Bielefeld

Postalische Grüße aus aller Welt

Trendhobby "Postcrossing": Zufallsgenerator lost Empfänger aus / Erfinder besucht internationales Treffen in Bielefeld

29.10.2013 | 29.10.2013, 13:14
Maike Jenkel aus Norderstedt (Schleswig-Holstein), Ulrike Duss aus Bäch (Schweiz), Andrea Sippel aus Quelle und Claudia Busse aus Irland (v.l.) sehen sich gemeinsam neue Postkarten an, die sie bald verschicken wollen. - © FOTO: BARBARA FRANKE
Maike Jenkel aus Norderstedt (Schleswig-Holstein), Ulrike Duss aus Bäch (Schweiz), Andrea Sippel aus Quelle und Claudia Busse aus Irland (v.l.) sehen sich gemeinsam neue Postkarten an, die sie bald verschicken wollen. | © FOTO: BARBARA FRANKE

Bielefeld. Postcrossing heißt ein ungewöhnlicher Trend: 450.000 registrierte Nutzer aus 218 Ländern schicken sich derzeit weltweit Postkarten. Die Empfänger sind dem Absender dabei stets unbekannt, die Adressen erhalten sie über eine Internetseite per Zufallsgenerator. Die Idee des Portugiesen Paulo Magalhães hat längst die Welt erobert: Knapp 20 Millionen Postkarten wurden seit 2005 verschickt. Jetzt besuchte er Bielefeld und 60 Postcrossing-Infizierte.

In Deutschland sind knapp 30.000 Postcrosser registriert, aber aus keinem anderen Land wurden bisher mehr Karten verschickt. "Mit 2,3 Millionen Karten ist Deutschland das Postcrossing-Land Nummer 1", erklärt Norbert Venzke, Organisator des 4. Internationalen Treffens im Einschlingen. Der Düsseldorfer spricht vom "Postkarten-Virus, er belegt derzeit Platz drei der Postcrossing-Weltrangliste.

Paulo Magalhães ist Kosmopolit – er lebte in China, Slowenien, Brasilien, zuletzt zog er mit seiner Freundin Ana Campos nach Berlin. Er liebt es, Post zu erhalten – von Freunden, Verwandten, aber auch aus entfernten Ländern. Warum sollten es also nicht auch Grüße von Fremden sein? So programmierte er vor acht Jahren die Internetseite postcrossing.com. "Niemals habe ich mit so einem Erfolg gerechnet", sagt der Computeringenieur. "Wir erwarten in den nächsten Tagen, dass die 20-millionste Postkarte verschickt wird."

Auf die Frage, ob Postcrossing eine Art Twitter mit herkömmlichen, analogen Mitteln sei, antwortet seine Freundin Ana: "Die einzige Gemeinsamkeit ist der begrenzte Platz. Aber bei Postkarten habe ich viel mehr Gefühl." Man müsse eine Karte aussuchen, sie schreiben, dafür auch Zeit investieren. "Viele basteln Karten selbst, stecken viel Liebe in Details."

Das dreitägige Treffen in Quelle ist kein Regionaltreffen: Es kamen schon Finnen, Amerikaner und Australier nach Quelle. Diesmal ist sogar ein Pärchen aus Nowosibirsk (Sibirien) nach Quelle angereist. "Sie war schon letztes Jahr hier. Das hat ihr so gut gefallen, dass sie diesmal noch ihren Freund mitgebracht hat", erklärt Venzke. Für ein Interview sei sie aber zu schüchtern, sagt er. Das Treffen dient dem Austausch der Aktiven, aber auch dazu, Hunderte Postkarten von den Teilnehmern unterschreiben zu lassen. "Wir werde diesmal 2.000 Karten von hier verschicken", glaubt Maike Jenkel.

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Auch Andrea Sippel (47) aus Quelle ist süchtig nach den zufälligen Kontakten. "Meine Schwester hat mich im November 2009 drauf gebracht. Sie zeigte mir 40 Postkarten, die sie innerhalb kürzester Zeit erhalten hatte." Die Quellerin schickte noch am selben Abend ihre ersten fünf Karten. Für jede versandte Postkarte darf sie mit einer Karte eines anderen Teilnehmers rechnen.

Die 47-Jährige interessiert sich vor allem für die Inhalt der Karten. "Viele berichten von sich, von ihrem Leben oder von ihrem Heimatort. Am Anfang habe ich von mir, Bielefeld und der Sparrenburg geschrieben."

Andere haben es auf die Postkarten oder Briefmarken abgesehen. Auf ihren Profilen äußern sie Wünsche. Andrea Sippel hat deshalb 1.200 Postkarten mit den unterschiedlichsten Motiven zu Hause. Ihr Mann sage, sie habe eine Meise. Trotzdem schenkte er ihr kürzlich einen großen Kartenständer – für ihre Favoriten. "Karten aus Israel und von den Fidschi-Inseln sind meine Lieblinge."

"Beantwortet werden die Karten eigentlich nicht", erklärt die Quellerin. Das System generiert neue Zufallskontakte. Die Gemeinschaft ist aber längst so gut vernetzt, dass manche im Kontakt bleiben. "Der Zusammenhalt ist fantastisch. Da wachsen richtige Freundschaften."

Laut Venzke haben sich inzwischen sogar ein Australier und eine Finnin, sowie ein Weißrusse und eine Ukrainerin das Ja-Wort gegeben. Sie hatten sich über Postcrossing kennen- und sogar lieben gelernt.