Bielefeld

Gesetz fegt Monopol weg

Freie Schornsteinfegerwahl / Aber: Neue Gebührenordnung in Arbeit

15.01.2013 | 15.01.2013, 00:00
Dirk Frank, Rainer Wulfmeier und Peter Silbermann von der Schornsteinfegerinnung (v.l.) mit Lena Strothmann, die als Bundestagsabgeordnete am neuen Schornsteinfegergesetz mitgewirkt hat. - © FOTO: ANDREAS ZOBE
Dirk Frank, Rainer Wulfmeier und Peter Silbermann von der Schornsteinfegerinnung (v.l.) mit Lena Strothmann, die als Bundestagsabgeordnete am neuen Schornsteinfegergesetz mitgewirkt hat. | © FOTO: ANDREAS ZOBE

Bielefeld. Seit Jahresanfang gilt das neue Schornsteinfeger-Handwerksgesetz. Hausbesitzer dürfen nun wählen, welchen Kaminkehrer sie beauftragen. Ob sie damit Geld sparen, ist noch nicht geklärt. Aufwändiger ist es auf jeden Fall.

"2003 verklagte die EU Deutschland wegen des Verstoßes gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit", berichtet Lena Strothmann, Handwerkskammerpräsidentin und CDU-Bundestagsabgeordnete, die als Berichterstatterin des Bundeswirtschaftsausschusses maßgeblich an dem neuen Gesetz mitgearbeitet hat.

Der Europäischen Kommission war offenbar ein Dorn im Auge, dass althergebrachte Bezirksschornsteinfegermeister, die per Warteliste offiziell einen Kehrbezirk und damit einen festen Kundenstamm zugewiesen bekommen hatten, diesen bis zur Rente behielten. Die Gebührenordnung garantierte zudem ein Betriebsergebnis mit schwarzen Zahlen.

Bezirksschornsteinfeger waren für hoheitliche Prüfaufgaben wie für Kehrdienstleistungen gleichermaßen zuständig.
Das ist nun anders, "es gibt mehr Unternehmertum", sagt Strothmann. Seit Jahresbeginn sind Hausbesitzer nur noch an den Bezirksschornsteinfeger gebunden, wenn es um die Feuerstättenschau und baurechtliche Überprüfungen etwa bei Neuinstallationen von Heizungen geht. Die freie Wahl haben sie, wenn es darum geht, den Kamin kehren oder die Abgaswerte der Heizung messen zu lassen.

"Bezirksschornsteinfegermeister bleiben für die Sicherheit zuständig. Sie kontrollieren etwa, ob Rauchabzüge in den vorgeschriebenen Intervallen gereinigt werden", sagt Peter Silbermann, Obermeister der Schornsteinfegerinnung.

Dabei stehen Hauseigentümer, die nicht bei ihrem angestammten Schornsteinfeger bleiben, jetzt stärker in der Verantwortung als zuvor. Beauftragen sie einen anderen Kaminkehrer, weil der etwa billiger ist, müssen sie die "ordnungsgemäße und fristgerechte Ausführung" der Arbeiten mit einem Formblatt beim zuständigen Bezirksschornsteinfeger nachweisen. Der muss die Fristen kontrollieren, möglicherweise Arbeiten anmahnen oder das Ordnungsamt verständigen, wenn Hausbesitzer nicht reagieren.

Ein Verwaltungsaufwand, der nicht bezahlt wird. "Je mehr der Kunden aus einem Bezirk die Servicedienstleistungen an einen anderen Betrieb vergeben, desto mehr steigt für den Bezirksschornsteinfeger der Verwaltungsaufwand in Verhältnis zu seinen übrigen Arbeiten", sagt Silbermann.

Steigen dadurch möglicherweise auch die Gebühren für die regelmäßigen Feuerstättenschauen? Peter Silbermann zuckt mit den Schultern. Lena Strothmann erklärt: "Eine neue Gebührenordnung ist derzeit in Arbeit." Was dabei herauskomme, sei noch nicht klar. Ob die neuen Gebühren höher liegen als eine mögliche Ersparnis durch Vergabe der Servicearbeiten an einen freien Kaminkehrer, darauf haben weder die Politikerin noch der Handwerker derzeit eine Antwort.

Denn wie teuer die Kehr- und Messdienstleistungen werden, liegt noch nicht fest. Statt Gebühren zu berechnen, müssen die Bezirksschornsteinfeger nun Angebote machen, die im Wettbewerb bestehen können. Damit konkurrieren sie untereinander sowie möglicherweise mit Kollegen, die sich nun auch ohne eigenen Kehrbezirk selbstständig machen können.

Dafür haben die Schornsteinfeger künftig größere unternehmerische Freiheiten, das Nebentätigkeitsverbot entfällt. "Vom Kaminbau bis zum Anbringen von Rauchmeldern können wir nun Leistungen anbieten", sagt Rainer Wulfmeier von der Innung.

KOMMENTAR

Kompliziert, aber liberal

VON SEBASTIAN KAISER

Das Monopol der Bezirksschornsteinfeger auf hoheitliche Kontrollfunktionen und Kehrdienstleistungen hat das neue, EU-konforme Gesetz hinweggefegt. Doch Hausbesitzer haben Papierkram am Hals, wenn sie einen anderen als den Bezirksschornsteinfeger beschäftigen.

 Der wiederum bekommt Verwaltungsarbeit hinzu, muss überwachen, ob Hausbesitzer aus seinem Bezirk ordnungsgemäß einen Konkurrenten beauftragen. Klingt kompliziert, ist aber liberal. Dass so die Gebühren sinken, ist kaum zu glauben. Beabsichtigt ist wohl eher, dass die meisten Hausbesitzer bei ihrem Bezirksschornsteinfeger bleiben. Klingt bequem, ist aber trotzdem liberal.

Sebastian.Kaiser@ihr-kommentar.de