BIELEFELD

"Oetker war ein prima Vorgesetzter"

Guido Sandler hat Erinnerungen an seine Zeit als Manager beim Bielefelder Konzern in einem Buch veröffentlicht

20.09.2012 | 20.09.2012, 00:00
Die meiste Zeit seines Lebens hat Guido Sandler am Hauptsitz von Dr. Oetker verbracht. - © FOTO: ANDREAS ZOBE
Die meiste Zeit seines Lebens hat Guido Sandler am Hauptsitz von Dr. Oetker verbracht. | © FOTO: ANDREAS ZOBE

Bielefeld. Der Mann ist ein Tausendsassa. Promovierter Betriebswirt, Braumeister, staatlich geprüfter Milchkaufmann, Helfer in Steuersachen. Und ein Manager, der als Generalbevollmächtigter und persönlich haftender Gesellschafter den Oetker-Konzern mehr als 30 Jahre entscheidend mitgeprägt hat. Nur ein Buch hat Guido Sandler (84) nicht veröffentlicht. Doch auch diese Lücke ist jetzt geschlossen. "Oetker-Rezepte" heißen die Memoiren in Interviewform.

Viel erfährt der Leser über den gebürtigen Bayern Guido Sandler, der 1957 zu Oetker kam. Fast noch mehr lernt er aber über den Oetker-Konzern, über das Verhältnis Vater/Sohn und über große Erfolge und kleine Niederlagen des Bielefelder Weltkonzerns. Seinen Einstieg gab Sandler als Direktionsassistenz einer Oetker-Brauerei in Bayern.

Sandler über Bielefeld:

"Ich hatte damals keine Vorstellung von Oetker und wusste nicht einmal, wo Bielefeld liegt", bekennt Sandler. "Was war das für eine lange Fahrt von Freising nach Bielefeld. Es gab ja noch keine Autobahn."

über Rudolf August Oetker:

"Oetker war ein prima Vorgesetzter. Er hat nie etwas befohlen. Nicht einmal sagte Oetker, er wolle das einfach, weil er Oetker sei oder weil ihm das Unternehmen gehöre. Das Wort ,gehört mir‘ hat Oetker nie verwendet. Er war der Primus inter pares – aber nicht mehr." Geduzt habe man sich bei Oetker nie – und vielleicht deshalb gut zusammengearbeitet.

Information

Guido Sandler

5. Juli 1928: in Nandlstadt (Bayern) geboren

1949-1952: Studium der Betriebswirtschaftlehre in München, Ausbildung zum staatlich geprüften Milchkaufmann

1953: Promotion an der Universität Innsbruck

1954/55 Studium der Rechtswissenschaften, Ausbildung zum Helfer in Steuersachen

1955-1957: Studium der Brauwissenschaften

1. September 1957: Eintritt bei Oetker als Direktionsassistent der Bayerischen Actienbrauerei

1.9. 1959 Wechsel in die Oetker-Zentrale nach Bielefeld

1963: Generalbevollmächtigter und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Stammfirma Dr. Oetker

1981-1997: Persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG

1997-2000: Mitglied des Beirats der Dr. August Oetker KG.

über Oetker als Vorbild:

"Oetker arbeitete so, dass es einem zu denken gab", sagt Sandler. "Er nahm den großen Mercedes mit Chauffeur, wenn er einen Gast abholte. In die Firma kam er mit dem VW, da saß er selbst am Steuer."

über den Führungswechsel:

1978 besuchte Rudolf August seinen Sohn August in New York. Nach der Rückkehr habe der Vater bekannt, es habe ihm "doch alles recht gut gefallen" bei seinem Sohn. Wenig später kam August zurück nach Deutschland, 1981 trat er die Nachfolge an. "Beide waren hoch anständig", sagt Sandler. Reibereien gab es trotzdem. August "scheute sich nicht, Projekte, die sein Vater nicht wollte, trotzdem zu verfolgen. Da gab es Krach zwischen Vater und Sohn. Rudolf August konnte bei solchen Konflikten durchaus noch einmal die alte Form zeigen."

über die Bedeutung des Namens Oetker:

"In den meisten Familienunternehmen hat sich das Prinzip durchgesetzt ,Firma geht vor privat‘. Nur weil jemand Namensträger ist, kann er ein Unternehmen nicht führen. Das verbietet sich von selbst."

über Richard Oetker:

"Er ist sympathisch, angenehm, offen", beschreibt Sandler Richard Oetker. "Geprägt von seinem Schicksal, seiner Entführung. Er ist ein sehr menschlicher Vorgesetzter. Er hat sich noch nicht so beweisen können wie andere Manager. Aber er macht keine Fehler."

über einen Börsengang Oetkers:

"Nein."

über die größte Fehlentscheidung:

"Der größte Flop war der Bau einer Brauerei in Alaska. Dazu hatte ihn ein Deutscher überredet, der in Alaska lebte. Ich schaute mir das Land und die Menschen an. Mir fiel auf, dass fast vor jedem Haus ein Flugzeug stand. Nach dem frühen Feierabend um drei oder vier Uhr fliegen die zur Jagd, wurde mir erzählt. Das ist ein ganz anderes Volk als wir Deutsche und auch ganz anders als die Amerikaner. Aber Bier haben sie ebenfalls getrunken. Oetkers Geschäft lief so lange, bis Budweiser ernst machte und die Bielefelder aus dem Markt drückte."

über Rotkäppchen:

"Die hätten wir übernehmen müssen. Da war ich auch schuld. Wir hätten nicht viel zahlen müssen, ich glaube 3,6 Millionen Mark. Aber wir fürchteten, damit würden wir nicht weiter kommen. Rotkäppchen und Oetker – wir dachten, da lachen die Leute. Das war dumm."

über Golf spielende Manager:

"Ich frage mich immer, wo Manager die Zeit für Golf hernehmen. Das ist doch eines der zeitaufwändigsten Hobbys. Ich hätte nie, nie Zeit für Golf gehabt. Auch nicht für Tennis."

über Burnout:

"Ich weiß, was es ist, aber verstehen tu ich es nicht. Anscheinend ist es eine richtige Krankheit."

über Arbeit als Hobby:

"Die Arbeit war und ist mein Hobby. Kennen Sie jemanden, der jeden Tag ins Büro geht, ohne was bezahlt zu bekommen, wie ich das seit Jahren mache? Ich brauche auch keine Bezahlung. Ich habe eine Pension, eine Altersrente."

über Parteien:

Sandler ist Mitglied der CDU, "aber ich war dort nie aktiv. Bei der SPD möchte ich nicht sein. Die FDP wäre naheliegend gewesen, aber die war mir nie organisiert genug. Ich verkehrte mit einzelnen Liberalen, die sehr interessant waren. Aber nicht die ganze Partei."