BIELEFELD

Scannen statt zählen

Inventur im Computer-Zeitalter: Nur wenige Kaufleute schließen ihre Läden

Auch bei der Supermarktkette Jibi erleichtert der technische Fortschritt die Inventur. Während Haydar Günes (hinten) die Strichcodes scannt, schreibt Natalia Vetcholowski Ergebnisse ihrer Rechnung neben das Preisschild. | © FOTO: ANDREAS FRÜCHT

05.01.2011 | 05.01.2011, 00:00

Bielefeld. Nur noch an wenigen Geschäften prangen in diesen Tagen Inventur-Schilder. Selten wird die ungeliebte Zählaufgabe der Kaufleute noch per Hand erledigt – Computer vereinfachen die Inventur, die sogar häufig nicht mehr Ende des Jahres erledigt wird.

Das Ende des Geschäftsjahres hat den Stichtag 31. Dezember bei der Inventur abgelöst. "Bei vielen endet das im März, so dass die Kaufleute dann erst mit der Inventur beginnen", erklärt Christoph von der Heiden von der IHK. Thomas Kunz vom Einzelhandelsverband OWL fügt hinzu: "Niemand macht im dicksten Geschäft am Ende des Jahres seinen Laden dicht."

Die Elektrohandelsfiliale Saturn etwa beendet im September ihr Geschäftsjahr und schließt dann für einen Inventurtag. "Damit wollen wir unseren Mitarbeitern einen angenehmeren Jahresübergang bieten", erklärt Rolf Bekowies, Chef von Saturn Bielefeld. Er selbst kenne die Dezember-Inventur noch aus der eigenen Ausbildung: "Nach Geschäftsschluss fingen wir mit dem Zählen an, während andere schon feierten."

Silvester feiern können auch die Karstadt-Mitarbeiter, denn ihr Konzern beschließt das Jahr ebenfalls im September. Acht Wochen darf dort die Inventur dauern, erklärt Chefin Eleonore Jennes. Immer früh morgens oder nach Geschäftsschluss, eifrig unterstützt von studentischen Helfern. Wirklich zählen müssen die aber nicht: "Wir machen das alles mit Scannern."

Information

Zur Inventur verpflichtet

Die Inventur ist eine Bestandsaufnahme des Vermögens und der Schulden und muss nach § 240 des Handelsgesetzbuches bei Neugründung, Übernahme und Verkauf des Unternehmens, sowie zum Geschäftsjahresende durchgeführt werden. Das Ergebnis einer Inventur ist das Inventar, ein Bestandsverzeichnis, das alle Vermögensteile und Schulden nach Art, Menge und Wert aufführt. Eine ordnungsgemäße Bestandsaufnahme ist grundsätzlich am Bilanzstichtag (31. Dezember oder Ende des Geschäftsjahres) oder innerhalb von zehn Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag durchzuführen. Ausnahmen sind möglich. (clu)

Noch einfacher hat es Siegfried Plehn, Leiter der Sparrenberg-Apotheke: "Ich drücke einfach nur auf einen Knopf am Computer, und nach einer halben Stunde ist meine Inventur fertig." Geheimnis seiner rasanten Rechnerei ist, dass er den Warenbestand über das Jahr verteilt erfasst. Vor etwa 14 Jahren noch seien drei Personen einen ganzen Tag damit beschäftigt gewesen, Medikamentenpackungen zu zählen. "Diese Horrorvision gehört glücklicherweise ins Archiv", sagt er.

Zu gruseln scheinen sich die Mitarbeiter der Buchhandlung Eulenspiegel vor der Aufgabe der Inventur nicht. Dort werden die Bestände zwar noch handschriftlich in die Inventurlisten eingetragen. "Das ist aber kein irrationales Festhalten an tradierten Geschichten, sondern es hat sich einfach bewährt", sagt Hartmut Büschelmann-Groß. Mitte Januar werden rund 15 Kollegen, Freunde, Bekannte und Praktikanten die Bestände durchzählen. Geschlossen wird der Buchladen dafür nicht, gezählt wird am Samstag nach Ladenschluss und am Sonntag.

Karl America, Inhaber des Fahrradgeschäfts Raddesign, hat mit der Rechnerei schon begonnen. "Seit Montag zähle ich mein Inventar", sagt er. Dauer: Eine Woche, denn der Betrieb läuft weiter.

Die Supermarktkette Jibi hat die Inventur schon hinter sich: "Seit Montagmorgen um 11 Uhr sind wir fertig", verkündet Geschäftsführer Thomas Budde. In den Filialen sind es nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Schüler und Hausfrauen, die bei der Zählarbeit helfen.

Auch Lothar Godejohann hat die Zählerei abgeschlossen. Am 1. Januar hatte er seine Westfalen-Tankstelle geschlossen und mit der Inventur begonnen. Ebenfalls per Hand. Doch das Schlimmste ist für ihn nicht das Zählen der vielen kleinen Ersatzteile: "Die Jahreszeit nervt: Es ist kalt, man steht meist auf einer Stelle und kühlt einfach aus – aber ich muss es ja machen."

Im Tierpark Olderdissen dagegen gibt es keine richtige Tier-Inventur. "Unsere Mitarbeiter zählen jeden Morgen unsere Tiere, und wir führen eine Tierkartei", erklärt Tierparkleiter Volker Brekenkamp. Auf Knopfdruck sind damit alle wichtigen Informationen abrufbar. "Eine Inventur ist deshalb nicht mehr nötig und würde den Tieren auch zu viel Stress bereiten."