Bielefeld. Die Freude ist still und betrifft alle: Patienten, Helferinnen und Assistentinnen sowie Ärzte. Seit dem 1. Januar müssen gesetzlich versicherte Patienten beim ersten Arztbesuch im Quartal nicht mehr die Praxisgebühr von zehn Euro bezahlen. Rund vier Wochen später lohnt es sich, die Erfahrungen in den Bielefelder Praxen abzufragen .
"Alle sind froh, dass die Praxisgebühr weg ist", sagt Dr. Ulrich Weller, Arzt für Allgemeinmedizin aus dem Praxiszentrum an der Deckertstraße in Gadderbaum. Er ist Sprecher der Bielefelder Hausärzte. Im Jahr 2004 war die Gebühr eingeführt worden war, um die Krankenkassen zu entlasten.
"Für unsere Notaufnahmen ist es definitiv eine Erleichterung", sagt Claudia Schloemann von der Öffentlichkeitsarbeit der städtischen Kliniken Mitte. Ähnliche Töne kommen von Jens U. Garlichs, Pressesprecher des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld: "Wir begrüßen die Abschaffung." Die Mitarbeiter hätten jetzt mehr Zeit für die Menschen. "Wir waren doch eigentlich die Inkassostellen für die Kassen", sagt Dr. Heiko Nebelsieck, Arzt für Allgemeinmedizin aus Schildesche: "Das Geld ist nicht bei uns gelandet, wie manche Leute immer geglaubt haben." Er schätzt den täglichen Zeitaufwand für seine Mitarbeiterinnen auf eine bis anderthalb Stunden. Geld einnehmen, Quittungen schreiben und Kassenbücher akkurat führen. Säumige Patienten erhielten Mahnungen.
2004 fehlte den Kassen Geld, jetzt haben sie Überschüsse auf den Konten und die Gebühr konnte entfallen. Die Politiker ließen sich für ihr Wahlgeschenk feiern. Die Grundidee der Gebühr war auch, dass sie die Patientenströme reguliert. Nicht jeder sollte mit dem kleinsten Wehwehchen im Wartezimmer sitzen. "Als Steuerungsinstrument hat die Gebühr völlig versagt, die Fallzahlen sind mit der Gebühr eben nicht zurückgegangen", sagt Nebelsieck.
Auf der anderen Seite habe die Gebühr, die Menschen, die finanziell schlechter gestellt sind, davon abgehalten, zum Arzt zu gehen, obwohl es nötig war. Die Ursprungsidee war, dass Kranke einmal die Gebühr beim Allgemeinmediziner bezahlen und sich dann zum Facharzt überweisen lassen. Denn mit Überweisung entfiel die Gebühr. Jetzt entfällt die Gebühr generell. Die Patienten können gleich zum Facharzt gehen, ohne sich beim Allgemeinmediziner untersuchen zu lassen.
Kommt die Gebühr wieder?
Nebelsieck: "Wir sollten doch die Lotsen sein. Das können wir aber nur, wenn wir die Fahrrinne auch kennen." Weller wirbt in seiner Praxis dafür, dass die Patienten nur mit Überweisung einen Facharzt aufsuchen. Auch die Gespräche mit den Patienten waren früher nicht immer einfach. Nebelsieck: "Das hat viel Nerven gekostet."
Eine Arzthelferin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt es so: "Die Patienten sind jetzt einfach glücklicher." Sonja Ivanov, Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA), findet die Arbeit jetzt "angenehmer". Obwohl es in der Zahnarztpraxis noch eine Kasse für Bareinzahlungen geben muss.
Bei manchen Leistungen wie der professionellen Zahnreinigungen müssen die Patienten einen bestimmten Betrag zuzahlen. Manche würden mit Bargeld kommen.
Bei Weller in der Praxis gibt es dagegen kein Bargeld mehr: "Ich fand es noch nie schön, dass in einer Arztpraxis Geld hin- und hergeschoben wird."