
Bielefeld. Früher war vieles einfacher. Fernsehen zum Beispiel. Nötig war ein Gerät in der Stube, eine Antenne auf dem Dach und ein Kabel dazwischen. Die Familie konnte zwischen drei Programmen wählen – ARD, ZDF und das Dritte. Im digitalen Zeitalter ist das komplizierter. Er gibt mindestens 70 Programme und für Empfänger von Kabelfernsehen auch höhere Kosten. Darüber ärgert sich der Schildescher Rundfunk- und Fernsehhändler Horst Bruning.
Aber der Reihe nach: Es geht nur um Kabelfernsehen, nicht um terrestrisches Fernsehen über Antenne und auch nicht über Satellit. Der Kabelnetzbetreiber in Nordrhein-Westfalen heißt Unitymedia. Die Gesellschaft betreibt die Netze in NRW und in Hessen und nimmt dafür Gebühren. Seit Januar 2010 ist Unitymedia eine Tochter des amerikanischen Unternehmens Liberty Global. Am 15. Dezember 2011 genehmigte das Bundeskartellamt die Übernahme von Kabel BW (Baden-Württemberg). Das neue Unternehmen heißt seit dem 1. Juli 2012 Unitymedia Kabel BW.
Die freiverfügbaren und werbefinanzierten Programme wie RTL, Sat.1 oder ProSieben waren bislang nur verschlüsselt zu empfangen. Für die Entschlüsselung waren eine so genannte Smartcard und eine Set-Top-Box erforderlich. Die Empfänger von analogen Programmen in Mehrfamilienhäusern zahlten an den Vermieter über die Nebenkostenabrechnung die Grundgebühr von fünf bis zehn Euro.
Für die Entschlüsselung von RTL und anderen hatten die digitalen Nutzer einen eigenen Vertrag mit Unitymedia. Das kostete im Monat zwischen zwei und fünf Euro. Macht im Jahr einen Betrag zwischen 24 und 60 Euro. Unitymedia versorgte in NRW und Hessen Ende März 2011 rund 1,6 Millionen Kunden mit digitalem Kabel-TV-Empfang. Unter dem Strich wären das 38,4 beziehungsweise 96 Millionen Euro im Jahr. Und die Zahlen steigen.
Wegen der Fusion musste Unitymedia am 2. Januar dieses Jahres die Verschlüsselung aufgeben. Diese Sender sind jetzt auch ohne Smartcard und Box frei zu empfangen.
Und da kommt Horst Bruning ins Spiel: "Unitymedia stellt sich schlafend und kassiert von vielen Kabelnutzern den Betrag weiter ab, dessen Berechtigung ja weggefallen ist." Bruning: "Das nenne ich Abzocke, denn für Sender, die ohnehin entschlüsselt sind, braucht man eigentlich nichts mehr zu bezahlen für Komponenten, die man nur zum Entschlüsseln braucht." Es geht nicht um die grundsätzlichen Kabelgebühren.
Viele Kunden seien völlig überfordert. Sie müssten erst mal recherchieren, was sie genau für einen Fernseher haben. Mit Decoder oder ohne. Und worüber sie empfangen: Antenne, Satellit oder Kabel. Außerdem geht es nur um Kunden, die das Digitale TV Basic Paket empfangen. Bezahl-Fernsehen, etwa Sky für Sport oder ausländische Programme, ist wieder etwas anderes.
Das bestätigt auch Rolf Dahlmann, Referent für digitale Medien von der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf: "Es gibt sehr viele Einzelfälle und individuelle Regelungen." Nutzer in Einfamilienhäusern zahlen pro Monat 17,90 Euro. Die Entschlüsselung ist darin enthalten.
Johannes Fuxjäger von der Pressestelle der Unitymedia-Zentrale in Köln bestreitet gar nicht, dass in Einzelfällen der Betrag abgebucht werde, obwohl die Entschlüsselung entfallen sei. Er lehnt allerdings das Wort "Abzocke" ab. Fuxjäger: "Wir wissen ja gar nicht, was die Kunden genau für einen Anschluss besitzen." Es käme eben auf die Endgeräte an: HD-Modul, auch CI-plus Modul genannt oder HD-Digital-Receiver oder einen HD-Recorder mit integrierter Festplatte, die digitale Variante des analogen Video-Recorders. Er rät allen Kunden, die glauben, dass sie übervorteilt werden, zu einem Anruf bei der Unitymedia-Hotline unter: 01805/663100.