
Bielefeld. Eine Stadt, in der ständig über das gesprochen wird, was nicht geht. Was geschlossen, abgerissen, gekürzt wird. Die Unternehmer Lasse Rheingans und Peter Wiegelmann nervt das. Beim Mittelstandsforum haben sie darüber geredet – "denn es ist nicht zu ertragen, dass überall Geld fehlt", so Wiegelmann; und das in einer Stadt, in der viele Menschen nicht arm sind. Jetzt wollen beide zeigen, dass Bielefeld mehr kann, dass Bürger mehr können – mit einer wohl einzigartigen Aktion am Beispiel des Freibades Gadderbaum.
Mit ihrem Wissen und ihren Unternehmen wollen Rheingans und Wiegelmann die im Bürgerbegehren genannten 2,23 Millionen Euro für eine Teilsanierung des Bades einwerben. Seit Wochen arbeiten sie und viele ihrer Mitarbeiter an einer Internetplattform, die spielerisch einen Spendenboom auslösen soll. Jeder kann spenden – ab einem Euro.
Und so geht es: Wer spenden will, geht auf die Internetseite der Aktion und tippt die Spendensumme ein. Er kann ein Foto hochladen und einen Kommentar schreiben – und alles auch in Richtung Twitter und Facebook und die dortigen Kontakte weiterleiten. "Wir hoffen, dass sich so ein großes Interesse an der Aktion aufbaut", sagt Marktforscher Wiegelmann (Interrogare; 36 Mitarbeiter, Kunden: Audi, Schüco, Telekom, 1&1, Miele).
Auf der Internetseite wird angezeigt, wie viel gespendet worden ist – und wer die letzten Spender sind. Im Zehn-Sekunden-Takt wird alles aktualisiert. Es gibt Hitlisten nach der Reihenfolge der Spendenhöhe und danach, wer besonders viele andere Spender motiviert hat. Firmen können ab 2.000 Euro ihr Logo neben einer Spenden-Wassersäule veröffentlichen, wer am meisten gespendet hat, trägt am Logo eine Goldmedaille. Beide sprechen von einem Spenden rennen, von Sportsgeist, vom Wettbewerbscharakter.
"Wir wollen so beweisen, dass es möglich ist Bürgerprojekte finanziell zu retten", sagt Rheingans von der Kommunikationsagentur u+i (29 Mitarbeiter, Kunden: Bertelsmann, Arvato, Hebie, Lösekann, Miele). Wiegelmann: "Es ist doch krass, dass Projekte, die gut und gewollt sind, immer wieder von leeren Kassen ausgebremst werden."
Beide betonen, dass sie sich nicht in den politischen Streit um das Bad einmischen wollen, im Gegenteil: "Wir wollen, dass das so erfolgreich wird, dass es nicht mehr zum Bürgerbegehren und zum Bürgerentscheid kommen muss", sagt Wiegelmann. Zu beweisen sei, dass es auch ohne öffentliche Gelder von der Stadt gehe. Das sei ihr Antrieb, neben dem Imagegewinn.
Bedauerlich finden sie, dass die Fronten zwischen Rathaus, Stadtwerken, Politik und Freibad teilweise verhärtet sind, "wir wollen auf die Akteure zugehen und ganz offen für unser Projekt werben". Wiegelmann: "Mir geht es nicht nur ums Freibad, mir geht es darum, zu beweisen, dass dieser Weg funktioniert – ich will den Knoten durchschlagen". Rheingans hingegen wohnt in der Nähe des Bades, er findet es wichtig für Bielefeld – "denn gerade für Menschen mit Behinderung ist es unmöglich, ins Wiesenbad oder nach Brackwede auszuweichen".
Beide wollen, dass die Aktion bundesweit Kreise zieht – dafür sollen einerseits die Begriffe Inklusion und Bethel bürgen, andererseits die einmalig niederschwellige Spendenform und der Schneeballeffekt in den sozialen Medien. "Wer bei Facebook von einem Freund von der Aktion aus Bielefeld hört, ist sicher schnell bereit, einen Euro zu geben", sagt Rheingans. "Ein Euro tut nicht weh und ist keine Hürde." Wiegelmann spricht von einer "System-Idee für die Rettung von Herzblutprojekten durch die Bürger".
Damit überall sofort gespendet werden kann, ist alles so programmiert, dass es auf Smart-phones und Tablet-Computern genauso funktioniert wie am PC.
Die Aktion ist begrenzt: Sollten bis Ende Juli die 2,23 Millionen Euro nicht zusammen kommen, wird jeder Spender angemailt mit der Bitte um einen Alternativvorschlag. Das wertet Interrogare aus – und die Spender dürfen unter den zehn häufigsten Vorschlägen auswählen; anteilig wird das Geld dann vergeben. Ganz demokratisch – "und es geht kein Cent an Spendengeldern verloren", betont Wiegelmann. Hier gehts zur Aktion:
www.zusammenschaffen.de