BIELEFELD

82-Jähriger wollte in die Menge schießen

Amoktat gegen Zeugen Jehovas geplant

30.07.2009 | 01.08.2009, 09:39
Die Polizei riegelte das Areal an der Dunlopstraße ab. - © FOTO: ANDREAS FRÜCHT
Die Polizei riegelte das Areal an der Dunlopstraße ab. | © FOTO: ANDREAS FRÜCHT
82-Jähriger wollte in die Menge schießen - © BIELEFELD
82-Jähriger wollte in die Menge schießen | © BIELEFELD

Bielefeld (jr/red/ddp/-sg-). 81 Menschen sind am Donnerstagabend in Bielefeld-Sennestadt einem verheerenden Amoklauf nur knapp entkommen. Gegen 20.45 Uhr drang ein bewaffneter Mann aus Halle in den Versammlungssaal der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas ein. Der 82-Jährige hantierte offen mit einer Maschinenpistole. Nur weil die Waffe klemmte, entgingen die Christen einem Blutbad.

Nach neuesten Erkenntnissen gehen die Ermittler davon aus, dass der 82-Jährige in die Menge schießen wollte. Diesen Schluss ließen persönliche Aufzeichnungen des Mannes zu, die bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Halle gefunden worden waren. Demnach mache er die Zeugen Jehovas dafür verantwortlich, dass er über lange Jahre den Kontakt zu seiner Tochter verloren hatte. Ein konkreter Bezug zu den Zeugen Jehovas in Bielefeld ist laut Polizei nicht erkennbar.

Information
Die Zeugen Jehovas haben in Deutschland nach eigenen Angaben etwa 160.000 Mitglieder. Die Gemeinde in Bielefeld wurde 1967 gegründet und versammelt sich seit über 20 Jahren in ihrem Königreichssaal. Nach eigenen Angaben gibt es im Raum Bielefeld etwa 2.500 Zeugen Jehovas in 28 Gemeinden. Die Zeugen Jehovas sind wegen der kategorischen Ablehnung von Bluttransfusionen und ihres Umgangs mit Aussteigern umstritten.

Der Beschuldigte wurde am Freitag psychatrisch untersucht. Anhaltspunkte auf eine strafrechtlich relevante Beeinträchtigung haben sich laut Staatsanwaltschaft dabei nicht ergeben.

Ein Sprecher der Zeugen Jehovas äußerte sich am Freitag bestürzt
über den Vorfall. "Es ist natürlich ein Schock für alle
Gemeindemitglieder, so unmittelbar mit Gewalt konfrontiert zu sein,
wenn man das noch nie erlebt hat", sagt Matthias Tews, Ältester der
betroffenen Gemeinde. Ihr Glaube gebiete es ihnen, nicht zu hassen
oder zu verdammen. Die Zeugen Jehovas lehren Gewaltverzicht und lehnen jede Kampfausbildung oder den Gebrauch von Waffen ab.

Mann rettet seine Glaubensbrüder

Weil ein Mitglied der Glaubensgruppe den Mann gesehen hatte und die Gefahr erkannte, alarmierte er sofort die anderen 80 Menschen im Haus an der Dunlopstraße. So sorgte er dafür, dass alle so schnell wie möglich das Gebäude verließen. Der maskierte Mann mit der Waffe ging daraufhin um das Haus herum. Kurz darauf kehrte er aber, ohne einen Schuss abgegeben zu haben, zu seinem vor dem Gebäude geparkten Auto zurück. Zeugen schilderten später, dass ihn technische Probleme mit der Waffe am Schießen gehindert hätten. Zwei der Männer aus dem Haus konnten den Bewaffneten schließlich überwältigen, die alarmierte nahm ihn fest.

Karte

Bald darauf wurde deutlich, dass der Senior schwer bewaffnet in der Straße vorgefahren war. Neben der Maschinenpistole stellte die Polizei drei Magazine mit Munition, ein Klappmesser und ein Samurai-Schwert sicher. Ermittler untersuchten das Auto noch in der Nacht auf weitere Waffen oder Sprengsätze.

Maschinenpistole war scharfe Waffe

Die geschockten Zeugen Jehovas, die sich am Abend zu einer ihrer regelmäßigen Zusammenkünfte in ihrem Gemeinschafts-Haus versammelt hatten, kehrten allesamt unversehrt nach Hause zurück. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.

Inzwischen steht aber fest, dass es sich bei der Maschinenpistole des Mannes um eine scharfe Waffe handelte. In seiner Wohnung wurden außerdem einige Militaria gefunden, die für den Sachverhalt als nicht relevant eingestuft werden.

Eine Aussage macht der 81-Jährige nicht. Er wurde im Laufe des
Freitags wegen Verdachts des versuchten Mordes dem Haftrichter
vorgeführt.