BIELEFELD

Ökostrom im Aufwind

Anbieter spüren nach der Atom-Katastrophe in Japan deutlich größeres Interesse

18.03.2011 | 18.03.2011, 00:00
Erneuerbare Energien machen in Bielefeld erst knapp zehn Prozent der Erzeugung aus. Bis 2020 soll der Anteil verdoppelt werden, sieht das Energiekonzept der Stadtwerke vor. Das Windrad produziert Strom an der Bargholzstraße in Jöllenbeck. - © FOTO: SANDRA SANCHEZ
Erneuerbare Energien machen in Bielefeld erst knapp zehn Prozent der Erzeugung aus. Bis 2020 soll der Anteil verdoppelt werden, sieht das Energiekonzept der Stadtwerke vor. Das Windrad produziert Strom an der Bargholzstraße in Jöllenbeck. | © FOTO: SANDRA SANCHEZ

Bielefeld. Ökostrom ist teurer. Deshalb scheuen viele Bürger den Wechsel. Die Stadtwerke bieten seit mehr als zehn Jahren ihren grünen Tarif an, haben für ihn aber erst 200 Kunden gewonnen. Seit der Atom-Katastrophe in Japan wächst das Interesse aber spürbar. Bei den Anbietern häufen sich nicht nur die Anfragen. Auch die Zahl der Anträge steigt teils sprunghaft an.

"Am Montag hat sich die Zahl der Online-Vertragsabschlüsse im Vergleich zu anderen Tagen verachtfacht", sagt Matthias Hessenauer von Greenpeace energy, das wie Lichtblick oder Naturstrom zu den großen bundesweiten Ökostrom-Anbietern zählt mit Kundenzahlen im fünf- und sechsstelligen Bereich.

Beflügelt wird der Zuspruch durch Aktionen, wie sie das Anti-Atomkraft-Bündnis für das Bürgerbegehren "Bielefeld steigt aus!" gestartet hat. Auf seiner Internet-Seite nennt es unter "Stromwechseln jetzt!" vier Anbieter, die günstigen atomfreien Strom anbieten. Die Preise sind sehr unterschiedlich.

Sie liegen aber alle unter dem EnerBest-Green-Tarif der Bielefelder Stadtwerke. Das begründet deren Bereichsleiter Christian Kracht damit, dass die Stadtwerke einen höheren Anteil regenerativer Energien im Mix haben und mehr Geld für Förderprogramme ausgeben. Deshalb könne Bielefeld auch das von Umweltverbänden anerkannte Grüner-Strom-Zertifikat Gold vorweisen, was nicht alle Ökostrom-Anbieter haben.

Bei denen sei teilweise der Anteil an Wasserkraft höher. Diese Energieform verkaufen die Stadtwerke in ihrem blauen Tarif, den bisher in drei Jahren 400 Kunden gewählt haben. Er liegt preislich - anders als der grüne mit 20 Prozent - nur 2,5 Prozent über dem Grundtarif EnerBest. Bei Wasserkraft können 70 Stadtwerke über einen Einkaufsverband günstiger bei den Erzeugern Strom einkaufen.

Weil die Stadtwerke ihren grünen Strom schwer an die Kunden bringen, prüfen sie eine Änderung mit Senkung der Ökostrom-Tarife. Eine Mischung von Grün und Blau birgt aber das Risiko, die Zertifikats-Anerkennung zu verlieren. Kracht rechnet trotzdem noch 2011 mit einer Entscheidung.

Dass der Preis eine große Rolle spielt, stellt auch Marle Kopf von der Verbraucherzentrale fest. Viele, die sie berät, sagten, sie würden gern auf Ökostrom umsteigen, es wäre ihnen aber zu teuer. Den Japan-Effekt spüre man in den Gesprächen deutlich, so Kopf: "Die eh schon mit dem Gedanken spielten, zeigen jetzt eine deutlich größere Offenheit." Den Trend zum Anbieter-Wechsel beobachten die Verbraucherberater seit der Liberalisierung. Billiganbieter wie Yellow sorgten für Schübe. Derzeit, auch nach den Unsicherheiten um Teldafax, sei es ruhiger geworden. Der Umstieg auf Ökostrom sei noch "äußerst gering".

Das könnte sich durch den Stimmungsumschwung ändern. Auch bei Ökostrom liegen teils dreistellige Spannen zwischen den Anbietern. Allerdings gelte auch hier, genau hinzuschauen, so Kopf. Die Konditionen seien recht unterschiedlich, nicht alle Anbieter hoch zertifiziert. Für manche Kunden würden auch andere Argumente wie Ansprechpartner vor Ort, Zuverlässigkeit und geringes Risiko wichtiger sein als der Preis. Martin Schmelz vom Bürgerbegehren: "Nach Japan sind die Menschen sicher bereit, mehr für die Sicherheit zu zahlen."