/55 Besitzer und Mieter. Nachdem der komplette Dachstuhl der Immobilie am 9. Mai 2011 niederbrannte, richtet sich das Interesse der Bielefelder auf den Fortgang der Instandsetzung des Gebäudes .
Termine wurden gesetzt und wieder verworfen, ungünstige Wetterbedingungen und Auflagen der Behörden als Begründung ins Feld geführt. Dabei klang am Anfang alles noch vielversprechend. "Der Wiederaufbau kann starten" lautete die Überschrift in der NW am 19. Juli 2011. Vorrangig wollte man laut Architekt Rolf Behrendt die gewerblichen Räume wie Lehners Wirtshaus sanieren. Im November desselben Jahres stellte sich das ganze Ausmaß der Wasserschäden dar. Das Löschwasser habe die Decken des Hauses so stark geschädigt, dass sie größtenteils völlig entfernt werden mussten. Mit Verzögerungen der Bauarbeiten sei zu rechnen, hieß es.
Das Haus und seine Geschichte
1905 wurde das Haus am Oberntorwall gebaut.Lange Jahre residierte darin das Hotel Deutsches Haus
Am 5. August 1960 richtete ein Großfeuer einen Schaden von 200.000 D-Mark an.
Im Parterre eröffnete Rüdiger "Tüdi" Herfurth im April 1973 sein eigenes Lokal, das "Dixi".
Der Name sollte eigentlich das musikalische Programm andeuten. Dixieland wollte aber niemand hören.
Also schwenkte Herfurth um und engagierte als Plattenaufleger Lothar Butkus. Der wurde später Stadionsprecher auf der Alm.
Das Dixi wurde in den 70ern und 80ern zur angesagtesten Adresse in der Stadt.
1989 gab Herfurth das Dixi ab.
1999 eröffnete das mexikanische "Sausalitos".
Im Oktober 2007 wurde es mit "Lehners Wirtshaus" zünftig bayerisch.
Schlechte Nachricht für den Betreiber von Lehners Wirtshaus drangen am 22. Juni 2012 an die Öffentlichkeit. Das Haus werde in den Zustand wie vor dem ersten Brand im Jahr 1960 aufgebaut, mit einem weiteren Geschoss und drei Türmen. Für diese Bauarbeiten musste ein Kran bestellt werden. Eine Gefahr für die Außengastronomie, ließ die Bauleitung verlauten. Mit einer Eröffnung der Gaststätte sei erst im Oktober desselben Jahres zu rechnen.
Drei Monate später lag die Baugenehmigung vor. Zum damaligen Zeitpunkt sah es so aus, als könnten nach dem Tabakgeschäft Hessberger, das bereits im Juli zurückgekehrt war, auch das Lampengeschäft und Lehners zeitnah den Betrieb aufnehmen. Behrendt gegenüber der NW: "Zum Weihnachtsgeschäft ist die Gaststätte fertig."
Es blieb beim Versprechen. Die Kneipe, deren Versicherungsschutz Ende Mai 2012 ausgelaufen war, wurde nie wieder eröffnet.
Ein neuer Pächter für die Gastronomie kam ins Spiel. Wolfgang Dewitz, spezialisiert auf Systemgastronomie, will jetzt in diesen Räumen als Franchisenehmer eine Filiale der Kette L'Osteria eröffnen. Als Einzugstermin war der vergangene September vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt sollte laut Behrendt das Dach über dem nun fünfgeschossigen Haus fertiggestellt sein.
Enttäuscht äußert sich Dewitz, der 28-jährige Unternehmer: "Ich hätte gern das Weihnachtsgeschäft mitgenommen." Drei Managementmitarbeiter hat er bereits fest eingestellt. Sie trainieren in L'Osteria-Niederlassungen innerhalb Deutschlands. Mittlerweile habe er sich nach Rücksprache mit der Mitbesitzerin der Immobilie, Isabel Ermisch, und der Bauleitung auf Februar 2014 als Einzugstermin geeinigt.
Zurückhaltend äußert sich Isabel Ermisch, mit ihrer Mutter Ursula und dem Bruder Gerolf-Martin, Eigentümerin des Brandhauses: "Konkret können wir nichts sagen." Man wolle nicht noch weiter unter Druck geraten. Doch einen Termin nennt sie dann doch: Das Richtfest wird im kommenden November gefeiert.
Für die Verzögerung nennt Ermisch zwei Gründe: das schlechte Wetter des vergangenen Winters und die lange Baugenehmigungsphase. Der Bebauungsplan für die Altstadt sehe vor, dass ihr Haus zum Stil des Ratsgymnasiums und des gegenüberliegenden Gebäudes Obernstraße 44 passen und deswegen drei Türme aufs Dach bekommen muss. "Wären wir nicht darauf eingegangen, hätten wir nicht mit dem Wiederaufbau beginnen dürfen und auf Dauer dort eine Ruine gehabt."
Im Bauamt sieht man das anders: Teamleiter Reinhold Beck: "Wir haben die Lösung mit dem zusätzlichen Dachgeschoss zwar favorisiert, doch die Eigentümer hätten sich auch anders entscheiden können."