Bielefeld

Eingriffe am Klinikum

Städtisches Krankenhaus: Auseinandersetzung um Personal und Stationsschließungen

31.01.2013 | 31.01.2013, 08:30
Das Städtische Klinikum Mitte wird 2016 ein anderes Gesicht als heute haben - das langgestreckte Gebäude rechts oben (2) wird durch einen Neubau ersetzt, in den unter anderem die zentrale Notaufnahme einzieht. Links vorne wird die Verwaltung gebündelt (1). - © FOTO: ANDREAS ZOBE
Das Städtische Klinikum Mitte wird 2016 ein anderes Gesicht als heute haben - das langgestreckte Gebäude rechts oben (2) wird durch einen Neubau ersetzt, in den unter anderem die zentrale Notaufnahme einzieht. Links vorne wird die Verwaltung gebündelt (1). | © FOTO: ANDREAS ZOBE

Bielefeld. Welche Vokabel es trifft, ist offen. Ob es am städtischen Klinikum Bielefeld brodelt, Unruhe gibt oder nur ein akzeptierendes Grummeln über Veränderungen – auf alles gibt es Hinweise. Tatsache ist: Am Standort Halle wurde im Sommer die Station 5 geschlossen, an der Rosenhöhe wird Sonntag die Station A5 geschlossen und am Standort Mitte ist ein großer Neubau geplant. Und in der Pflege wurde die Zahl der Mitarbeiter zum Jahresende um 4 Prozent reduziert.

Nach hartem Konflikt klingt, was der Betriebsrat per "Brandbrief" Geschäftsführer Michael Ackermann schrieb: "Pflegenotstand!" steht da – Pfleger würden von "gefährlicher Pflege" sprechen. Der Betriebsrat erhalte "sehr viele Überlastungsanzeigen" und "sofort" müsse gehandelt werden.

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Kritik gibt es in der Mitarbeiterzeitung auch am kurzfristig mitgeteilten Aus der Station A5 an der Rosenhöhe – Inneres und Chirurgie. "Zehn Tage vor der Schließung erfuhren wir und die Mitarbeiter davon", sagt Betriebsratschefin Elisabeth Rinawi. Mittlerweile hat Ackermann reagiert, den Januar über blieb die A5 noch offen. Bereits im Sommer war in Halle die internistische Station 5 geschlossen worden.

Im Gespräch mit Rinawi (61), einer langjährigen Pflegekraft, die seit 2006 im Betriebsrat arbeitet, klingt die Kritik moderater. Verständnis gebe es für das Aus der A5 und für Kürzungen beim Personal. Aber: "Alles kommt zu kurzfristig – und es ist nicht richtig, erst Personal einzusparen und dann in die vereinbarte Prozessoptimierung einzusteigen."

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"Nun muss ich gehen"
Einen langen Brief schrieb eine Pflegerin der Lokalredaktion, sie will anonym bleiben:

"Fakt ist: Vor allem das Pflegepersonal wird vom Arbeitgeber Städtisches Klinikum nicht wertgeschätzt. Ich bemühe mich, die Patienten bestmöglich zu versorgen und freue mich, wenn diese wohlwollend erwähnen, dass sie sich einfach nur über ein Lächeln des Personals freuen." Das aber falle den Mitarbeitern immer schwerer, denn: "Wenn ich den Dienstplan betrachte, fällt mir keine Lösung mehr ein, für den Fall, dass jemand krank werden sollte. Selbst die Pflegedienstleitung sieht keine Lösung. Letztendlich springen immer wieder Mitarbeiter ein, die ihre freien Tage zur Erholung bräuchten. Gesundheit, Familie, soziale Aktivitäten bleiben auf der Strecke. Ich kann nicht mehr, bin ausgepowert. Ich hoffe nur, dass in dem ganzen Stress nicht Fehler passieren, die den Patienten gefährden. Wir kommen immer wieder aus freien Tagen – aus Kollegialität. Doch der Kreislauf ist der, dass man davon krank wird. Ich wünschte mir mehr eine weitere Kollegin als mehr Geld." Doch: "Ich war nie krank, nun aber muss ich gehen." kurt

Ackermann versteht das. Seine Begründung: Für 2012 sei ein Leistungszuwachs über die Fallzahlen von 12 Prozent erwartet worden, tatsächlich sei das Klinikum bei "guten" 4 Prozent gelandet. "Im Sommer hatten wir die Stellen aber schon von 625 auf 637 aufgebaut – und mussten nun zum Jahresende auf 615 kommen." Für 2013 gehe er von einem Leistungszuwachs von 3 Prozent aus. Um Kostensteigerungen abzufedern seien 2 Prozent nötig, um das Niveau zu halten. Leider, so Ackermann, werde die Leistungsplanung immer erst im November vorgenommen, "daraus ergab sich der zeitlich nicht ideale Kurs".

Der Stellenabbau sei über auslaufende, befristete Stellen erfolgt – "einige haben wir auch entfristet". Das Klinikum hat jährlich ein Defizit von gut 5 Millionen Euro, das die Stadt tragen muss. Durch das Aus der beiden Stationen sei die Bettenzahl von 1.150 auf 1.100 gesunken. "Aber an der Rosenhöhe denken wir über drei Optionen für die A5 nach – und es ist gut denkbar, dass wir sanieren und im Herbst 2013 mit einer Angebotserweiterung wieder in die Station einsteigen." Dem dort auseinandergerissenen Pflegeteam habe er zugesichert, dass es mögliche neue Stellen auf der neuen alten Station als Erstes angeboten bekomme.

Die Kritik einer Leserin, dass Anfang Januar sogar eine Intensivstation in Mitte wegen Personalmangels geschlossen und Patienten an die Rosenhöhe verlegt werden mussten, teilt er. "Wir hatten eine massive Krankheitswelle." Doch die Lage soll sich verbessern. Erhalten bleibt ein Pflegepool mit 15 Kollegen, Stationshilfen sollen die Pflege genauso entlasten wie ein ausgeweiteter Patientenbegleitdienst – zudem soll effektiver geplant werden, bei der Visite und der Entlassung von Patienten.

Rinawi wie Ackermann glauben, dass hier das Potenzial zu finden ist, das wegen des Personalabbaus nun freigeschaufelt werden muss. Rinawi: "Das ist aber ein mühsames Geschäft." Letztlich liegt für beide das Kernproblem eh woanders. Rinawi: "In der grottenschlechten Krankenhausfinanzierung."

12 Millionen Euro will das Klinikum 2013 investieren: in neue Medizintechnik, in zwei Herzkatheter-Labore, einen Hybrid-OP (mit bildgebenden Großgeräten) sowie den Um- und Ausbau der HNO-Abteilung. Zudem wird im Herbst mit dem Abriss von Gebäude 8 rechts vor dem Klinikum begonnen. Mitarbeiter wechseln bereits in das Verwaltungsgebäude links des Klinikums, wo eine Etage saniert worden ist. Entstehen soll bis 2016 ein Neubau, unter anderem für die zentrale Not- und die Intensivaufnahme sowie für Herzkatheterlabore.