Bielefeld. "Ich war zwölf. Als es begann, war ich neun. Drei Jahre... Du darfst es niemanden erzählen!" Diese beklemmenden Worte des sexuell missbrauchten Kristian kommen in dem Theaterstück "Ich werde es sagen" immer wieder vor. Der Monolog von Schauspieler Reinhard Gesse ist inszeniert nach dem autobiografischen Buch des Dänen Kristian Ditlev Jensen. Am Tag der Kriminalitätsopfer standen Gesse und verschiedene Opferschutzorganisationen in der Volkshochschule für Fragen der 150 Zuschauer zur Verfügung.
Das derzeit sehr aktuelle Thema Kindesmissbrauch auch an die Schulen zu bringen, ist eine dringende Empfehlung der Opferschutz-Experten. Es hat zum Ziel, Aufklärung über Täterstrategien zu betreiben. "Nach einer Aufführung in einer Schule haben sich direkt zwei 16-jährige Jungen als Opfer geoutet", sagt Gesse. "Es war ein ergreifender Moment." Das Stück der theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück kann von Schulen gebucht werden. Es erzählt die wahre Geschichte des Jungen Kristian, der drei Jahre lang von seinem Peiniger Gustav sexuell missbraucht wird.
Nach der Aufführung konnten Fragen an den Schauspieler, sowie an die Vertreter der Beratungsstellen für Opferhilfe gestellt werden. Die Diskussion setzte sich vor allem mit dem Stück und dessen Realität auseinander, ließ die aktuellen Missbrauchsfälle aber außen vor.
Wie hat sich Gesse auf die Rolle vorbereitet? Ist das Stück für Jugendliche geeignet? Wie lebt Kristian heute? Gesse probte den Monolog sechs Wochen lang, jeden Tag. "Manchmal bis zu acht Stunden. Eine sehr intensive Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen," sagte der Schauspieler. Kristian ist heute 40 Jahre alt, er ist nicht verheiratet. "Bis heute kann er die Nähe eines Menschen nicht ertragen", sagt Gesse, der mit Buchautor Jensen persönlich in Kontakt steht.
"Das Stück macht sprachlos", sagt Sonja Jung vom Opferschutzverein Wildwasser. "Es war sehr gut gespielt, hat mich intensiv mit dem Opfer mitfühlen lassen." Jung betont, dass es sehr wichtig ist, Opfer zu informieren: "Mit so einer Aufführung können Opfer merken, dass sie keine Scham haben müssen, Hilfe in Anspruch zu nehmen." Auch Kripo-Experte Jürgen Lambrecht zeigte sich beeindruckt: "Ich habe das Stück zum zweiten Mal gesehen, aber es ist immer wieder bewegend." Besonders wichtig sei ihm deshalb eine Gesetzesänderung, damit so eine Tat nicht verjähren könne. Elisabeth Peters, die in der Traumaambulanz Opfer diverser Gewalttaten behandelt, fand es aufrüttelnd zu sehen, wie Menschen mit sexuellem Missbrauch umgehen können.